Fragen aus der Praxis

Schlafstörungen bei Parkinson

Welche Alternative gibt es zu Quetiapin?

Frage


Ein Patient mit Morbus Parkinson bekommt Levodopa morgens 250 mg und abends 100 mg. In letzter Zeit ist er sehr unruhig und leidet unter Schlafstörungen. Der Arzt hat ihm Quetiapin 25 mg verordnet, allerdings möchte seine Frau, es ihm nicht mehr geben, weil er dadurch sehr apathisch und "wirr" wird. Auch mit Baldrian war keine ausreichende Wirkung zu erzielen. Sie fragte nun in der Apotheke nach einem alternativen Schlafmittel. Weitere Medikamente des Patienten sind Torasemid 20 mg, Novaminsulfon, Amiodaron 200 mg, Multivitaminpräparat Dreisavit, Loperamid und Calciumacetat (Niereninsuffizienz).

Antwort gibt


Apotheker Dominik Schuler, RAIZ der LAK Baden-Württemberg, Apotheke Schwarzwald-Baar Klinikum Villingen-Schwenningen GmbH

Schlafstörungen bei Parkinson können auch Folge einer unzureichenden Levodopa-Therapie sein. Foto: Hoffmann-La Roche

Schlafstörungen gehören zu den häufigsten Beschwerden von Parkinson-Patienten und beeinflussen die Lebensqualität der Betroffenen oft erheblich. Häufig stellen diese nächtlichen Störungen einen erheblichen Faktor für die verminderte Lebensqualität der Parkinson-Erkrankten dar (oft empfinden befragte Patienten die Schlafstörungen belastender als die mit der Krankheit einhergehenden körperlichen Symptome).

Diese Schlafstörungen sind

  • Teil der Krankheit,
  • bedingt durch die Pharmakotherapie und

  • treten als Komorbidität auf.

Vielfältige Ursachen

Die Ursachen der Schlafstörungen können vielfältig sein. Häufig sind sie auf die Parkinson-Symptomatik zurückzuführen; insbesondere nächtliche Akinese (Unbeweglichkeit im Bett, Umdrehen erschwert), Muskelverkrampfungen, häufiges Wasserlassen in der Nacht (Nykturie) und nächtlicher Tremor. Aber auch die Parkinson-Therapie selbst kann Auslöser sein (z. B. Dystonien). Auch Begleiterkrankungen wie Demenz oder Depression sind häufig Grund für die Störungen des Schlafs. Die Schlaflosigkeit kann sich negativ auf die Symptomatik der Krankheit auswirken und sollte daher keinesfalls unterschätzt werden.

Um die Schlafstörungen erfolgreich zu therapieren, ist es erforderlich, die Ursachen zu ermitteln. Dies kann sich in der Praxis als schwierig erweisen.

Als Hilfsmittel zur Diagnostik von Parkinson-assoziierten Schlafstörungen kann in manchen Fällen die Parkinson’s Disease Sleep Scale (PDSS) von Chaudhuri et al. dienen, ein Fragebogen, bestehend aus 15 Fragen bezüglich der Schlafqualität und Schlafstörungen des Betroffenen. Vorteilhaft an diesem Test ist seine relativ leichte Handhabung [2].

Parkinson-Therapie optimieren

Häufig sind die Schlafstörungen im Zuge eines bestehenden Morbus Parkinson multikausal und die Einflussfaktoren vielfältig. Daher kann es schwierig sein, einen Therapieerfolg zu erzielen. Als sinnvoll erscheint zunächst immer eine Anpassung bzw. Optimierung der Parkinson-Medikation. Treten Schlafstörungen vermehrt in der zweiten Hälfte der Nacht auf, d. h. während des Abklingens der Medikamentenwirkung (Off-Phase: nächtliche Akinese, Wiederauftreten des Ruhetremors und morgendliche Muskelverkrampfungen), kann eine Optimierung der Medikation oftmals zu einer Verbesserung führen (siehe AWMF-Leitlinie: Parkinson-Syndrome; Diagnostik und Therapie):

  • L-Dopa-Retardpräparate,

  • frühmorgendliche Akinese: lösliches L-Dopa,

  • Medikamenteneinnahme 30 bis 60 Minuten vor dem Essen,

  • zusätzlich (langwirksame) Dopaminagonisten oder Erhöhung der Dopaminagonisten-Dosis.

