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Uni Leipzig bräuchte zwei Millionen Euro mehr

Landtags-Anhörung zur Schließung des pharmazeutischen Instituts

DRESDEN (jz/svs). Die nächste Stufe im Streit um das pharmazeutische Institut der Universität Leipzig ist erreicht: Am 23. April befassten sich in Dresden die sächsischen Landtagsabgeordneten auf Antrag der SPD-Fraktion in einer öffentlichen Anhörung mit der drohenden Schließung. Sieben geladene Sachverständige – Universitätsleitung, Professoren, Studenten und Standesvertretung – lieferten über drei Stunden Argumente für den Erhalt bzw. die Schließung des Instituts. Rund 30 angereiste Studenten zeigten den Politikern mit ihrer Anwesenheit, dass es auch zukünftig eine Pharmazie in Leipzig geben müsse.
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Studieren in Leipzig (zu sehen das Leibniz-Denkmal vor der neuen Universität) Ob dasFach Pharmazie hier weiter angeboten wird, istnach wie vor offen.

Seit Beginn des Jahres steht für die Universitätsleitung fest: Die Pharmazie an der Universität Leipzig soll abgewickelt werden. Der Universität wurde im Rahmen des Hochschulentwicklungsplans 2020 aufgetragen, 48 Stellen bis zum Jahr 2015 zu streichen. Prof. Dr. Beate Schücking, Rektorin der Universität Leipzig, beschloss daher, 21 dieser Stellen durch eine Schließung des Instituts für Pharmazie einzusparen. Nachdem alle Gremien der Universität der Entscheidung bereits zugestimmt haben, befindet sie sich nun im Prüfverfahren. Nach diversen Protestaktionen der Studenten und zwei Kleinen Anfragen im sächsischen Landtag zur Situation der Pharmazeuten im Lande kam es nun zur Anhörung im Plenum.

Professoren und Studenten: einmaliger Standort

Prof. Dr. Thilo Bertsche, seit 2010 Professor für klinische Pharmazie an der Universität Leipzig, hob das gute Forschungsumfeld hervor und beschrieb die besondere interdisziplinäre Verzahnung mit den zahlreichen Kooperationspartnern. In Leipzig werde problemorientiert und praxisnah unterrichtet, so gebe es beispielsweise eine Übungsapotheke zum Trainieren des Apothekenalltags. Von der guten Betreuungssituation und der angenehmen Lernatmosphäre berichtete die Diplomandin Christin Nitzschke, die stellvertretend für den Fachschaftsrat der Biowissenschaften und der Pharmazie gekommen war. Die personelle Situation des pharmazeutischen Instituts zeigte Prof. Dr. Michaela Schulz-Siegmund, geschäftsführende Direktorin des Instituts für Pharmazie, auf. Ihrer Meinung nach könnten durch Änderungen bestehender Arbeitsverträge Kosten eingespart werden. Sie kämpft ebenfalls für den Erhalt des Instituts. Schließlich gebe es in Leipzig die bundesweit einzige Weiterbildungsmöglichkeit für klinische Pharmazie im universitären Rahmen.

Standesvertretung kämpft für Erhalt

Monika Koch, Vorsitzende des Sächsischen Apothekerverbandes, beschrieb die aktuelle Arbeitsmarktsituation und den künftig steigenden Apothekerbedarf in Sachsen. Ihr zufolge werden bis 2022 über 1000 Apotheker und 800 Pharmazieingenieure in Rente gehen. Vor dem Hintergrund, dass keine Pharmazieingenieure mehr ausgebildet werden, fordert sie: "Wir brauchen nicht die gleiche Anzahl von Absolventen, sondern mehr!" Dem stimmte Friedemann Schmidt, Präsident der Sächsischen Landesapothekerkammer und ABDA-Vizepräsident, zu. Er betonte, dass die geplante Kürzung der Kapazitäten nicht zu verantworten sei. Wegen der demografischen Entwicklung werde der Apothekerbedarf in den nächsten zehn Jahren deutlich steigen. Hinzu kämen im Rahmen der neuen Apothekenbetriebsordnung weitere Pflichten für Apotheker, die diese nicht auf ihr Personal übertragen könnten. Auch die Sächsische Apothekerkammer sei auf den akademischen Input für Fortbildung und Weiterbildung angewiesen: "Diese unmittelbare Zusammenarbeit ist unersetzbar", so Schmidt.

