Aus Kammern und Verbänden

Forderungen mit Mut vortragen

Jahresversammlung der TGL Nordrhein

Am 15. Februar hielt die Tarifgemeinschaft der Apothekenleiter (TGL) Nordrhein ihre Jahreshauptversammlung in Düsseldorf ab. Zentrales Thema: Die wirtschaftliche Situation der Apotheke, die damit verbundene Perspektive für Tarifverhandlungen und die Frage nach Planungssicherheit. Im Mittelpunkt der Diskussionen standen die überfällige Anpassung des Fixaufschlags und die im nächsten Jahr anstehende Überprüfung des Apothekenabschlags. Der Apotheken-Wirtschaftsexperte Uwe Hüsgen, Essen, hielt hierzu einen richtungweisenden Vortrag.

Vorstands- und Beiratsmitglieder der TGL Nordrhein (von links): Dr. Ait Elker, Dr. Wolfgang Boventer (Beirat), Hans Ulrich Wegmann (Schatzmeister), Dr. Heidrun Hoch (1. Vorsitzende), Wolf Wagner, Dr. Claus Breuer (2. Vorsitzender). Foto: H. Goetzendorff

In ihrem Bericht ging die 1. Vorsitzende der TGL-Nordrhein Dr. Heidrun Hoch, Schermbeck, kurz auf den Stand der Dinge nach der letzten, gescheiterten Tarifrunde ein. Das Angebot der TGL für 2011 von 0,5% für die Tabelle und 1,5%, die leistungsorientiert ausgelobt werden sollten, war für die Apothekengewerkschaft ADEXA nicht akzeptabel. Im Hinblick auf die heute noch angespanntere Situation sieht sich die TGL laut Hoch mehr denn je außerstande, weitergehende Zugeständnisse anzubieten. Bei der betrieblichen Altersversorgung bleibt die TGL bei ihrem "Nein" zur tariflichen Bindung. Sie möchte die Entscheidung hierüber in das eigene Ermessen der Mitarbeiter gestellt sehen, richtete aber eine Empfehlung an die Mitglieder, Ersparnisse bei der Sozialversicherung bei Abschluss eines Versicherungsvertrages als Zuschuss zu gewähren.

Austausch mit dem BMG

Im Hinblick auf die Auswirkungen des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes berichtete Hoch von einem kurzen persönlichen Gespräch mit Gesundheitsminister Daniel Bahr im September 2011 sowie von einem Austausch auf Fachebene mit Ministerialrat Ulrich Dietz Anfang Februar in Bonn. Angesprochen wurde eine Fülle von Punkten: die längst überfällige Erhöhung des Fixhonorars, die Anpassung der Honorierung für die BtM-Versorgung, die Rezepturen und den Notdienst, die Anpassung des Kassenabschlags, die verfahrene Tarifsituation angesichts der existenzbedrohlichen Ertragsminderung, die überbordende Bürokratie durch die Rabattverträge, der Wegfall verhandelbarer Einkaufsvorteile durch das AMNOG sowie die Widersprüche in den Bemühungen des BMG um die Arzneimitteltherapiesicherheit. Basierend auf den Teuerungsraten ab 2004 (Zahlen des Statistischen Bundesamtes), hat die TGL-Nordrhein in einem Brief an Bahr im Oktober 2011 eine Anpassung des Fixums auf 9,15 Euro gefordert.


"Die Hauptversammlung der TGL Nordrhein fordert das Bundesministerium für Wirtschaft dazu auf, unverzüglich die seit Jahren überfällige, gesetzlich fixierte Anpassung des Festzuschlags (von zurzeit 8,10 Euro) vorzunehmen."


Aus: Resolution der TGL Nordrhein vom 15. 2. 2012

Am Kassengewinn teilhaben

Als nächste "Baustelle" ging die TGL-Vorsitzende auf den Kassenabschlag ein, der erstmals 2013 von den Vertragspartnern leistungsgerecht anzupassen sein soll. Die TGL macht dem BMG gegenüber geltend, dass es nur durch den seit beinahe fünf Jahren kostenlos erbrachten Einsatz der Apotheker bei der Erfüllung der Rabattverträge möglich war, Gewinne in Milliardenhöhe zu generieren. Hierzu fordert sie nun eine betriebliche Prozesskostenanalyse zur Berechnung des Mehraufwandes der Apotheken, in die auch die anfallenden Kosten zur Warenlageroptimierung einfließen müssen. Laut Aussage von Dietz wird dieser Mehraufwand im Ministerium durchaus als honorierbar anerkannt, allein die Größenordnung nannte er "politisch umstritten".

