Arzneimittel und Therapie

Rheumatiker profitieren von neuen Wirkstoffen

Biologika verringern das Sterberisiko

Vor 13 Jahren wurde in Europa mit Etanercept das erste Biologikum zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis zugelassen. Zeitgleich haben Experten Biologika-Register in mehreren europäischen Ländern eingerichtet, um Sicherheit und Wirksamkeit der neuen Therapien zu prüfen. Dieses Register konnte jetzt erstmals zeigen, dass Rheumapatienten eine normale Lebenserwartung erreichen, wenn es gelingt, die Krankheitsaktivität dauerhaft zu kontrollieren.
Bewegliche Finger sind nötig, damit der Patient Fertigspritzen oder Pens richtig anwenden kann. Mit den Fingern muss eine Hautfalte gebildet werden und die Nadel in einem Winkel von 45 bis 90 Grad eingestochen werden. Die Lösung ist dann langsam und gleichmäßig zu injizieren. Gerade ältere Rheumatiker haben hier motorische Schwierigkeiten. Diese Fähigkeiten der Finger können zum Beispiel mit Knete trainiert werden. Foto: Wyeth Pharma GmbH

Diese Register zeigen außerdem übereinstimmend, dass eine Behandlung mit den am längsten erprobten Biologika, den TNF-Blockern, das Krebsrisiko nicht erhöht. Bei der Behandlung mit TNF-Blockern besteht jedoch ein erhöhtes Risiko für schwerwiegende Infektionen.

Fast 11.000 Patienten mit rheumatoider Arthritis werden in dem seit elf Jahren bestehenden deutschen Biologika-Register RABBIT beobachtet – die Abkürzung steht für „Rheumatoide Arthritis: Beobachtung der Biologika-Therapie“. Darüber informierte jetzt die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh).

Verringerte Mortalität

Seit Langem ist bekannt, dass die Lebenserwartung bei Patienten mit rheumatoider Arthritis verkürzt ist. Nach den Daten des RABBIT-Registers können Betroffene jedoch mit einer normalen Lebenserwartung rechnen, wenn es gelingt, die Krankheitsaktivität auf ein niedriges Niveau zu senken. Bei anhaltend hoher Krankheitsaktivität ist die Sterblichkeit hingegen dreimal höher als in der Normalbevölkerung.

Die Sterblichkeit der mit Biologika behandelten Patienten ist nach den RABBIT-Daten im Vergleich zur konventionellen Therapie deutlich verringert. Die Gründe dafür liegen unter anderem in der geringeren Krankheitsaktivität und der reduzierten Anwendung von Glucocorticoiden.

Bei einer mittleren Beobachtungszeit von 3,4 Jahren starben 197 Patienten mit rheumatoider Arthritis, die eine konventionelle antientzündliche Therapie erhalten hatten (20,1 pro 1000 Patientenjahre). Bei den Patienten, die TNF-alpha-Blocker erhalten hatten, liegt die Mortalität im RABBIT-Register bei 11,3 pro 1000 Patientenjahre. Der Unterschied ist hoch signifikant. Die Mortalität der Patienten mit Rituximab-Therapie ist mit 13,8 pro 1000 Patientenjahre ähnlich niedrig; wegen der geringeren Patientenzahl ist diese Anzahl aber im Vergleich zu Patienten unter einer konventionellen Therapie nicht signifikant.

Biologicals gegen rheumatoide Arthritis

Biologicals verändern die Wirkung von Botenstoffen, die das Zusammenspiel der unspezifischen und der spezifischen Immunabwehr regulieren. Zu diesen Botenstoffen gehören Interferone, Interleukine und der Tumornekrosefaktor alpha (TNF alpha).

TNF alpha regelt die Aktivität mehrerer Immunzellen, indem er in Zellteilung und Zelldifferenzierung eingreift. Bei der rheumatoiden Arthritis fördert TNF alpha die Entzündung in der Synovia und führt so – ohne Therapie – zur irreversiblen Zerstörung der Gelenke, den früher typischen Rheumahänden. Zusätzlich verursacht TNF alpha einen systemischen Entzündungsprozess. Gegen den TNF alpha richten sich die Antikörper Infliximab und Adalimumab. Sie werden zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis in der Regel in Kombination mit Methotrexat eingesetzt. Das Fusionsprotein Etanercept ist ein löslicher TNF-alpha-Rezeptor. Als TNF-alpha-Antikörper wirken Golimumab und Certolizumab.