Schlafstörungen durch dopaminerge Therapie

Wird die L-Dopa-Dosis andererseits zu hoch gewählt, können Medikamenten-induzierte Dystonien hervorgerufen werden, welche ebenfalls den nächtlichen Schlaf negativ beeinflussen. Auch Albträume, Halluzinationen und Verwirrtheitszustände als Nebenwirkung der L-Dopa-Therapie können die Schlafqualität vermindern. In diesen Fällen sollte die dopaminerge Stimulation reduziert werden.

Auch der Einsatz von Medikamenten der Substanzklasse der Dopaminagonisten kann einen erheblichen Einfluss auf die Schlafstruktur des Patienten haben. So wirken z. B. die beiden Dopaminagonisten Pramipexol und Ropinirol in niedriger Dosierung sedierend. Zu beachten ist aber, dass bei Patienten unter dieser Therapie vermehrt Einschlafattacken beobachtet worden sind und dass das Reaktionsvermögen und die Fahrtauglichkeit der Betroffenen erheblich eingeschränkt sein kann.

Antwort kurz gefasst


  • Zunächst muss geklärt werden, ob die L -Dopa-Therapie ausreichend ist oder angepasst werden muss. Möglicherweise lassen sich so die Schlafprobleme schon lösen.
  • Der Einsatz von Quetiapin in Kombination mit Amiodaron ist aufgrund einer potenziellen QT -Zeit-Verlängerung als kritisch zu betrachten.
  • Sollte ein Hypnotikum erforderlich sein, ist ein Vertreter einer anderen Substanzklasse zu bevorzugen.

Häufige Ursache: Blasenfunktionsstörungen

Ist die Schlafbeeinträchtigung auf eine Blasenfunktionsstörung zurückzuführen, kann eine entsprechende Therapie die Symptomatik bessern, und die Schlafqualität nimmt wieder zu.

Ungefähr 60% der Parkinson-Patienten leiden unter Blasenfunktionsstörungen, wobei die häufigste Form die Detrusorhyperaktivität darstellt (klinisches Bild des vermehrten nächtlichen Wasserlassens). Die Symptomatik der Detrusorhyperaktivität kann oftmals durch die Gabe eines Muskarinrezeptorantagonisten (z. B. Trospiumchlorid oder Solifenacin) verbessert werden.

Empfehlungen für den Fall

Die L-Dopa-Monotherapie gilt als initiale Standardtherapie zur Behandlung von Patienten über 70 Jahre. In dem geschilderten Fall wäre es sicherlich ratsam, die dopaminerge Medikation kritisch zu überprüfen und gegebenenfalls zu optimieren.

Sind die Schlafstörungen auf ein Nachlassen der Antiparkinson-Medikation zurückzuführen, ist der Einsatz von Retardpräparaten bzw. löslichem L-Dopa sinnvoll. Allgemein gilt für die Behandlung von Schlafstörungen bei Parkinson-Patienten, dass zunächst immer gezielt die Ursache gesucht werden sollte (ggf. behandeln und beseitigen). Erst dann sollte eine rein schlaffördernde medikamentöse Therapie in Betracht gezogen werden. An dieser Stelle ist auch das Stichwort "verbesserte Schlafhygiene" zu nennen, denn der Patient kann oftmals schon durch Verhaltenstherapie und Entspannungsverfahren eine Linderung der Schlafstörungen erzielen.

Medikamentös induzierte Psychose

Nicht selten entwickeln Patienten mit Parkinson-Syndrom im Laufe der Antiparkinson-Therapie eine medikamenteninduzierte Psychose (grundsätzlich durch alle Parkinson-Medikamente induzierbar). In mildester Form äußern sich diese psychotischen Zustände z. B. durch lebhafte Träume (schwerste Formen äußern sich als paranoide Symptome und Verwirrtheitszustände), welche ebenfalls die Ursache der nächtlichen Probleme darstellen können. Diese induzierten Psychosen gelten auch als wichtiger dosislimitierender Faktor bei der Arzneimitteltherapie des Morbus Parkinson. Beim Auftreten einer solchen Symptomatik sollten zunächst auslösende Faktoren ausgeschlossen werden (z. B. akute Zweiterkrankung, bakterieller Infekt …).

Eventuell muss die Anti-Parkinson-Medikation angepasst werden. Zunächst sollten anticholinerge Parkinson-Mittel abgesetzt werden; die Reduktion der L-Dopa-Dosis sollte erst als letzter Schritt in Betracht gezogen werden (siehe AWMF-Leitlinie: Parkinson-Syndrome; Diagnostik und Therapie). In manchen Fällen ist eine antipsychotische Therapie erforderlich. Dann wird auf Neuroleptika zurückgegriffen, welche möglichst keine extrapyramidalmotorische Symptomatik auslösen sollten.

