Gesundheitspolitik

Mehr Zusammenarbeit als Heilmittel für das Gesundheitswesen

Kongress "Vernetzte Gesundheit" in Kiel

KIEL (tmb). Im Mittelpunkt des 3. Kongresses "Vernetzte Gesundheit" am 18. und 19. Januar in Kiel stand das neue GKV-Versorgungsstrukturgesetz. Es wurde vielfach betont, dass dies nicht nur ein "Landärztegesetz" sei, sondern zahlreiche strukturelle Änderungen enthalte. Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr stellte das am Jahresanfang in Kraft getretene Gesetz als Mittel für mehr Vernetzung vor und bezeichnete diese als wichtige Zukunftsaufgabe. Auf das im Gesetz verankerte ABDA/KBV-Modell ging er jedoch nicht ein.

Bundes- und Landesgesundheitsminister sehen die Zukunft des Gesundheitswesens in der Vernetzung: Daniel Bahr (links) und Dr. Heiner Garg.
Foto: AZ/tmb

Dr. Heiner Garg (FDP), Schleswig-Holsteinischer Gesundheitsminister und Gastgeber der Tagung, stellte erfreut fest, dass der Kongress mit über 500 Teilnehmern kurz nach dem Jahreswechsel die bundesweite Runde der gesundheitspolitischen Veranstaltungen eröffne. Garg betonte, dass die Politik in Schleswig-Holstein frühzeitig die Weichen für die Vernetzung im Gesundheitswesen gestellt habe.

Für Bahr ist die Vernetzung die notwendige Antwort auf die beiden Megatrends in der Gesundheit: die demografische Entwicklung und die Veränderung des ärztlichen Berufsbildes. Einerseits müssten künftig immer mehr Menschen behandelt werden. Andererseits seien junge Mediziner, insbesondere die zahlreichen Ärztinnen, mehr als Ärzte früherer Zeiten an der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und an vielfältigen Formen der Berufsausübung interessiert. Dafür seien neue Antworten nötig, insbesondere mehr Kooperation und Kommunikation. Mediziner sollten nicht nur Einzelkämpfer sein. Sie sollten zudem Tätigkeiten im Krankenhaus und in der Praxis kombinieren können. Dabei müsse die von der Bevölkerung sehr hoch eingeschätzte Versorgung vor Ort erhalten bleiben. Dafür biete das neue Gesetz bereits heute Maßnahmen, denn anderenfalls würden in zehn Jahren Versorgungsprobleme drohen.

Viel Neues im Gesetz

Das Gesundheitswesen könne nicht zentral aus Berlin gesteuert werden, denn es sei regional und damit unterschiedlich. Die Zusammenarbeit finde vor Ort statt. "Wir müssen das starre Berufsdenken überwinden", erklärte Bahr. Ärztliche Tätigkeiten müssten auch delegiert werden. Daher werde jetzt eine Liste der delegationsfähigen Tätigkeiten erstellt. Als Kooperationspartner der Ärzte nannte Bahr auch die Apotheker, allerdings ohne das ABDA/KBV-Modell zu erwähnen, dessen rechtliche Grundlage mit dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz eingeführt wurde.

Vor dem überwiegend medizinisch orientierten Publikum verwies Bahr auf etliche andere Regelungen des neuen Gesetzes. So gäbe es Arzt-Regresse künftig nur nach vorheriger Beratung, die sogenannte ärztliche Bedarfsplanung sei flexibler geworden, allerdings sei der Bedarf bisher ohnehin nicht geplant, sondern nur einmalig festgesetzt worden. Mit dem neuen Gesetz wurde auch die Residenzpflicht für Ärzte aufgehoben und für die Behandlung besonders schwer erkrankter Patienten eine neue spezialfachärztliche Versorgung eingeführt, die die Sektorengrenzen zwischen ambulantem und stationärem Bereich überwindet und keine Mengenbegrenzung enthält. Bahr erwartet, dass sich dabei meist eine Kooperation von ambulanten Ärzten und Krankenhausärzten durchsetzen werde. Zur Verringerung der Bürokratie seien mit dem neuen Gesetz über 20 Regelungen aufgehoben worden. Bahr wandte sich gegen Vorwürfe, das Gesetz enthalte eine Landärztesubvention. Vielmehr werde die Abstaffelung der Honorierung bei hohen Leistungsmengen abgeschafft. Damit führe es erst zu einer leistungsgerechten Vergütung und sei damit gerade keine besondere Subvention.

Kollektiv- und Selektiv verträge

Außerdem verwies Bahr auf neue Mitwirkungsrechte der Länder im Gesundheitswesen. Diese hätten damit aber auch die Verantwortung, ihre neuen Möglichkeiten zu nutzen. Im Sinne eines "Wettbewerbsföderalismus" müssten wir dann auch ertragen, wenn einige Regionen bessere Ergebnisse erzielen würden, erklärte Bahr. Erfolgreiche Projekte könnten dann Vorbilder für andere sein. "Kopieren ist hier erlaubt", so Bahr. Den Krankenkassen riet der Minister, ihre derzeit guten finanziellen Möglichkeiten für neue Projekte der Integrierten Versorgung zu nutzen, mit denen sie sich im Versorgungswettbewerb positionieren könnten. Bahr habe sich immer dagegen gewehrt, Selektivverträge zu nutzen, um Kollektivverträge zu torpedieren. "Wir brauchen beide", erklärte Bahr. Der Kollektivvertrag sei träge. Dagegen könnten wir von Selektivverträgen lernen.



AZ 2012, Nr. 4, S. 8

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