Mangelnde Info durch die ABDA

Hinsichtlich der neuen Apothekenbetriebsordnung erkannte Hoch die veränderte Sicht des Gesundheitsministers in Bezug auf die "Apotheke light" lobend an. Kritisch sieht sie demgegenüber die Verkennung der Wertigkeit persönlicher Beratung, die aus ihrer Sicht im Versandhandel nicht erfüllt werden kann. "Vor dem Hintergrund der expliziten Förderung der Arzneimitteltherapiesicherheit durch das BMG ist es geradezu paradox, verfolgen zu müssen, wie Therapiesicherheit und Qualität andererseits durch Verramschen von Arzneimitteln über Pick-up-Stellen ad absurdum geführt werden", sagte Hoch und forderte den Gesetzgeber dazu auf, das im Koalitionsvertrag vereinbarte Pick-up-Verbot endlich zu beschließen. Im Stich gelassen fühlen sich die Apotheker "an der Basis" nach ihrer Erfahrung im Übrigen von der Standesführung, und zwar wegen unzureichender Informationen über die Aktivitäten, Verhandlungsergebnisse und deren Hintergründe sowie Probleme der ABDA-Arbeit.



Vorstand und Beirat


Der Vorstand der TGL-Nordrhein wurde im Amt bestätigt.

1. Vorsitzende: Dr. Heidrun Hoch, Schermbeck


2. Vorsitzender: Dr. Claus Breuer, Würselen


Schatzmeister: Hans Ulrich Wegmann, Köln

Dr. Ait Elker, Bergisch-Gladbach

Wolf Wagner, Geldern


Beiratsmitglieder:

Dr. Wolfgang Boventer, Krefeld

Dr. Thomas Hardt, St. Augustin (neu)

Angelika Jansen-Kempen, Aachen

Hans Joachim Krings-Grimm, Duisburg (neu)

Dr. Susanne Rück, Fronhausen


Aus dem Beirat ausgeschieden:

Dr. Ingrid Junior, Düsseldorf

Dr. Gerd-Peter Wojtovicz, Bonn


Kassenprüfer:

Axel Bader, Duisburg

Marianne Terörde, Düsseldorf


www.tglnordrhein.de


Uwe Hüsgen Foto: H. Blasius

Versorgungsauftrag versus Wirtschaftlichkeit

Die wirtschaftliche Situation der Apotheken mit Fokus auf den anpassungsbedürftigen Fixaufschlag und den Kassenabschlag analysierte der Diplom-Mathematiker und Apotheken-Wirtschaftsexperte Uwe Hüsgen, Essen.

Den Ausgangspunkt seiner Analyse bildete das Jahr 2004, in dem man sich von der degressiven Handelsspanne für die Apotheken verabschiedete und in der Arzneimittelpreisverordnung den Festzuschlag von 8,10 Euro und einen prozentualen Zuschlag von 3% auf den Apotheken-Einkaufspreis einführte. Der Festzuschlag ist seither unverändert, obwohl das Arzneimittelgesetz das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie dazu ermächtigt, ihn entsprechend der Kostenentwicklung der Apotheken bei wirtschaftlicher Betriebsführung im Einvernehmen mit dem Gesundheitsministerium anzupassen.

90% Heilberufler, 10% Kaufmann

Hüsgen stellte dar, was die Umstellung auf das Kombimodell (das im Jahr 2003 mit Zahlen aus 2002 entwickelt wurde) bewirken sollte: Die Apotheke sollte im Rahmen der Beratung und Abgabe eines verschreibungspflichtigen Fertigarzneimittels zu 90% für die heilberufliche Beratung (Fixzuschlag) und mit 10% für die kaufmännische Tätigkeit (3% Aufschlag auf den EK) honoriert werden.

