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Strategien gegen die Sucht

Bundeskabinett verabschiedet "Nationale Strategie zur Drogen- und Suchtpolitik"

BERLIN (ks). Millionen Menschen in Deutschland sind abhängig von Alkohol, Tabak, Arzneimitteln, illegalen Drogen, dem Internet oder Glücksspielen. Vor allem riskantes Konsumverhalten – wie etwa das Rauschtrinken – nimmt zu. Die Bundesregierung stellt bei ihrer jüngst verabschiedeten "Nationalen Strategie zur Drogen- und Suchtpolitik" die Aufklärung und Beratung in den Mittelpunkt. Bei der Arzneimittelsucht setzt sie dabei auf die Unterstützung von Apothekern und Ärzten.

Am 15. Februar hat das von der Drogenbeauftragten der Bundesregierung und dem Bundesgesundheitsministerium entwickelte Strategiepapier das Bundeskabinett passiert. Es soll den Aktionsplan Drogen und Sucht aus dem Jahr 2003 ablösen. Hauptziele der Strategie sind die Reduzierung des Konsums legaler und illegaler Suchtmittel sowie die Vermeidung drogen- und suchtbedingter Probleme. "Die Nationale Strategie stellt die Suchtpolitik auf eine moderne und aktuelle Grundlage und nimmt sich neuer Herausforderungen an", sagte die Drogenbeauftragte Mechthild Dyckmans (FDP) letzte Woche bei der Vorstellung des 75-seitigen Strategiepapiers.

Im ersten Teil werden die aus Sicht der Bundesregierung bestehenden aktuellen Herausforderungen dargestellt und Eckpunkte für eine Drogen- und Suchtpolitik aufgestellt. Im zweiten Teil der Strategie geht es um mehr oder weniger konkrete Maßnahmen.

Auch im Kapitel über Medikamentenmissbrauch und -abhängigkeit wird zunächst die Ausgangslage betrachtet: 1,4 Millionen Menschen gelten hierzulande als medikamentenabhängig. Das sind ungefähr so viele, wie es Alkoholabhängige gibt. Betroffen sind meist alte Menschen, die insbesondere Schlaf- und Beruhigungsmittel einnehmen. Aber Medikamentenmissbrauch wird auch bei jungen Personen vermehrt zum Problem. So werden Arzneimittel zur Leistungssteigerung im Breitensport eingenommen, oder um die geistige Leistungsfähigkeit zu erhöhen. Allerdings sind es noch relativ wenige Menschen, die zu leistungssteigernden Mitteln greifen. Dennoch erklärt es das Strategiepapier zum Ziel, die Datenlage in diesem speziellen Bereich zu verbessern. So soll der Problemumfang "Medikamentenmissbrauch zur Steigerung kognitiver Fähigkeiten und Verbesserung des psychischen Wohlbefindens" geklärt werden. Zudem soll die Entwicklung zielgruppenspezifischer Präventionsaktivitäten im Bereich des Kraftsports gefördert werden.

Ein weiteres Ziel ist, die Information über Arzneimittelabhängigkeit durch Apotheker zu verbessern. Dazu soll der bereits entwickelte Leitfaden der Bundesapothekerkammer "Medikamente: Abhängigkeit und Missbrauch. Leitfaden für die Praxis" stärker verbreitet werden. Nicht zuletzt soll die Zusammenarbeit von Ärzten und Apothekern im Rahmen eines Modellvorhabens zur Benzodiazepinabhängigkeit gefördert werden. Ein solche Förderung existiert bereits seit dem Jahr 2009.

Kritik von der Opposition

Bei der Opposition traf der Vorstoß der Regierung auf wenig Zuspruch. Harald Terpe, Sprecher für Drogen- und Suchtpolitik der Grünen, erklärte, Dyckmans habe für die Strategie eine "Stilllegungsprämie verdient". Von einem Aktionsplan könne nicht mehr gesprochen werden. "Dafür, dass eine neue Strategie jahrelang angekündigt wurde, ist das heute vorgestellte Ergebnis kümmerlich", so Terpe.

Für Frank Tempel, drogenpolitischer Sprecher der Linksfraktion, zeigt sich in dem Strategiepapier, dass es der Bundesregierung nicht um grundlegende Änderungen im Drogen- und Suchtbereich geht. "Es handelt sich vielmehr um ein Lippenbekenntnis. Sie will bei ihrer bisherigen Verbots- und Kriminalisierungspraxis bleiben". Um aber zu einer erfolgreichen Präventions- und Aufklärungsarbeit zu kommen, bedürfe es eines "grundlegenden Umdenkens in der Drogenpolitik", so Tempel.



DAZ 2012, Nr. 8, S. 40

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