Arzneimittel und Therapie

Fischöl für Dialysepatienten? Anwendung zum Thromboseschutz bei Gefäßprothesen

Für eine erfolgreiche Hämodialyse ist ein zuverlässiger Gefäßzugang unabdingbar. Jede der zurzeit eingesetzten Methoden hat Vor- und Nachteile. Bei Gefäßprothesen ist vor allem das hohe Thromboserisiko problematisch. Eine kanadische Studie hat untersucht, ob dieses durch die Einnahme von Fischölkapseln verringert werden kann.

Zurzeit werden bei Dialysepatienten arterio-venöse Fisteln (Dialysefisteln), Gefäßprothesen und zentrale Venenkatheter eingesetzt (siehe Abb.). In Nordamerika waren in den 1990er-Jahren Gefäßprothesen der bevorzugte Zugangsweg. Doch wegen hoher Kosten und erheblicher Komplikationsraten nahm ihre Bedeutung ab, sodass heute meist AV-Fisteln eingesetzt werden.


Dauerhafter Gefäßzugang Als Dialysefistel oder Dialyseshunt bezeichnet man eine operativ angelegte, dauerhafte Verbindung zwischen einer Vene und einer Arterie. Als Konsequenz dieser Verbindung strömt mehr Blut unter höherem Druck durch die Vene unter der Oberfläche. Durch den erhöhten Druck weitet sich diese, sie entwickelt eine dickere Venenwand und lässt sich unter der Haut besser tasten. So kann ein ausreichender Blutfluss erreicht werden, um einen extrakorporalen Blutkreislauf herzustellen. Angelegt wird eine Dialysefistel zumeist oberhalb des Handgelenkes, es ist aber auch eine sogenannte hohe Fistel im Bereich der Ellenbeuge oder des Oberarmes möglich.

Hohes Thromboserisiko

Zu den häufigsten Komplikationen bei Gefäßprothesen zählen Thrombosen; Untersuchungen zufolge treten sie innerhalb eines Jahres in mehr als 50% der Fälle auf. Zur Risikoreduktion gibt es bisher noch keine wirksamen Interventionen. Eine moderate Verbesserung der Durchgängigkeit zeigte sich in einer randomisierten Studie durch den Einsatz von Dipyridamol plus niedrigdosierter Acetylsalicylsäure. Aufgrund ihrer antioxidativen, antiproliferativen und gefäßerweiternden Eigenschaften stellen auch Omega-3-Fettsäuren theoretisch eine Möglichkeit dar, Stenosen und Thrombosen zu verhindern. Dies hat beispielsweise eine kleine 2002 durchgeführte prospektive Studie gezeigt, bei der Fischöl die Durchgängigkeit innerhalb eines Jahres um das Fünffache verbesserte.

Studie zum Einsatz von DHA plus EPA

In einer multizentrischen, randomisierten verblindeten Placebo-kontrollierten Studie wurden die Durchlässigkeit und die Thrombose- bzw. Interventionsrate bei Patienten mit Niereninsuffizienz im Endstadium, denen eine Gefäßprothese neu eingesetzt worden war, geprüft. Die Untersuchung fand zwischen 2003 und 2010 an 15 nordamerikanischen Dialysezentren statt. Die insgesamt 201 Patienten erhielten im zwölfmonatigen Studienzeitraum entweder täglich vier Fischölkapseln (n = 201) oder Placebo (n = 100). Jede Kapsel enthielt 400 mg EPA (Eicosapentaensäure) und 200 mg DHA (Docosahexaensäure).

Der vordefinierte primäre Endpunkt war der Anteil der Patienten, deren Gefäßprothesen innerhalb von zwölf Monaten undurchlässig wurden oder bei denen ein radiologischer oder chirurgischer Eingriff zur Wiederherstellung der Durchlässigkeit notwendig geworden war. Zu den sekundären Endpunkten zählten z. B. die Thromboserate innerhalb von 1000 Tagen und die Hospitalisierungsrate wegen eines kardiovaskulären Ereignisses.

Keine Überlegenheit beim primären Endpunkt

Die Studie ergab bezüglich des primären Endpunkts keinen signifikanten Unterschied zwischen den Teilnehmern, die Fischöl-Kapseln einnahmen, und den Placebo-Patienten. Unter Fischöl-Einnahme lag der Anteil der Patienten mit 12-monatiger ereignisfreier Zeit bei 48% (48 von 99), unter Placebo bei 62% (60 von 97). Das relative Risiko (RR) betrug 0,78 (95% KI 0,60 bis 1,03, = 0,06).