Unterdeckung aus GKV-Umsatz steigt rasant

Anhand einer genaueren Analyse der Folgejahre zwischen 2004 und 2011 belegte Hüsgen, dass sich die Situation der Apotheken aufgrund des fehlenden "Willens zur Dynamisierung der Regelungen" wirtschaftlich wesentlich verschärft hat. Schon im Jahr 2004 befanden sich die Apotheken hinsichtlich der Kompensation ihrer steuerlich abzugsfähigen Kosten aus der Versorgung von GKV-Versicherten in einer Unterdeckung (von 0,3%), die in den Folgejahren noch deutlich zunahm. Zwar gelang es, die abzugsfähigen Kosten von 2004 bis 2010 von 18,2% auf 17,4% zu senken, aber gleichzeitig brach der Rohertrag im selben Zeitraum von 17,9% auf 15,7% ein. Hierdurch stieg das Minus beim steuerlichen Betriebsergebnis von 0,3% in 2004 auf 1,7% in 2010.

Während die Kosten der zulasten der GKV abgegebenen rezeptpflichtigen Fertigarzneimittel von 2004 bis 2011 um ca. 36% zunahmen (von 14,45 Mrd. Euro auf 19,68 Mrd. Euro, Einkaufspreise), stieg die Anzahl der Packungen nur mäßig. Der Apothekenrohertrag hängt jedoch ganz wesentlich vom Fixhonorar ab (in 2011 immerhin 13,1% des Gesamtrohertrages von 15,2%) und nur zu einem geringen Teil von dem 3%igen Aufschlag auf den EK (2,1% der 15,2%). So wurden die Apotheken seit 2004 unter dem Strich vom Umsatzzuwachs des GKV-Fertigarzneimittelmarktes abgekoppelt. Außerdem hat sich der "heilberufliche" Honoraranteil hierdurch mit einer Absenkung auf 86,4% zugunsten des "kaufmännischen" Anteils (Anstieg auf 13,6%) vermindert. Angesichts dieser für die Apotheken besorgniserregenden Entwicklung riet Hüsgen den Gesundheitspolitikern dringend zur Umkehr.

20% weniger Haupt-Apotheken in Nordrhein

Welche Auswirkungen sich bereits auf die Apothekenlandschaft zeigen, machte Hüsgen am Beispiel des Kammerbezirks Nordrhein deutlich, wo die Zahl der öffentlichen Haupt-Apotheken in den letzten 20 Jahren um mehr als 20% zurückgegangen ist.

Als "katastrophale Entwicklung" bezeichnete Hüsgen darüber hinaus die "Überalterung" der Apothekeninhaber. Während in Nordrhein im Jahr 1984 noch rund ein Viertel der Inhaber zwischen 30 und 40 Jahre alt waren, hatte diese Altersklasse im Jahr 2011 nur noch einen Anteil von 13%. Im selben Zeitraum hat der Anteil der 60- bis 70-jährigen Inhaber von 13,5 auf 22,5% zugenommen.

Fixhonorar und Kassenabschlag sauber trennen

Hüsgen riet den Apothekern dringend dazu, die beiden "Verhandlungsgegenstände" Fixhonorar und Kassenabschlag in der politischen Argumentation nicht miteinander zu verquicken, sondern diese streng getrennt zu halten, zumal verschiedene Ministerien zuständig sind. Die Anpassung des Fixhonorars sollte nun gezielt als erstes in Angriff genommen werden. "Die Apotheker müssen unabhängig vom Großhandel und von den Herstellern sauber darstellen, was ihre Leistung wert ist und dies auch einfordern", meinte Hüsgen. Im Übrigen schloss er sich Hochs Auffassung an, dass den Apotheken ein Großteil der durch Rabattverträge erzielten Einsparungen zusteht.

Für die Jahre 2011 und 2012 ist der Kassenabschlag durch das AMNOG bereits auf 2,05 Euro festgelegt. Für 2013 sollen die Kassen und der DAV dann in die nächste Verhandlungsrunde über die Höhe des Abschlags gehen. Hüsgen empfahl der Apothekerschaft, sich hierzu frühzeitig, ausreichend und fundiert mit Zahlen zu rüsten.

Ob die in einem Positionspapier der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag als Ausgangsbasis für die Abschlagsverhandlungen vorgeschlagenen 1,75 Euro strategisch angemessen sind, wurde im Auditorium kontrovers diskutiert.


hb



DAZ 2012, Nr. 8, S. 88

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