DAZ aktuell

ApBetrO-Novelle erhöht Anforderungen an die Rezeptur

Noch mehr Kommunikation unter Heilberuflern nötig

BERLIN (tmb). Die Rezeptur unter den Bedingungen der neuen Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) war das zentrale Thema des Symposiums der Fachgruppe Magistralrezepturen der Gesellschaft für Dermopharmazie (GD) im Rahmen der GD-Jahrestagung am 3. März in Berlin. Dabei wurde deutlich, was die rechtlichen Neuerungen praktisch bedeuten und wie umfangreich die neuen Anforderungen an die Rezeptur sind. Neben zusätzlicher Standardisierung und Dokumentation gehört dazu eine noch stärkere Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Apothekern.

Die Rezeptur wird durch die neue Apothekenbetriebsordnung nicht einfacher. Im Gegenteil: Zusätzliche Standardisierungen und Dokumentationspflichten erschweren die Arbeit und erfordern eine engere Vernetzung von Ärzten und Apothekern.

Die Fachgruppe hat ihre Überarbeitung der GD-Leitlinie zur dermatologischen Rezeptur aufgeschoben, bis die neue ApBetrO endgültig verabschiedet wird, berichtete Fachgruppenleiter Dr. Gerd Wolf, Grafschaft-Ringen. Wolf bedauerte, dass trotz der Bemühungen um Standardisierung weiterhin etwa 80 bis 90 Prozent aller Rezepturen frei komponiert würden.

Europäischer Rahmen

Dr. Holger Reimann, Neues Rezeptur Formularium (NRF), Eschborn, berichtete in Vertretung für Dr. Andreas Kiefer, Koblenz, über die künftigen Chancen für Individualverordnungen im europäischen Kontext und vor dem Hintergrund der neuen ApBetrO. Letztere enthalte gute Botschaften für die Apotheke, weil der Kontrahierungszwang bleibe und weiterhin jede Apotheke einbezogen sei. Durch die deutlich steigenden Anforderungen werde letztlich die ärztliche Therapiefreiheit gestärkt.

Die geplante neue Monographie "pharmaceutical preparations" des Europäischen Arzneibuches beschreibe zugelassene und nicht-zugelassene Arzneimittel. Sie erkenne damit die Arzneimittelherstellung in der Apotheke an und fordere von allen Heilberuflern, im Interesse der Patienten zusammenzuarbeiten. Auch die Entschließung des Europarats vom 19. Januar 2011 erkenne an, dass industrielle Arzneimittel nicht alle Bedürfnisse erfüllen können. Auch bei Rezepturen müsse der Patient eine angemessene Qualität erwarten können. Diese werde durch die heilberufliche Verantwortung, die ApBetrO und Herstellungsvorschriften gesichert. Solche Herstellungsvorschriften könnten standardisiert, beispielsweise vom NRF, von Herstellern oder von den herstellenden Apothekern erstellt werden.

Folgen der neuen ApBetrO

Die neue ApBetrO fordere schriftliche Herstellungsanweisungen. Diese könnten aus Herstellungsvorschriften erstellt werden, indem individuelle Angaben über die Dosierung, die verwendeten Herstellungsgeräte, die eingesetzten Vorprodukte, die Wägetechnik, die Reihenfolge der Arbeitsschritte und die Verpackung ergänzt werden. Neu sei der ausdrückliche Hinweis auf eine individuelle Plausibilitätsprüfung unter pharmazeutischen Gesichtspunkten, zu der insbesondere die Dosierung, Applikationsart, Kompatibilität der Stoffe und die Haltbarkeit gehören. Ebenfalls neu sei die Verpflichtung, ein Herstellungsprotokoll einschließlich Inprozesskontrollen für jede einzelne Rezeptur anzufertigen. Die abschließende organoleptische Prüfung und Freigabe seien ausdrücklich Aufgaben für Apotheker.

Bei Defekturen würden umso mehr Kontrollen erwartet, je größer die Charge sei. Die Herstellungsanweisung sollte hier detaillierter als bei der Rezeptur sein, aber nicht auf einen einzelnen Patienten bezogen und daher letztlich wohl einfacher. Im Unterschied zu Rezepturen müsse bei Defekturen eine substanzielle Prüfung stattfinden. Dies müsse aber keine volle analytische Prüfung sein. Als Möglichkeiten schlug Reimann pH-Kontrollen, DC-Untersuchungen und andere halbquantitative Verfahren vor.

Als Ergebnis der erhöhten Anforderungen an Rezepturen sei eine Preiserhöhung geboten, zumal schon der bisherige Rezepturpreis subventioniert sei. Die Kommunikation zwischen den Heilberuflern sei auf der Apothekerseite nun quasi vorgeschrieben, dies wirke sich aber auch auf die Ärzte aus.


"Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe."


