Deutscher Apothekertag 2012

Vom Saulus zum Paulus?

Christian Rotta

Karl Lauterbach ist der wohl umtriebigste Gesundheitspolitiker der Republik. Mikrophone, Kameras und Talkshows ziehen ihn magisch an. Nicht von ungefähr wird der Professor mit seiner roten Fliege und der lustigen Frisur gerne "Karlchen überall" genannt. (Dass seinen Kollegen, auch in der eigenen Partei, seine ubiquitäre Medienpräsenz ziemlich auf den Senkel geht, sei nur am Rande erwähnt; sehenswert ist das legendäre Wut-Video auf Youtube, in dem sich der Linken-Gesundheitspolitiker Spieth mit Lauterbach auseinandersetzt).

Seit 2009 ist Lauterbach gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Er kann sich, wenn es bei der Bundestagswahl für Rot-grün gut läuft, Hoffnungen auf das Amt des zukünftigen Gesundheitsministers machen. Bei seinem Auftritt in München überraschte Lauterbach, der sonst gerne gegen die profitgeile Pharmaindustrie, raffgierige Ärzte und unbewegliche Apotheker zu Felde zieht, das Auditorium mit einem Bekenntnis zur inhabergeführten Apotheke. Hierfür war ihm der Beifall sicher, zumal sich das Aufsichtsratsmitglied der börsennotierten Rhön-Klinik-Kette in der Vergangenheit stets als Verfechter einer Aufhebung des apothekenrechtlichen Fremd- und Mehrbesitzverbotes zu profilieren versucht hatte.

Wird also alles gut? Ist Lauterbach auf dem Weg vom apothekenpolitischen Saulus zum Paulus? Leider hat in München bei der Podiumsdiskussion niemand nachgehakt, aber Zweifel sind angebracht: Auf Nachfrage von DAZ.online wollte Lauterbach sein Statement für die inhabergeführte Apotheke nämlich nicht als Plädoyer für die Beibehaltung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes verstanden wissen: "Ich habe meine Worte bei der Diskussion sorgfältig und sehr bewusst gewählt. Vom Fremdbesitzverbot habe ich nicht gesprochen. Allerdings halte ich Apothekenketten für kein Zukunftsmodell." Auch zu der Vermutung, dass der Beschluss des letzten SPD-Parteitags für eine "Liberalisierung der Arzneimittelversorgung" aus seinem Umfeld eingebracht wurde, wollte sich Lauterbach nicht äußern: "Das spielt keine Rolle."

Ja, was denn nun? Etwas genauer hätten wir es dann doch bitte vor der Bundestagswahl. Sonst ist zu befürchten, dass der gewiefte und wendige Mediziner und Gesundheitsökonom nach der Wahl ganz "liberal" und unter Hinweis auf die Beschlusslage seiner Partei einem Pro-forma-Nebeneinander von Fremdbesitz-Apotheken und inhabergeführten Apotheken das Wort redet - wofür natürlich die Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbots Voraussetzung ist.

Das wäre dann die norwegische Variante der Arzneimitteldistribution à la Lauterbach: 95% Ketten-Apotheken und 5% inhabergeführte Apotheken Honi soit qui mal y pense.

Oder sehe ich weiße Mäuse? Ich würde mich gerne täuschen.


Christian Rotta



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DAZ 2012, Nr. 42, S. 66

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