Unileitung: Pharmazie schwache Einheit

Für Prof. Dr. Beate Schücking, Rektorin der Universität in Leipzig, ist die Universität ein "Juwel des deutschen Geisteswesens". Aus ihren Äußerungen ergab sich, dass die Stärken der Universität für sie in den Geisteswissenschaften liegen – die Pharmazie bezeichnete sie dagegen als "schwächere Einheit". Im Bundesvergleich sei die Leipziger Universität finanziell knapp ausgestattet und müsse daher sparen. Bisherige Sparvorgaben wurden nach dem "Rasenmäherprinzip" durchgeführt. Sie betonte: "Jetzt sind wir an einem Punkt, an dem das nicht mehr geht!" Für den Erhalt des Instituts benötige die Universität zusätzlich zwei Millionen Euro pro Jahr, stellte sie klar.

Die Entscheidung sei ihr nicht leicht gefallen, sagte die Rektorin. Aber nach Gegenüberstellung der Stärken und Schwächen sei unter anderem die Frage aufgekommen, ob man sich eine Betreuungssituation von 21 Stellen und 42 Erstsemestern in Zukunft leisten könne. Sie bezweifelt außerdem die Prognose zum steigenden Apothekerbedarf – ihr zufolge geht der Trend weg von den kleinen inhabergeführten Apotheken hin zu größeren und Versandapotheken. Sie betonte, dass es bis 2018 Absolventen an der Universität in Leipzig geben werde. Um sicherzugehen, dass in Mitteldeutschland ausreichend für Apothekernachschub gesorgt sei, habe sie sich von den Universitäten in Jena und Halle bestätigen lassen, dass dort keine Reduzierung der Pharmazie-Studienplätze geplant sei, erklärte Schücking.

Hält das Institut Apotheker im Land?

Die Sachverständigen hatten keine einheitliche Meinung dazu, ob die pharmazeutische Ausbildung in Leipzig dem gefürchteten Apothekermangel auf dem Land entgegenwirken kann. Nitzschke: "Wer nach Leipzig zum Studieren kommt, der bleibt!" Dies bezweifelte vor allem Prof. Dr. Thomas Lenk, Prorektor für Entwicklung und Transfer an der Universität Leipzig. SAV-Präsidentin Koch berichtete in diesem Zusammenhang von einem Gemeinschaftsprojekt Apothekerkammer, Apothekerverband und pharmazeutischem Institut: Apotheker, Studenten und Absolventen können sich auf www.pharmazie-sachsen.de suchen und finden.

Einig waren sich alle, dass die Kommunikation in der Vergangenheit zu kurz gekommen ist: "Ich bedauere das sehr, dass im Vorfeld nicht kommuniziert wurde", sagte Schmidt. Nitzschke beklagte ebenfalls, die Studentenschaft sei vor vollendete Tatsachen gestellt worden, "eine Diskussion gab es nicht!" Aber auch Schücking wurde Ende des vergangenen Jahres von den Vorgaben des Hochschulentwicklungsplans überrascht. Die Universität musste innerhalb eines Monats bekannt geben, welche Stellen gestrichen werden sollen. Abzuwarten bleibt nun, welche Wirkung die Argumente der Sachverständigen auf die sächsischen Abgeordneten haben und ob sie sich für den Erhalt der Pharmazie in Leipzig einsetzen werden.



DAZ 2012, Nr. 17, S. 44

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