Blick über den pharmazeutischen Tellerrand

Schwierige Zeiten haben auf lange Sicht oftmals etwas Gutes. In ihnen werden Menschen gezwungen, auf ungenutzte Potenziale zurückzugreifen, um die Krise zu überstehen und womöglich gestärkt aus ihr hervorzugehen. Das gilt gleichermaßen für die Apotheker. Dass sie allein schon von ihrer Ausbildung her weitaus mehr können, als sie derzeit leisten, ist nichts Neues – nicht umsonst gilt der Apothekerberuf als "Beruf der verpassten Chancen". Die derzeit angespannte finanzielle Situation könnte hier zu einer Änderung führen: Neue Tätigkeitsgebiete, insbesondere auch (honorierte) Dienstleistungen, würden nicht nur die Bedeutung der Apotheken für die Gesellschaft, sondern auch ihre wirtschaftlichen Grundlagen stärken. Darüber, wie weit man sich dabei von der pharmazeutischen Kernkompetenz entfernen darf, gehen die Meinungen innerhalb der Apothekerschaft allerdings – trotz der durch die Apothekenbetriebsordnung ohnehin gesetzten Grenzen - auseinander. Das zeigte sich beim diesjährigen Deutschen Apothekertag: Der Antrag, "neue, zur Gesundheitskompetenz der Apotheke passende Aufgabenfelder zu erschließen", sollte durch einen Ad-hoc-Antrag auf "pharmazeutische Aufgabenfelder" beschränkt werden. Die Delegierten haben das glücklicherweise abgelehnt und damit ihre Kollegen ausdrücklich dazu ermuntert, bei der Suche nach neuen Aufgabenfeldern über den pharmazeutischen Tellerrand zu schauen. Und ohne Scheuklappen und Denkverbote Angebote zu schaffen, um den Bedürfnissen der (alternden) Gesellschaft wie beispielsweise nach mehr Prävention oder höherer Lebensqualität gerecht zu werden. Wie weit die Entfernung von der pharmazeutischen Kernkompetenz tatsächlich sein darf, damit der Berufsstand maximalen – auch wirtschaftlichen - Nutzen hat und dennoch keinen Schaden nimmt, wird die Zukunft weisen müssen.

Christine Ahlheim
Stellvertretende Chefredakteurin AWA – Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker

DAZ 2012, Nr. 42, S. 79