Arzneimittel und Therapie

Wirkstoff aus gemeiner Wolfsmilch bei Hautkrebs

Ingenolmebutat zur topischen Flächentherapie

Das aus der Gartenwolfsmilch isolierte Ingenolmebutat wird zur äußerlichen Behandlung aktinischer Keratosen eingesetzt und soll als Picato® Gel in Kürze eingeführt werden. Es führt zu ähnlichen Therapieerfolgen wie die bereits etablierten Topika, die erforderliche Behandlungsdauer ist aber wesentlich kürzer.

Aktinische Keratosen, die bevorzugt an sonnenexponierten Körperteilen auftreten, entstehen durch eine kumulative Schädigung der Haut durch UV-Strahlung. Diese Strahlung führt durch Mutationen zu Genomveränderungen basaler Hautzellen (p53-Mutationen, RAS-Mutationen, p16-Mutationen). Aktinische Keratosen werden heute zunehmend als Vorstufen von Plattenepithelkarzinomen (Syn. spinozelluläre Karzinome, Spinaliome) angesehen. Man schätzt, dass sich 0,025 bis 16% aller aktinischer Keratosen zu einem invasiven Karzinom entwickeln. Dabei hängt das Risiko von der Anzahl der betroffenen Läsionen ab. So beträgt das relative Risiko bei sechs bis zwanzig Läsionen 4,2, bei über zwanzig Läsionen steigt es bereits auf 11,0 an. Da es nicht möglich ist, im Vorfeld zu erkennen, ob sich die Läsion zu einem invasiven Tumor entwickelt, sind Detektion und Therapie sichtbarer und subklinischer aktinischer Keratosen besonders wichtig, zumal die Inzidenz dieser Hauterkrankung stetig ansteigt. Wie Prof. Dr. Brian Berman bei einer von der Leo Pharma GmbH unterstützten Pressekonferenz am 27. September 2012 in Prag betonte, sollten daher alle aktinischen Keratosen behandelt werden.

Ingenolmebutat


  • Synonyme: 3-Ingenyl angelat, Euphorbia factor An1, Euphorbia factor H1, Ingenol 3-angelat, Ingenol mebutate, UNII-7686S50JAH

  • Chemie: Makrozyklischer Diterpenester, der aus dem Saft der Gartenwolfsmilch (Euphorbia peplus) isoliert wird.

Am 15. November 2012 erteilte die Europäische Kommission eine Genehmigung für das Inverkehrbringen von Picato® Gel in der gesamten Europäischen Union. Hersteller ist Leopharm Ballerup in Dänemark. Angeboten werden soll das Gel in zwei Konzentrationen: 0,015% zur Therapie aktinischer Keratosen im Gesicht und auf der Kopfhaut, 0,05% zur Therapie aktinischer Keratosen am Rumpf und an den Armen. Angewendet werden soll das 0,015%ige Gel an drei aufeinander folgenden Tagen, das 0,05%ige Gel an zwei aufeinander folgenden Tagen. Bei jeder Anwendung ist jeweils eine neue Tube Picato® Gel zu verwenden. Der Inhalt einer Tube reicht für eine Behandlungsfläche von 25 cm2.

Ingenolmebutat induziert einen schnellen und direkten Zelltod und wirkt über eine Aktivierung von Proteinkinase C auf das Immunsystem.

Ingenolmebutat – eine neue Therapieoption

Eine neue Therapiemöglichkeit ist die topische Applikation eines Ingenolmebutat-haltigen Gels. Ingenolmebutat (siehe Kasten) ist ein makrozyklischer Diterpenester, der aus Euphorbia pelus isoliert wird. Die Wirkung von Ingenolmebutat ist dosisabhängig und umfasst zwei Schritte: Kurz nach der Applikation tritt eine zytotoxische Wirkung ein, die zu einer Nekrose der Läsionen führt. Einige Tage später führen immunologische Prozesse zu einer spezifischen zellulären Wirkung. Das Ansprechen des Patienten auf die Therapie ist in ungefähr acht Wochen nach der Therapie beurteilbar.

