DAZ aktuell

Wann sind Apotheker "apothekerlich" tätig?

Deutsche Rentenversicherung Bund greift Industrie-Apotheker an

STUTTGART (diz). Unruhe bei allen Apothekerinnen und Apothekern, die nicht in einer öffentlichen oder Krankenhausapotheke arbeiten: Die Deutsche Rentenversicherung Bund beabsichtigt, allen in der Industrie tätigen Apothekern die Berechtigung zur Befreiung von der Beitragspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung abzuerkennen. Dies würde bedeuten, dass sich diese Apothekerinnen und Apotheker nicht mehr in einem der berufsständischen Versorgungswerke versichern können. Die Sorge, dass diese Überprüfung der Tätigkeitsbereiche auch auf alle anderen nicht in Apotheken arbeitenden Apothekerinnen und Apotheker angewandt wird, steht im Raum.

Ausgehend von einer Betriebsprüfung in einem pharmazeutischen Unternehmen zweifelte die Deutsche Rentenversicherung Bund an, dass die dort beschäftigten Apotheker "apothekerlich" tätig seien. Obwohl die Apothekerinnen und Apotheker ein umfangreiches Dokumentenpaket zusammengestellt hatten, woraus ihre apothekerliche Tätigkeit ersichtlich ist, ging die Rentenversicherung Bund nach der Prüfung davon aus, dass die Beschäftigung der Apotheker nicht "berufsspezifisch" sei. Die Folge: Die Rentenversicherung Bund aberkannte allen Apothekern dieses Unternehmens mit sofortiger Wirkung und ohne Aufschub ab dem 1. Januar 2012 und rückwirkend seit dem Jahr der letzten Betriebsprüfung des Unternehmens die Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung; der Arbeitgeber wurde verpflichtet, die Rentenbeiträge an die Deutsche Rentenversicherung Bund zu entrichten.

Möglicherweise soll mit dieser Vorgehensweise der Deutschen Rentenversicherung Bund ein Präzedenzfall geschaffen werden, so vermuten Insider, der Konsequenzen für alle nicht in der öffentlichen oder Krankenhaus-Apotheke beschäftigten Apothekerinnen und Apotheker haben könnte.

Versorgungswerke an der Seite ihrer Mitglieder

Nach ersten Informationen wollen die betroffenen Apotheker die Aberkennung der Befreiung nicht widerstandslos hinnehmen und juristische Schritte einleiten. Zumindest wolle man eine Besitzstandswahrung erreichen. Es gibt zudem bereits eine unterschiedliche Rechtsprechung zu diesem Thema, so dass es naheliegt, dass sich auch das Bundessozialgericht in naher Zukunft mit dieser Thematik befassen wird.

Wie die Arbeitsgemeinschaft Berufsständischer Versorgungswerke (ABV) gegenüber der DAZ mitteilt, haben die Versorgungswerke durchaus ein Interesse an der Befreiung ihrer Mitglieder von der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Interessen von Mitgliedern der berufsständischen Versorgungswerke werden bereits seit Langem gegenüber der Deutschen Rentenversicherung Bund vertreten, so der Pressesprecher der ABV. So habe man bereits erreichen können, dass der sogenannte "Drug Safety-Officer" als befreiungsfähig weil berufsbezogen als Apotheker tätig angesehen werde.

Jeder Einzelfall ist zu prüfen …

Die ABV macht aber darauf aufmerksam, dass die Erteilung der Approbation als Apotheker und die Entscheidung über die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung von unterschiedlichen Faktoren abhängt. Für die Frage der Entscheidung über einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung ist nämlich allein die Deutsche Rentenversicherung Bund, die dabei sozialrechtliche Maßstäbe anwendet, zuständig. Sie prüft, ob die konkrete Tätigkeit, die der Apotheker ausübt, als berufsspezifisch-apothekerlich anzusehen ist und orientiert sich dabei u. a. an der Bundesapothekerordnung. Es werde also jeder Einzelfall zu prüfen sein, so die ABV weiter, ob die konkrete Tätigkeit, für die eine Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung erreicht werden soll, apothekerlich ist oder nicht. Dies ist deshalb zwingend, weil § 6 SGB VI die Befreiung ausdrücklich als beschäftigungsbezogen definiert.

Keine Befreiung bei berufsfremder Tätigkeit

Zulässig sind damit nur solche Beschäftigungen, wegen denen Pflichtmitgliedschaft in Kammer und Versorgungswerk entsteht, das kann im vorliegenden Fall nur die des Apothekers/der Apothekerin sein. Übt ein Apotheker dagegen eine berufsfremde, z. B. kaufmännische Tätigkeit aus, dann kann er für diese nicht befreit werden. Die Schwierigkeit liegt in den vorliegenden Fällen also daran zu verdeutlichen, dass es sich um Tätigkeiten handelt, die als apothekerliche, d. h. als solche einzuordnen sind, für deren Ausübung das Studium der Pharmazie Voraussetzung ist und die pharmazeutischen Kenntnisse nicht nur am Rande mitverwendet werden.

Daraus zeichnet sich ab, dass Grundlage der Beurteilung zum einen die auf die Stelle bezogene sogenannte Stellen- und Funktionsbeschreibung des Arbeitsgebers ist, die deutlich machen muss, warum eine Tätigkeit apothekerlich ist. Zum andern wird allerdings auch das in der Bundesapothekerordnung verankerte Berufsbild herangezogen werden.

Kammern ist Problematik bekannt …

Es könne allerdings nichts erreicht werden, so erklärt die ABV, wenn die Arbeitgeber Apotheker auf Positionen einsetzen, die offensichtlich – teilweise durch Ausschreibungstext oder sogar den Arbeitsvertrag belegbar – auch von anderen Berufs- und Akademikergruppen wie z. B. Chemikern oder Biologen besetzt werden können. Die ABV hat auf diese Umstände sowohl die berufsständischen Organisationen, die allein für Fragen der Berufsordnung zuständig sind, als auch die pharmazeutischen Arbeitgeber schon vor Jahren angesprochen und entsprechend informiert. Leider sei den Appellen der Arbeitsgemeinschaft bisher kein nachhaltiger Erfolg beschieden gewesen.

Auch den Kammern und ihren Versorgungswerken ist die in den letzten Monaten aufgekommene Problematik bekannt. So wird allen Mitgliedern eines berufsständischen Versorgungswerkes, die unmittelbar durch Betriebsprüfungen oder bereits Gerichtsverfahren betroffen sind, geraten, möglichst schnell mit ihrem Versorgungswerk Kontakt aufzunehmen, um Lösungswege zu erarbeiten.

Auch die Arbeitsgemeinschaft für Pharmazeutische Verfahrenstechnik (APV), der zahlreiche Industrie-Apotheker angehören, wird sich diesen Fragen annehmen und sich für ihre Mitglieder einsetzen. Sie wird eine Task Force einrichten, um Betroffenen, die sich dagegen wehren wollen, Hilfe anzubieten.



DAZ 2012, Nr. 2, S. 24

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