Bei den sekundären Endpunkten war die Inzidenzrate bezogen auf 1000 Tage in der Fischöl-Gruppe signifikant niedriger als unter Placebo (3,43 vs. 5,95 pro 1000 Tage, incidence rate ratio IRR 0,58, 95% CI 0,44 bis 0,75, p < 0,001). Die Thrombosehäufigkeit wurde durch die Fischölbehandlung sogar auf die Hälfte reduziert (1,71 vs. 3,41 pro 1000 Tage, IRR = 0,50, 95% KI 0,35 bis 0,72, p < 0,001). Die Häufigkeit notwendiger Interventionen war ebenfalls signifikant geringer (2,89 vs. 4,92 pro 1000 Tage, IRR = 0,59, KI 0,44 bis 0,78, p < 0,001).

Die Ursachen für den Verlust der Durchgängigkeit waren in beiden Gruppen gleich verteilt; Thrombose, operative Probleme oder Infektionen traten am häufigsten auf.

Die Analyse kardiovaskulärer Endpunkte ergab ein längeres Event-freies Überleben in der Fischöl-Gruppe im Vergleich mit der Placebogruppe (HR 0,43, 95% KI 0,19 bis 0,96, p = 0,04).

Verglichen mit den Ausgangswerten kam es außerdem nach sechs Monaten zu signifikanten Reduktionen im systolischen Blutdruck, die bis zu einem Jahr anhielten (- 3,01 vs. 4,49 mmHg, Differenz - 8,10, 95% KI - 15,4 bis - 0,85, p = 0,01). 64% der Patienten der Fischölgruppe verglichen mit 42% in der Placebogruppe hatten mindestens eine Verminderung in der Dosis oder Häufigkeit ihrer antihypertensiven Medikation (RR 1,51, 95% KI 1,13 bis 2,01, p = 0,004).

Zwischen den Behandlungsgruppen wurden keine Unterschiede in den Serumspiegel von Gesamtcholesterol, LDL-Cholesterol und Triglyceriden beobachtet. Signifikante klinische unerwünschte Ereignisse wie beispielsweis Blutungen traten in den beiden Gruppen ebenfalls mit vergleichbarer Häufigkeit auf.


DHA und EPA im Fischöl


Die Omega-3-Fettsäuren Docosahexaensäure (DHA) und Eicosapentaensäure (EPA) kommen vor allem in fettreichen Meeresfischen wie Hering, Makrele, Lachs, Thunfisch und Heilbutt vor. Wie zahlreiche Studien gezeigt haben, können sie über ihre physiologische Rolle bei vielen hormonellen, immunologischen und neuronalen Prozessen hinaus positiv auf Erkrankungen wie z. B. Herz-Kreislauf-Krankheiten, rheumatoide Arthritis, chronisch entzündlichen Darmerkrankungen und Depressionen wirken. Als Wirkmechanismus für die positiven Effekte auf die Durchgängigkeit von Gefäßprothesen werden unter anderem eine Verminderung der Viskosität des Serums sowie eine Hemmung der neointimalen Hyperplasie postuliert.

Kommentar der Autoren

Die Autoren der Studie sehen als Ursache dafür, dass unter Fischöl-Einnahme keine Überlegenheit beim primären Endpunkt erzielt werden konnte, unter anderem eine zu geringe statistische Power (statt der geplanten 232 konnten nur 201 Patienten eingeschlossen werden). Als positiv werten sie die signifikanten Unterschiede bei mehreren sekundären Endpunkten wie z. B. die Halbierung der Thromboserate und eine klinisch bedeutsame Reduktion in der Häufigkeit radiologischer oder chirurgischer Interventionen in der Fischöl-Gruppe.

Nach Ansicht eines Kommentators der Studie waren darüber hinaus das verbesserte kardiovaskuläre Event-freie Überleben eine stärker ausgeprägte Blutdrucksenkung und Reduktion antihypertensiver Medikation in der Fischölgruppe wichtige Ergebnisse der Studie, denn die kardiovaskulär bedingte Mortalität ist bei Dialysepatienten besonders hoch. Daher sollten Studien angestrebt werden, die den Effekt einer Fischöl-Einnahme auf die Senkung der Mortalitätsrate bei Dialysepatienten gezielt untersuchen.


Quelle

Lok, CE, et al.: Effect of fish oil supplementation on graft patency and cardiovascular events among patients with new synthetic arteriovenous hemodialysis grafts. A randomized controlled trial. JAMA 2012;307(17):1809 -1816.

Dixon BS.: Fish oil and hemodialysis graft patency. Does time matter? JAMA 2012;307(17):1859 - 1860.


Apothekerin Dr. Claudia Bruhn



DAZ 2012, Nr. 22, S. 46

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