DAZ aktuell

E-Zigarette vor Gericht

Händler kämpfen um ihr Produkt

BERLIN (jz). Schadensersatzforderungen in Millionenhöhe – damit droht der Verband des eZigarettenhandels (VdeH) allen staatlichen Stellen, die den freien Handel mit der E-Zigarette behindern wollen. Der Verband will so seine Mitglieder vor konkreten Verboten und weiteren Umsatzeinbußen schützen. Bemühungen, warnenden Politikern einen Maulkorb zu verpassen, sind jedoch zuletzt vor Gericht gescheitert.

Seit Ende vergangenen Jahres steht die E-Zigarette hierzulande stark in der Kritik. Nordrhein-Westfalens Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) hatte Mitte Dezember 2011 gewarnt: "Was derzeit auf dem Markt ist, ist alles nicht zugelassen und nicht geprüft." Ihrer Auffassung nach fallen die E-Zigaretten unter das Arzneimittelgesetz und bedürften einer arzneimittelrechtlichen Zulassung. Sie wies die zuständigen Aufsichten der Bezirksregierungen, Kreise und kreisfreien Städte außerdem auf ein Handels- und Verkaufsverbot liquidhaltiger Kartuschen, Kapseln oder Patronen für E-Zigaretten hin. Der Verband vermeldet seither massive Umsatzeinbrüche, teilweise fürchteten Betreiber von E-Zigarettenshops um ihre Existenz. "Es ist in keiner Weise nachzuvollziehen, warum in Deutschland Arbeitsplätze grundlos vernichtet werden, während andernorts die neue Branche völlig zurecht blüht", kritisierte Dac Sprengel, der Vorsitzende des VdeH. In drei Landkreisen Nordrhein-Westfalens (Münster, Unna und Hamm) erteilten Vertreter der jeweiligen Ordnungsämter aufgrund des Hinweises der Ministerin bereits Verkaufsverbote an Shopbetreiber, wie der Pressesprecher des Lobbyverbandes gegenüber der DAZ bestätigte.

Frei verkäuflich, fordern die Händler

Nach Auffassung der E-Zigaretten-Händler sind die Produkte als frei verkäuflich zu betrachten und jegliche Einschränkungen der Handels- und Nutzungsfreiheit daher zu unterlassen. Sie berufen sich dafür unter anderem auf die rechtliche Einschätzung des Sprechers der Forschungsstelle für Pharmarecht an der Philipps-Universität Marburg, Prof. Dr. Wolfgang Voit: "Warum sollten Stoffe, die zu ganz anderen Zwecken hergestellt und verwendet werden, Arzneimittel sein, nur weil sie irgendeinen Effekt auf den menschlichen Körper haben können?" Die Shopbetreiber wollen sich nun gerichtlich gegen das Verbot zur Wehr setzen: Bis die EU-Kommission Mitte des Jahres die Frage der gesundheitlichen Folgen und der Einordnung der E-Zigarette nicht entschieden habe, entbehrten die Verbote der Ordnungsämter einer gesetzlichen Grundlage. Der Verband werde seine Mitglieder bei der Durchsetzung ihrer Rechte unterstützen, so der Sprecher.

VG Düsseldorf: Steffens darf warnen

Eine Produktionsfirma und Vertreiberin von E-Zigaretten musste unterdessen vor dem Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf eine Niederlage einstecken. Sie wollte die Warnungen der Gesundheitsministerin Steffens vor E-Zigaretten und die Einordnung der E-Zigarette als Arzneimittel im Wege einer einstweiligen Anordnung untersagen lassen. Am 16. Januar lehnte die 16. Kammer des VG den Antrag per Beschluss ab (Az. 16 L 2043/11): Dass E-Zigaretten grundsätzlich dazu geeignet seien, zu Therapiezwecken eingesetzt zu werden, rechtfertige eine Einordnung als Funktionsarzneimittel, entschied die Kammer. Die Warnung der nordrhein-westfälischen Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) vor E-Zigaretten sei daher vertretbar. Entscheidend für die Einordnung als Funktionsarzneimittel sei, so die Begründung der Düsseldorfer Richter, ob mit dem Erzeugnis die menschlichen Funktionen durch eine pharmakologische Wirkung beeinflusst werden können. Aus den vorgelegten Informationsunterlagen ergebe sich für das Inhalieren der E-Zigaretten eine solche Beeinflussung durch das darin enthaltene Nicotin. Dies gilt nach Auffassung der Kammer auch bei der geringen Menge Nicotin in den E-Zigaretten: Nach Angaben der Antragstellerin seien auch starke Raucher in der Lage, ohne Entzugserscheinungen auf die E-Zigarette umzusteigen, weil sie dabei die benötigte Menge an Nicotin erhielten.

Letztendlich sah das Verwaltungsgericht in den E-Zigaretten auch keine Erzeugnisse im Sinne des Vorläufigen Tabakgesetzes, die nicht dem Arzneimittelgesetz unterfallen. Weder die E-Zigarette noch das Liquid bestünden ganz oder teilweise aus Tabak. Der im Liquid enthaltene Nicotinanteil sei zwar aus Tabak gewonnen worden, mache das Produkt aber nicht zu einem Tabakerzeugnis, so die Kammer. Die E-Zigaretten seien darüber hinaus nicht zum Rauchen, Kauen oder anderweitigem oralen Gebrauch oder zum Schnupfen bestimmt, denn die Inhalation eines Dampfes könne mit dem oralen Gebrauch fester Stoffe nicht gleichgesetzt werden.

Wie das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen bestätigte, ist der Beschluss nicht rechtskräftig. Am 23. Januar sei die Beschwerde der Antragstellerin eingegangen, so eine Gerichtssprecherin. Die E-Zigaretten-Händler kämpfen also auch an dieser Front weiter für ihr Produkt.



DAZ 2012, Nr. 5, S. 53

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