Diskussionsbeitrag von Dr. Armin Scheffler, Vorstand der Birken AG, Niefern-Öschelbronn

Arbeiten unter neuen Bedingungen

In einem weiteren Vortrag verwies Reimann erneut auf die Entschließung des Europarates. Vor dem Hintergrund der Risikobewertung werde dort die Verantwortung der Heilberufler betont. Reimann hob hervor, dass es aufgrund dieser Entschließung keineswegs verboten sei, Rezepturen herzustellen, die in ähnlicher Form als Fertigarzneimittel auf dem Markt sind. Die Apotheken in Deutschland sieht Reimann durch die Leitlinien der Bundesapothekerkammer gut aufgestellt für die geforderte Qualität. Außerdem verwies er auf Arbeitshilfen des NRF wie Arbeitsvorlagen, die Datenbank zur Einwaagekorrektur und Musterbriefe zur Kommunikation mit Ärzten bei unklaren oder problematischen Verordnungen. In solchen Fällen sollten Apotheker stets Vorschläge zur Lösung der Rezepturprobleme machen. Die schriftliche Kommunikation mit dem Arzt sei zugleich ein Teil der Dokumentation der Plausibilitätsprüfung. Zur Dokumentation würden das Rezept, die Prüfungen zur Bedenklichkeit und Plausibilität, die Herstellungsanweisung und das Herstellungsprotokoll gehören. So kämen bei jeder Rezeptur fünf bis sechs Seiten zusammen, folgerte Reimann.

Vor dem Hintergrund der neuen Regeln empfiehlt und erwartet Reimann einen zunehmenden Anteil standardisierter Rezepturen, weil der Aufwand für die Herstellung bisher unbekannter Rezepturen steige. Anstelle freier Rezepturen sollten vorzugsweise ähnliche standardisierte Rezepturen verordnet werden. Denn eine "Plausibilitätsprüfung ist gut, Standardisierung ist besser", so Reimann. Zu der geforderten Plausibilitätsprüfung gehört nach seiner Einschätzung auch, dass die Apotheker erfahren, für welche Indikation die Rezeptur eingesetzt wird. Wichtiger als bisher werde die Angabe einer Gebrauchsanweisung, die mehr beschreibt als nur die Art der Anwendung. "Wenn die Apotheker dies ernst nehmen, werden sie künftig die Dermatologen mit Fragen zur Gebrauchsanweisung eindecken", erwartet Reimann.

Viel Bedarf für Rezepturen

Priv.-Doz. Dr. Petra Staubach, Dermatologin an der Universität Mainz, erklärte, dass 70 bis 80 Prozent aller Rezepturen zur Behandlung chronischer Erkrankungen eingesetzt würden. Sie betonte die Bedeutung von Rezepturen für das Ausfüllen von Lücken im Fertigarzneimittelangebot. Dazu führte sie beispielsweise die PUVA-Therapie mit Methoxsalen, spreitende Ölbäder, Prednisolon-Saft, Mundspülungen mit Lokalanaesthetika, Rezepturen für proktologische Zwecke, Zubereitungen mit Dithranol und Salicylsäure-Öl mit Triamcinolonacetonid an. Für die Intervall- und Stufentherapie mit Corticosteroiden böten Rezepturen mehr Differenzierungsmöglichkeiten als Fertigarzneimittel.

Außerdem seien Rezepturen in einigen Fällen preisgünstiger als Fertigarzneimittel. Problematisch sei jedoch, dass nicht alle Apotheken gleich taxieren würden. Sie habe dies mit vier Apothekern aus der Fachgruppe getestet, die einige Musterrezepturen jeweils unterschiedlich taxiert hätten. Die Abweichungen hätten bis zu 20 Prozent betragen, wobei teilweise unterschiedliche Verpackungen berücksichtigt worden seien. Staubach betonte, der Verordner brauche Kostentransparenz, um die Belastung seines Verordnungsbudgets einschätzen zu können. In der Diskussion entgegnete Dr. Thomas Müller-Bohn, Süsel, dass eine umfassende Wirtschaftlichkeitsbetrachtung die Kostenrechnung der Apotheke einbeziehen müsse. Es sei volkswirtschaftlich nicht sinnvoll, künstlich verbilligte Rezepturen zu bevorzugen, wenn der Vorteil für den Kostenträger durch Verluste in den Apotheken erkauft werde. In der Fachgruppe bestand jedoch Konsens, dass die Rezeptur als Mittel für individuelle Therapien sehr wichtig sei und unbedingt erhalten bleiben müsse.

Rezepturen in Österreich

Mag. pharm. Ilona E. Leitner, Wien, beschrieb die Rahmenbedingungen für die Rezeptur in Österreich. Verstärkte Aufzeichnungspflichten seien dort bereits 2005 durch eine Novelle der dortigen Apothekenbetriebsordnung (ABO) eingeführt worden, allerdings nicht für einzelne Rezepturen. Entscheidend sei, dass der Weg der Waren lückenlos zurückverfolgt werden könne. Leitner betonte die Bedeutung der Rezeptur für das Image der Apotheken. Die Einzelherstellung mache deutlich, dass sich der Apotheker um den Kunden kümmert, und zeige seine Kompetenz. Etliche Apotheken in Österreich würden eigene "Hausspezialitäten" zur Kundenbindung nutzen, obwohl die Registrierung erheblichen Aufwand bereitet und der Herstellungsprozess im Sinne des Qualitätsmanagements beschrieben sein muss. Derzeit seien in Österreich 920 Hausspezialitäten registriert. Beliebt seien aber auch offizinelle Rezepturen, die im Österreichischen Arzneibuch oder seinem Anhang beschrieben sind, und von allen Apotheken als Defektur hergestellt werden können, wofür in Österreich der Begriff Elaboration verwendet wird. Seit 2010 sei das traditionelle Handwerk in österreichischen Apotheken bei der UNESCO als immaterielles Kulturgut anerkannt und dementsprechend geschützt.



DAZ 2012, Nr. 10, S. 18

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