Arzneimittel und Therapie

Augengrippe im Ruhrgebiet

Auf Hygiene beim Anwenden von Augentropfen achten

Seit Mitte November 2011 bis zur 1. Kalenderwoche 2012 wurden im Ruhrgebiet 207 Erkrankungen an Keratoconjunctivitis epidemica registriert, die im Zusammenhang mit der Behandlung in einer Augenklinik in Bottrop stehen. Das Robert Koch-Institut sieht darin ein "Infektionsgeschehen von besonderer Bedeutung". Meldungen aus anderen Städten im Ruhrgebiet deuten darauf hin, dass das Virus zurzeit noch massiv grassiert. So sind auch in Mülheim erste Fälle mit der hochansteckenden Bindehautentzündung von niedergelassenen Augenärzten gemeldet worden.

Die auslösenden Adenoviren sind unbehüllte Doppelstrang-DNA-Viren der Familie Adenoviridae. Sie sind sehr umweltresistent und können bei Zimmertemperatur über Wochen hoch infektiös bleiben. Das klinische Bild der umgangsprachlich auch als Augengrippe bezeichneten Keratoconjunctivitis epidemica ist durch einen plötzlichen Beginn mit Rötung, ringförmiger Bindehautschwellung sowie Lymphknotenschwellung gekennzeichnet. Die Patienten klagen über Fremdkörpergefühl, Lichtscheu, Juckreiz und Tränenfluss erst in einem Auge, nach kurzer Zeit treten die Symptome beidseitig auf. Nach etwa einer Woche kann es zu einer Beteiligung der Kornea in Form einer Keratoconjunctivitis superficialis punctata mit Epitheldefekten kommen. Die Konjunktivitis klingt in der Regel in der 2. bis 4. Woche ab, während die Hornhauttrübungen noch längere Zeit dauern können. Es kommt jedoch fast immer zur vollständigen Ausheilung, nur gelegentlich kann sich eine Visusminderung entwickeln. Nach einer Adenovirus-Infektion kann sich aber eine serotypspezifische Immunität unter Bildung neutralisierender Antikörper entwickeln, wiederholte Adenovirus-Infektionen sind möglich.

Übertragung durch kontaminierte Pipetten

Die Keratoconjunctivitis epidemica wird überwiegend durch Schmier- (gelegentlich auch Tröpfchen-)infektion übertragen. Der wichtige Übertragungsweg in der Praxis sind kontaminierte Hände sowie kontaminierte Gegenstände wie Handtücher, Instrumente und auch kontaminierte Tropfpipetten und Augentropfen. Eine Ansteckung kann direkt von Mensch zu Mensch durch eine Übertragung von Augensekreten erfolgen. Die Inkubationszeit bis zum Auftreten der ersten Krankheitserscheinungen beträgt fünf bis zwölf Tage. Eine Ansteckung ist möglich, solange das Virus in Sekreten nachweisbar ist, in der Regel während der ersten zwei Wochen der Erkrankung, es wurden aber auch schon Zeiten bis zu drei Wochen beschrieben.

Hygiene ist der beste Schutz

Da eine aktive oder passive Immunisierung nicht möglich ist, sind in erster Linie strenge Hygienemaßnahmen der Weg, um Schmierinfektionen zu vermeiden. Dabei sind die Desinfektion der Hände und Instrumente sowie der sachgerechte Umgang mit augenärztlich verordneten Arzneimitteln wichtig. Patienten sollten immer wieder darauf hingewiesen werden, dass Tropfflaschen oder Augensalben nur von einer Person benutzt werden dürfen! Es sollte streng darauf geachtet werden, dass erkrankte Personen Handtücher und andere Hygieneartikel separat benutzen. Nach Bekanntwerden des Ausbruchs wurden in der betroffenen Bottroper Klinik umfangreiche Hygiene- und Desinfektionsmaßnahmen ergriffen, angebrochenes, möglicherweise kontaminiertes Klinikmaterial wurde entsorgt, elektive Behandlungen verschoben und ambulante Operationen ausgesetzt.

Hohe Dunkelziffer

2001 wurde die Meldepflicht für Adenovirus-Infektionen eingeführt. Die Zahl der jährlichen Erkrankungen schwankt. Die höchsten Erkrankungszahlen wurden 2004 (658) und 2006 (574) registriert. Sind in den letzten Jahren die Erkrankungszahlen deutlich zurückgegangen (2008: 180; 2009: 169), so wurde 2010 wieder ein leichter Anstieg (489 Fälle) registriert, 2011 wurden 667 Fälle gemeldet. Allerdings kann von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen werden, denn vielfach wird die Diagnose nicht durch einen Labornachweis erstellt, und nur der ist meldepflichtig, nicht der klinische Befund.


Quelle
Epidemiologisches Bulletin des Robert Koch-Instituts Nr. 2 und Nr. 3 2012.

Keratoconjunctivitis epidemica und andere Konjunktivitiden durch Adenoviren. RKI-Ratgeber für Ärzte. Stand 2010.


ck



DAZ 2012, Nr. 4, S. 48

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