Andere Biologicals zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis verhindern die entzündungsfördernde Wirkung verschiedener Interleukine (IL): Tocilizumab blockiert die Rezeptoren von Interleukin 6 (IL-6); das Protein Anakinra wirkt als Antagonist des Interleukin-1-Rezeptors.

Abatacept wirkt als selektiver T-Zell-Kostimulations-Blocker. Der Wirkstoff schwächt die Aktivierung von T-Lymphozyten und hemmt dadurch unter anderem die Entzündung bei rheumatoider Arthritis. Rituximab richtet sich gegen B-Zellen.

Fast alle in der Rheumatologie eingesetzten Biologika wurden zunächst zur Behandlung von rheumatoider Arthritis entwickelt. Inzwischen werden sie jedoch auch für die Behandlung anderer rheumatischer Erkrankungen untersucht. Dazu gehören die Psoriasis-Arthropathie, der Morbus Bechterew und der systemische Lupus erythematodes.


Beratungstipp


Da Biologicals als Proteine bei einer Magen-Darm-Passage zerstört werden, können sie nicht oral gegeben werden, sondern müssen parenteral – meist subcutan – appliziert werden. Die zur Verfügung stehenden Wirkstoffe unterscheiden sich hinsichtlich Halbwertszeit und der vorgeschriebenen Dosierungsintervalle. Die subcutane Injektion kann nach Unterweisung in die Spritztechnik vom Patienten zu Hause allein durchgeführt werden. Zwar werden in den Beipackzetteln aller Präparate die Injektion sehr ausführlich erklärt, trotzdem sollten Sie bei der Abgabe immer nachfragen, ob der Patient mit der Applikationstechnik vertraut ist oder ob es bei der letzten Anwendung Probleme gab. Viele Hersteller bieten im Internet Informationsmaterial und Schulungsfilme an. Erinnern Sie den Patienten daran, dass die Injektionsstelle bei jeder Applikation gewechselt und die Haut an der vorgesehenen Stelle intakt sein sollte. Weisen Sie auch auf die Lagerung hin: Biologicals müssen im Kühlschrank bei 2 bis 8° C gelagert werden. Für eine möglichst schmerzarme Injektion, raten Sie dem Patienten, den zu applizierenden Pen ca. 20 Minuten vor der Injektion aus dem Kühlschrank zu nehmen.

Schwächung der Immunabwehr

Weil fast alle therapeutischen Antikörper tief in die Immunabwehr eingreifen, schwächen sie deren Widerstandskraft gegen Erreger und Krebserkrankungen. Deshalb sind sie oft nur unter strengen Sicherheitsauflagen zugelassen und sollten trotz ihrer guten Wirksamkeit zunächst nur bei Patienten eingesetzt werden, bei denen andere Therapien nicht ausreichend gewirkt haben. Vor der Anwendung sollten die Patienten auf Infektionen untersucht und, wenn nötig, entsprechend behandelt werden.

TNP-alpha-Blocker unterdrücken die Immunabwehr so stark, dass es als Nebenwirkungen zu tödlichen Pilzinfektionen kommen kann. Weiterhin wurde befürchtet, dass Lymphome und andere Krebserkrankungen gefördert werden könnten. Dieses Risiko scheint nach den Daten von RABBIT jedoch nur gering zu sein: Patienten, die eine Biologika-Therapie erhalten, müssen nicht mit einem erhöhten Risiko für Krebserkrankungen rechnen, wie etwa Lymphomen oder soliden Tumoren, so die übereinstimmenden Ergebnisse der europäischen Register. Hingegen ist das Risiko für schwerwiegende Infektionen erhöht.

Kein erhöhtes Krebsrisiko

Aufgrund der Daten des RABBIT-Registers haben die Forscher einen Score entwickelt, mit dem Ärzte das Gesamtrisiko eines Patienten berechnen können. In den Score gehen Alter, Ko-Morbidität, Funktionsstatus, frühere Infektionen, bisherige Therapieversuche, die Dosis der begleitenden Glucocorticoide sowie die Behandlung mit TNF-Blockern oder konventioneller Therapie ein. So erhöhen Biologika zwar das Infektionsrisiko; in der Summe kann es aber durch die Senkung der Krankheitsaktivität und die Einsparung von Glucocorticoiden niedriger sein als unter konventioneller Therapie. Daher sollten im Einzelfall Nutzen und Risiko abgewogen werden.

Der Score-Rechner steht im Internet zur Verfügung (www.biologika-register.de).


hel



DAZ 2012, Nr. 34, S. 38

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