Gemäß Leitlinie gelten hierbei die beiden atypischen Neuroleptika Clozapin und Quetiapin als Mittel der Wahl. Beim Einsatz dieser Neuroleptika kann eine Verbesserung der Psychopathologie (ohne Verschlechterung der Motorik) beobachtet werden. In Bezug auf Quetiapin in dieser Indikation existieren allerdings kontroverse Studienergebnisse, weshalb die Leitlinie den Einsatz nicht allgemein empfiehlt.

Der Wirkstoff Quetiapin wird zudem in der Geriatrie oft bei Demenz-assoziierten Verhaltensauffälligkeiten wie körperliche Unruhe bzw. auch bei Schlafstörungen eingesetzt. Allerdings ist der Einsatz von Antipsychotika als Hypnotika bei älteren Patienten mit Demenz als eher problematisch anzusehen, da unter Antipsychotika bei dieser Patientengruppe ein erhöhtes Mortalitäts- und Morbiditätsrisiko festgestellt wurde. Das Auftreten von Verwirrtheit unter Quetiapin kann ein Hinweis auf eine bestehende Demenz sein, da Quetiapin bei Demenz delirogen wirken kann. Das Auftreten einer Demenz im Krankheitsverlauf von Parkinson-Patienten ist häufig (ca. 30 – 40% der Patienten). Der Cholinesterasehemmstoff Rivastigmin besitzt eine Zulassung für die Indikation Demenz bei Parkinson-Syndrom.

Fazit

Bei bestehender Möglichkeit erscheint es zunächst als sinnvoll, die Ursachen der Schlafstörungen des Patienten zu erörtern und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Zusätzlich sollte die L-Dopa-Therapie auf (nicht) ausreichende Wirksamkeit hin untersucht und gegebenenfalls entsprechend angepasst werden, so kann eventuell die Schlafproblematik des Patienten relativ einfach verbessert werden.

Der Einsatz von Quetiapin als Hypnotikum ist in diesem Zusammenhang aufgrund der aufgeführten Punkte als eher kritisch zu betrachten.

Zudem ist die Kombination von Quetiapin und Amiodaron nicht zu befürworten (siehe Fachinformation) aufgrund der möglichen QT -Zeit verlängernden Eigenschaften der Wirkstoffe. Beide Substanzen finden sich auch wieder auf der Liste des Arizona CERT (Center for Education und Research on Therapeutics) von potenziell QT -Intervall verlängernden Arzneistoffen. Des Weiteren sollte berücksichtigt werden, dass Amiodaron als Hemmstoff des Cytochrom P450 3A4 die Metabolisierung von Quetiapin abschwächt, d. h. dass eine Plasmaspiegelerhöhung von Quetiapin zu erwarten ist.

Ist der Einsatz eines Hypnotikums beim betreffenden Patienten dennoch indiziert, sollte eventuell ein Arzneistoff einer anderen Substanzklasse in Betracht gezogen werden, wobei der Einsatz hinsichtlich möglicher Kontraindikationen (Morbus Parkinson) bzw. Nebenwirkungen immer kritisch zu hinterfragen ist.


Literatur

[1] AWMF-Leitlinie: "Parkinson-Syndrome, Diagnostik und Therapie".

[2] Chaudhuri KR, Pal S, DiMarco A, Whately-Smith C, Bridgman K, Mathew R, Pezzela FR, Forbes A, Högl B, Trenkwalder C. The Parkinsons disease sleep scale: a new instrument for assessing sleep and nocturnal disability in Parkinsons disease. J Neurol Neurosurg Psychiatry 2002;73: 629 – 635.

[3] Benkert O, Hippius H, et al. Kompendium der Psychiatrischen Pharmakotherapie, Springer Medizin Verlag Heidelberg, 8 Aufl. 2010.

[4] Wenzel-Seifert K, Wittmann M, Haen E. Psychopharmakaassoziierte QTc-Intervall-Verlängerung und Torsade de Pointes. Deutsches Ärzteblatt 2011;108:687 – 93.

[5] Fachinformationen, BPI Service GmbH.

[6] www.mediq.ch (Interaktionsprogramm).

[7] www.torsades.org


Autor

Apotheker Dominik Schuler, Apotheke Schwarzwald-Baar Klinikum Villingen-Schwenningen GmbH, Vöhrenbacher Straße 23, 78050 Villingen-Schwenningen



DAZ 2012, Nr. 36, S. 52

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