Gesundheitspolitik

"Impfstoff gegen…" unzulässig

Baden-Württemberg: Produktneutrale Impfstoffverordnung muss nicht beliefert werden

Berlin (jz). Vorerst gilt: Apotheken in Baden-Württemberg müssen vom Arzt produktneutral verordnete Impfstoffe nicht abgeben. Das hat das Sozialgericht Stuttgart im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes jetzt klargestellt. Für eine solche Verpflichtung gibt es aus Sicht der Kammer schon keine Rechtsgrundlage. Kassen und Ärzte seien auch gar nicht berechtigt, die Verantwortung zur korrekten Impfstoffabgabe auf die Seite der Apotheker zu verschieben – auch wegen der drohenden Retaxierungen. Abzuwarten bleibt nun, wie das Gericht in der Hauptsache entscheiden wird.

Seit einigen Monaten wird in Baden-Württemberg vor Gericht um die produktneutrale Verordnung von Impfstoffen gestritten. Die dortige Kassenärztliche Vereinigung (KV) vereinbarte mit den gesetzlichen Krankenkassen die Möglichkeit dieser Verordnungsweise, indem beide den bestehenden Vertrag über die Versorgung mit Schutzimpfungen zum 1. September 2012 entsprechend änderten. Apotheken sollen seit Beginn des Jahres im Fall einer solchen Verschreibung von Impfstoffen ohne Nennung der Bezeichnung des Impfstoffs ("Impfstoff gegen…") anhand von Angaben auf einem Poster rabattierte Impfstoffe auswählen und abgeben.

Dagegen wehrte sich eine Apothekerin. Sie stellte Mitte Februar beim Sozialgericht Stuttgart einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes und erhob Mitte März Klage. Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren hatte sie jetzt Erfolg: Das Sozialgericht untersagte der AOK Baden-Württemberg per Beschluss die Behauptung, die Apothekerin sei im Fall einer produktneutralen Verschreibung zur Abgabe verpflichtet. "Nach Auffassung der Kammer vermag die Antragsgegnerin die vermeintliche Pflicht der Antragstellerin […] bereits nicht auf eine tragfähige Rechtsgrundlage zu stützen", heißt es in der Begründung.

Eine solche Verordnungsweise verstößt aus Sicht der Kammer gegen die Vorgaben der Arzneimittelverschreibungsverordnung. Danach muss die ärztliche Verordnung entweder das Fertigarzneimittel oder den Wirkstoff einschließlich Wirkstärke enthalten (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 AMVV). Nach dem Willen des Gesetzgebers obliege also gerade die Auswahl beziehungsweise Zuordnungsentscheidung eines Arzneimittels dem verschreibenden Arzt, führt die Kammer aus. Durch die streitige Verordnungsweise sei aber eine Fehlauswahl durch die Apotheker möglich, sodass eine Verantwortungsverlagerung – die ja gerade ausgeschlossen werden solle – "einseitig zulasten der Apotheken vorgenommen" werde.

Dass die Kasse bei fehlerhafter Auswahl ein Retaxierungsrecht gegenüber der jeweiligen Apotheke hat, ohne dass noch ein Verantwortungsbereich beim Arzt verbleibt, hält das Gericht aber für unbillig: "Eine derartige Verschiebung von Verantwortungsbereichen widerspricht nicht nur den gesetzlichen Vorgaben, sondern stellt zugleich eine drittbelastende vertragliche Regelung dar." Insoweit bekundet die Richterin im Beschluss "erhebliche rechtliche Zweifel an der Wirksamkeit" der zwischen KV und Kassen vereinbarten Regelung. Die beiden seien nicht berechtigt gewesen, "ein neues drittbelastendes Verschreibungsverfahren zu etablieren".


Sozialgericht Stuttgart, Beschluss vom 15. Juli 2013, Az. S 9 KR 766/13 ER.

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