Arzneimittel und Therapie

Aktive Überwachung beim Prostatakarzinom

Zusätzlich Dutasterid einnehmen?

Beim frühen lokalen Prostatakarzinom kann eine aktive Surveillance durch 5-alpha-Reduktase-Inhibitoren unterstützt werden. So verzögerte einer aktuellen Studie zufolge die dreijährige Einnahme von Dutasterid die Tumorprogression bei Patienten mit einem lokalen Tumor der Low-risk-Gruppe.
Prostatakarzinome der Low-risk-Gruppe entwickeln sich in der Regel langsam und führen in den meisten Fällen nicht zum Tod. Statistisch betrachtet, beträgt das Risiko, nach zwölf Jahren an einem Low-risk-Prostatakarzinom zu sterben unter 3%; eine radikale Prostatektomie scheint hingegen mit einer erhöhten Mortalität einherzugehen. Foto: DAK/Van den Berg

5-alpha-Reduktase-Inhibitoren werden zur Therapie der benignen Prostatahyperplasie eingesetzt. Durch die Blockade der 5-alpha-Reduktase kann Testosteron nicht mehr in Dihydrotestosteron umgewandelt werden, was neben einem verbesserten Harnfluss zu einem verkleinerten Prostatavolumen und einem deutlich reduzierten PSA-Wert führt. Von einer verringerten Konzentration an Dihydrotestosteron in der Prostata erhofft man ferner ein reduziertes Prostatakarzinomrisiko. Diese Vorstellung wurde in mehreren Studien zur Chemoprävention mit 5-alpha-Reduktase-Hemmern untersucht. So etwa in der REDUCE-Studie (Reduction by Dutasteride of Prostate Cancer Events) mit Dutasterid (Avodart®), einem 5-alpha-Reduktase-Inhibitor, der beide Isoformen der 5-alpha-Reduktase hemmt. In dieser Studie führte die vierjährige Einnahme von Dutasterid bei gesunden Risikopatienten zwar zu einer Senkung des relativen Risikos um 22,8%, es wurden aber vorwiegend solche Karzinome in ihrem Wachstum gehemmt, die mit großer Wahrscheinlichkeit nicht lebensbedrohlich waren. Die Inzidenz weniger differenzierter und somit aggressiverer Tumore mit einem hohen Gleason Score wurde nicht gesenkt.

Einen etwas anderen Ansatz hat die REDEEM(The reduction by dutasteride of clinical progression events in expectant management)-Studie. Hier wurde Dutasterid bei Männern eingesetzt, bei denen bereits ein frühes, lokales Prostatakarzinom der Low-risk-Gruppe festgestellt worden war und die sich für eine Active Surveillance (siehe Kasten) entschieden hatten.

Active Surveillance plus Dutasterid

An der in Nordamerika durchgeführten multizentrischen, doppelblinden und placebo-kontrollierten REDEEM-Studie nahmen 302 Männer teil, bei denen bereits ein Prostatakarzinom der low-risk-Gruppe (T1c-T2a, Gleason-Score zwischen 5 und 6) festgestellt worden war. Die Patienten erhielten eine engmaschige Kontrolle (active Surveillance) und nahmen zusätzlich drei Jahre lang einmal täglich 0,5 mg Dutasterid oder ein Placebo ein. Der primäre Studienendpunkt war die Zeit bis zur Tumorprogression.

Nach drei Jahren war es bei 38% der Patienten der Dutasterid-Gruppe und bei 48% der Probanden der Vergleichsgruppe zu einer Tumorprogression gekommen (HR 0,62; 95% Konfidenzintervall 0,43-0,89; p = 0,009). Unerwünschte Wirkungen wie eine Beeinträchtigung der Sexualität oder Schwellungen bzw. eine Druckempfindlichkeit der Brust traten in der Dutasterid-Gruppe etwas häufiger auf als in der Vergleichs-Gruppe.

active surveillance und watchful waiting


Um beim frühen Prostatakarzinom und niedrigem Risiko die Folgen einer Übertherapie zu vermeiden oder aufzuschieben, werden derzeit zwei Strategien verfolgt:

  • Active Surveillance
  • Watchful Waiting

Die Active Surveillance kommt für ansonsten gesunde und für eine radikale Therapie geeignete Patienten mit nicht oder wenig aggressiven Tumoren infrage. Sie hat das Ziel, unter genauer Überwachung einschließlich Kontrollbiopsie die rechtzeitige kurative Behandlung bis zu einem Zeitpunkt aufzuschieben, an dem sich möglicherweise die Tumorbiologie oder der Wunsch des Patienten ändern.

Voraussetzungen für eine Active-Surveillance-Strategie sind:

  • PSA-Wert ≤ 10 ng/ml
  • Gleason-Score ≤ 6
  • T1c und T2a
  • Tumor in ≤ 2 Stanzen
  • ≤ 50 % Tumor in einer Stanze.

Der Tumor soll in den ersten beiden Jahren durch PSA-Bestimmung und digitale rektale Untersuchung alle drei Monate kontrolliert werden. Bleibt der PSA-Wert stabil, ist halbjährlich zu untersuchen. Biopsien sollen alle 12 bis 18 Monate vorgenommen werden.

Beim Watchful Waiting werden Patienten, die eine Lebenserwartung von weniger als zehn Jahren haben und beliebige Tumorcharakteristika aufweisen, erst bei symptomatischer Progression palliativ therapiert.


[Quelle: S3 Leitlinie Prostatakarzinom Version 1.03., März 2011].

Was tun bei geringem Risiko?

Ein Kommentator der Studie befürwortet das Ziel der Studie – durch Verzögerung der Tumorprogression eine Übertherapie zu vermeiden – weist aber auf die viel zu kurz gewählte Beobachtungszeit von drei Jahren hin. Prostatakarzinome der Low-risk-Gruppe entwickeln sich in der Regel langsam und führen in den meisten Fällen nicht zum Tod. Statistisch betrachtet beträgt das Risiko, nach zwölf Jahren an einem Low-risk-Prostatakarzinom zu sterben unter 3%; eine radikale Prostatektomie scheint hingegen mit einer erhöhten Mortalität einherzugehen. Der Kommentator stellt daher die Frage, wie bei einem Tumor der Low-risk-Gruppe vorzugehen sein. Es sei entscheidend, sowohl Übertherapie wie auch Überdiagnose zu vermeiden. Eine genauere Einschätzung des Risikos und spezielle bildgebende Verfahren könnten dazu beitragen, nur therapiebedürftige Karzinome zu detektieren.


Quelle
Fleshner N., et al.: Dutasteride in localised prostate cancer management: the REDEEM randomised, double-blind, placebo-controlled trial. Lancet online vom 24. Januar 2012, DOI:10.1016/S0140-6736(11)61619-X.

Parker C.: What (if anything) to do about low-risk prostate cancer. Lancet online vom 24. Januar 2012, DOI:10.1016/S0140-6736(12)60066-X.

www.clinicaltrials.gov NCT00363311 (Zugriff am 19. Februar 2012).


Apothekerin Dr. Petra Jungmayr



DAZ 2012, Nr. 8, S. 54

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