Wirksamkeit und Sicherheit von Ingenolmebutat wurden in mehreren Studien untersucht, in denen Ingenolmebutat in unterschiedlichen Konzentrationen eingesetzt wurde. An den Zulassungsstudien nahmen rund 1000 Patienten mit aktinischen Keratosen teil, die entweder im Bereich von Gesicht und Kopfhaut (547 Patienten) oder an den Armen oder am Rumpf (458 Patienten) lokalisiert waren. Die Patienten mit Läsionen im Bereich von Gesicht oder Kopfhaut erhielten Ingenolmebutat als 0,015%iges Gel oder ein wirkstofffreies Gel, das von ihnen selbst einmal täglich an drei aufeinander folgenden Tagen aufgetragen wurde. Die Probanden mit Läsionen an Armen oder Rumpf erhielten ein 0,05%iges Gel oder ein wirkstofffreies Gel zur täglichen Applikation an zwei aufeinander folgenden Tagen. Der primäre Studienendpunkt war das vollständige Verschwinden der Läsion an Tag 57.

Aktinische Keratosen: Von der Einzelläsion zur Feldkanzerisierung


Aktinische Keratosen können als einzelne Läsionen auftreten oder in ein größeres Feld eingebunden sein, was dann als Feldkanzerisierung ("Krebsfeld") bezeichnet wird. In diesem Hautareal, das eine flächige Ausbreitung aktinischer Schädigungen aufweist, liegen neben den sichtbaren auch unsichtbare Läsionen vor. Solche flächenhaften Schädigungen können nur durch Feldtherapien erfasst werden. Ablative Methoden wie die Kryotherapie oder Exzisionen zerstören zwar die sichtbaren Läsionen, haben jedoch weder eine Auswirkung auf subklinische Läsionen noch auf die zugrunde liegende Immunsuppression. Bei der Flächentherapie aktinischer Keratosen werden häufig die photodynamische Therapie (PDT), äußerlich aufgetragenes Diclofenac oder 5-Fluorouracil sowie der topische Immunmodulator Imiquimod eingesetzt. Neu ist die Therapie mit Ingenolmebutat, einem isolierten Wirkstoff aus der Wolfsmilch.

Hohe Ansprechraten nach kurzer Therapiedauer

Die Daten der Studien wurden in einer gepoolten Analyse ausgewertet. Die Läsionen im Bereich von Gesicht und Kopfhaut hatten sich unter der Verum-Gabe bei 42%, unter der Placebo-Anwendung bei 4% der Probanden zurückgebildet (p < 0,001). Partielle Remissionen wurden bei 64% (Verum-Gruppe) vs. 7% (Placebo-Gruppe) beobachtet. An den Armen und am Rumpf wurde bei 34% der Verum-Gruppe und bei 5% der Placebo-Gruppe eine Rückbildung festgestellt (p < 0,001). Partielle Remissionen wurden bei 49% (Verum-Gruppe) vs. 7% (Placebo-Gruppe) beobachtet. Desweiteren kam es zu einer zahlenmäßigen Abnahme der Läsionen. Unerwünschte Wirkungen zeigten sich in Form lokaler Entzündungsreaktionen an der Applikationsstelle, die meist ab dem dritten oder vierten Tag auftraten und innerhalb weniger Wochen wieder abklangen.

Das Fazit von Professor Berman: Ingenolmebutat führt zu ähnlichen Therapieerfolgen wie etwa Imiquimod. Unterschiede bestehen hingegen in der Dauer der Anwendung. Ingenolmebutat wird an zwei bzw. drei aufeinander folgenden Tagen aufgetragen, andere Topika müssen wesentlich länger und teilweise nach einem komplexeren Schema appliziert werden. Bei einer kurzen Behandlungsdauer ist mit einer wesentlich höheren Compliance zu rechnen, zumal die unerwünschten Wirkungen erst verzögert auftreten.


Quelle

Lebwohl M., et al.: Ingenol mebutate gel for actinic keratosis. N Engl J Med 366, 1010 – 1019 (2012).

www.ClinicalTrials.gov NCT00915551, NCT00942604 (Zugriff am 26. September 2012)


Apothekerin Dr. Petra Jungmayr



DAZ 2012, Nr. 50, S. 46

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