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Arzneimittel und Therapie
Gefahr für Kinder durch rezeptfreie Erkältungsmittel
Antihistaminika der ersten Generation (AH1G) sind in Arzneimitteln für Kinder wegen ihrer sedierenden und allgemein zentralnervös dämpfenden sowie ihrer antiemetischen Eigenschaften noch immer weit verbreitet. Gemeint sind Substanzen wie Doxylamin, Diphenhydramin, Dimenhydrinat oder Promethazin, die auch in Erkältungssäften enthalten sind. Sie sind gut liquorgängig und verursachen durch die Blockade der zerebralen H1-Rezeptoren zentralnervöse Symptome. Bereits bei normaler Dosierung setzt ein ausgeprägter und lang andauernder sedierender Effekt ein. Er führt bei älteren Kindern zu Tagesmüdigkeit, Benommenheit und Konzentrationsstörungen, bei Überdosierung zu Halluzinationen und Krämpfen. Bei Säuglingen steigt das Risiko für zentrale Atemstörungen wie Schlafapnoe bis hin zum kardiorespiratorischen Kollaps. Verschärft wird das Problem, wenn solche Antihistaminika in rezeptfreien Erkältungssäften mit Ephedrin oder Dextromethorphan kombiniert werden. Hier wird das ohnehin ungünstige Nutzen-Risiko-Verhältnis der AH1G-Monosubstanzen durch die Comedikation mit weiteren zentralwirksamen Substanzen zusätzlich ungünstig beeinflusst. "Diese Antihistaminika-Generation ist längst überholt. In der Behandlung von Allergien, aber auch in Medikamenten für Erwachsene werden sie schon seit geraumer Zeit durch neue, nicht-sedierende H1-Rezeptor-Antagonisten ersetzt", so Professor Dr. Hannsjörg Seybert, Mitglied der DGKJ-Arzneimittelkommission.
Besonders kritisch: frühkindliche Entwicklungsphase
Ein- bis Dreijährige, deren zentrales Nervensystem besonders empfindsam ist, erhalten diese Medikamente häufiger als alle anderen Altersgruppen, wegen ihrer hohen Prävalenz von Atemwegsinfektionen, die oft von Unruhe, Husten und Erbrechen begleitet sind. Doch gerade sie müssen besonders geschützt werden, denn in dieser frühkindlichen Entwicklungsphase reagieren Kinder allgemein auf ZNS-wirksame Substanzen gesteigert mit Atemdepression und Krämpfen oder mit paradoxen Reaktionen wie Unruhe und Erregung sowie mit einer gesteigerten Neurotoxizität, die Spätfolgen für die weitere zerebrale Entwicklung hat. Erst jenseits des zweiten Lebensjahrs nimmt diese erhöhte Vulnerabilität ab.
Nicht auszuschließen: beabsichtigte Überdosierung
Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin weist auch auf das Problem der beabsichtigten Überdosierung hin. In den USA mussten die "Centers of Disease Control and Prevention" bei den Berichten über Notaufnahmen von Vergiftungsfällen mit Husten- und Erkältungsmitteln im Jahr 2008 immerhin bei fast der Hälfte der betroffenen Kinder unter zwei Jahren als naheliegendste Erklärung für die Intoxikation von einer beabsichtigten Überdosierung ausgehen.
Fazit: Die DGKJ sieht berechtigte Sicherheitsbedenken gegenüber der rezeptfreien Abgabe von Arzneimitteln, die Antihistaminika der ersten Generation enthalten, für Kinder und Jugendliche. Sie verweist auf einen Beschluss der französischen Arzneimittelbehörde AFSSPS, nach dem AH1G-haltige Arzneimittel wegen des ungünstigen Nutzen-Risiko-Verhältnisses bei Säuglingen und Kleinkindern als kontraindiziert zu gelten haben. Auch auf den Vertrieb von AH1G-haltigen Kombinationsprodukten gegen Erkältungskrankheiten bei Kindern unter vier Jahren sollten die Hersteller – ähnlich wie in den USA – verzichten.
Korrigierte Fassung |
Quelle
Positionspapier der Kommission für Arzneimittelsicherheit im Kindesalter (KASK) der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ): Verschreibungsfreie Antihistaminika der ersten Generation. Monatsschr Kinderheilkd 2012, 26. Oktober 2012 online.
Presseinformation der DGKJ vom 29. Oktober 2012 "Rezeptfreie Erkältungsmittel nicht immer harmlos"
Apothekerin Dr. Beate Fessler
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