Arzneimittel und Therapie

Nicht "Krankheiten", sondern "kranke Menschen" behandeln

Ein DNA-Test, mit dem Frauen sich ein individuelles Tamoxifen-Wirkprofil erstellen lassen können, soll die Brustkrebsbehandlung mit Tamoxifen verbessern. Da das Antiestrogen über das genetisch sehr variable Enzym CYP2D6 verstoffwechselt wird, sprechen die Patientinnen unterschiedlich auf die Therapie an. Bei etwa 3% der behandelten Frauen ist CYP2D6 besonders aktiv. Hier besteht die Gefahr einer Überdosierung. Starke Nebenwirkungen und daraus resultierend eine schlechtere Compliance können die Folge sein.
Das Wissen um verringerte oder erhöhte CYP2D6-Aktivität sollte als ein individueller Biomarker gesehen werden, der zu einer rationalen Therapieentscheidung beitragen kann. Foto: Bayer AG

70 bis 80% aller Mammakarzinome sind östrogenabhängig. Hier greift Tamoxifen an, das kompetitiv die Bindung von Östrogenen an zytoplasmatische Hormonrezeptoren hemmt, es kommt zu einer Abnahme der Zellteilung in östrogenabhängigen Geweben. Beim metastasierenden Mammakarzinom tritt in ca. 50 bis 60% der Fälle eine vollständige oder teilweise Remission vor allem von Weichteil- und Knochenmetastasen ein, wenn das Vorhandensein von Östrogenrezeptoren im Tumorgewebe nachgewiesen wurde. Bei negativem Hormonrezeptorstatus, insbesondere der Metastasen, werden nur in ca. 10% objektive Remissionen beobachtet.

Tamoxifen ist ein Prodrug. Es wird hauptsächlich über das Enzym CYP3A4 zu N-Desmethyl-Tamoxifen metabolisiert, welches weiter über das Enzym CYP2D6 zu dem aktiven Metaboliten 4-Hydroxy-N-Desmethyl-Tamoxifen (Endoxifen) verstoffwechselt wird. Bei Patienten mit fehlendem CYP2D6 zeigt sich eine um etwa 75% niedrigere Konzentration an Endoxifen im Vergleich zu Patienten mit normaler CYP2D6-Aktivität. Jede zweite Frau weist genetische Variationen auf, die die Aktivität des Enzyms erhöhen oder reduzieren. Erhöhte Aktivität bedeutet, dass zu viel Endoxifen gebildet wird – bei diesen Frauen (ca. 3%) treten häufig starke Nebenwirkungen auf. Ist die CYP2D6-Aktivität reduziert (bei ca. 40% der Patientinnen) oder gar nicht vorhanden (ca. 7%), kann der therapeutische wirksame Metabolit meist nicht gebildet werden. Patientinnen, die CYP2D6 nicht in einer funktionsfähigen Form besitzen, werden praktisch nicht behandelt, obwohl sie jeden Tag ein Medikament einnehmen! Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hatte im Januar 2011 wegen der genetisch abhängigen Wirksamkeit von Tamoxifen ein Stufenplanverfahren eingeleitet. Demnach sollen die Fachinformationen von Tamoxifen-haligen Präparaten künftig mit entsprechenden Hinweisen zur Metabolisierung über CYP2D6 versehen werden.

Nach dem DNA-Test die Therapie optimieren

Der heutige Behandlungsstandard besteht aus einer sequenziellen Therapie mit Tamoxifen und Aromatasehemmern wie Anostrazol, Exemestan oder Letrozol. Diese Aromatasehemmer blockieren nicht den Östrogen-Rezeptor, sondern verhindern die Bildung von Östrogen und sind nicht von genetischen Variationen betroffen.

Durch einen DNA-Test, der in der Apotheke erhältlich ist ("Therapiesicherheit Tamoxifen", Humatrix AG), kann ein individuelles Tamoxifen-Wirkprofil erstellt werden. Dazu entnimmt der Arzt eine Blutprobe und sendet diese zur Laboranalyse ein. Innerhalb weniger Tage liegt das Analyseergebnis vor und wird vom Arzt in einem persönlichen Gespräch ausführlich erläutert. Das Ergebnis enthält eine eindeutige Aussage, in welchem Maße die Patientin Tamoxifen in den eigentlichen Wirkstoff Endoxifen umwandeln kann und kann als Grundlage für die Planung einer persönlichen antihormonellen Therapie dienen. Der neue Test soll der Patientin und dem Arzt die Gewissheit geben, nach der operativen Entfernung eines hormonabhängigen Tumors die wirkungsvollste adjuvante Therapie einzuleiten. Gehört die Patientin zu den 50%, die Tamoxifen optimal verstoffwechseln, ist der Wechsel auf Aromatasehemmer nicht erforderlich. Der Test kostet 395,49 Euro und wird von den Krankenkassen nicht erstattet. Die Leistungen für Beratung und Probenentnahme durch den Arzt werden nach Aufwand gemäß Gebührenordnung für Ärzte separat berechnet.


ck



DAZ 2012, Nr. 18, S. 51

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