Wirtschaft

Gesetzlich oder privat krankenversichert?

Nicht jeder kann wählen – aber jeder (!) ist versichert

(bü). Seit April 2007 gibt es in Deutschland – jedenfalls theoretisch – niemanden mehr, der nicht krankenversichert ist. Und das unabhängig davon, ob sie oder er das so wollen oder nicht. Und sogar unabhängig davon, ob das solchen Betroffenen, die noch "abseits" stehen sollten, überhaupt bewusst ist ...

"Krankenversichert" heißt: Entweder ist eine der gesetzlichen Krankenkassen zuständig – oder eine der privaten Krankenversicherungen. Zwischen beiden Systemen kann nicht beliebig gewählt werden. Es sind unterschiedliche Bedingungen zu erfüllen. Welche das sind, steht hier.

Gesetzliche Krankenversicherung (GKV)

In der GKV ist man entweder

  • pflichtversichert
  • freiwillig versichert oder
  • "familienversichert".


Pflichtversichert sind alle Arbeitnehmer (und das unabhängig von der Höhe ihres Verdienstes). Ferner Bezieher einer gesetzlichen Rente (sie aber nur, wenn sie in der zweiten Hälfte ihres Erwerbslebens zu mindestens 90 Prozent bereits gesetzlich krankenversichert waren. Erfüllen sie diese Bedingung nicht, so besteht normalerweise das Recht auf Begründung einer freiwilligen Versicherung). Ferner im Regelfall Arbeitslose (egal, ob sie Arbeitslosengeld I oder Arbeitslosengeld II beziehen).


Freiwillig versichert sind diejenigen, die sich nach einer Pflichtmitgliedschaft (zum Beispiel nach dem Ende ihres Arbeitsverhältnisses) in der GKV "weiterversichert" haben. Dazu gehören zum Beispiel Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen, die ihr Arbeitsverhältnis aufgegeben haben und zunächst keine neue Stelle suchen. Auch Arbeitnehmer, deren regelmäßiger Arbeitsverdienst die "Jahresarbeitsentgeltgrenze" überschreitet (sie beträgt in diesem Jahr 52.200 Euro). Bedingung für eine Weiterversicherung ist der Nachweis einer (gesetzlichen) Vorversicherung von mindestens einem Jahr unmittelbar vor dem Antrag auf freiwillige (Weiter-)Versicherung oder von mindestens zwei Jahren in den vorhergehenden fünf Jahren. Wer das nicht erfüllen kann oder gar nicht weiter gesetzlich krankenversichert sein möchte, der muss sich einer privaten Krankenversicherung anschließen.


"Familienversichert" sind zum Beispiel der Ehepartner, der eingetragene Lebenspartner sowie die Kinder eines pflicht- oder freiwillig GKV-Versicherten (jeweils dann, wenn sie keinen eigenen Krankenversicherungsschutz und ferner keine eigenen Einkünfte von mehr als 385 (als Minijobber: 450) Euro im Monat haben. Außerdem sind mitversicherte Stiefkinder, Enkel und Pflegekinder, die vom Versicherten "überwiegend unterhalten" werden. Für die jeweilige Mitversicherung braucht das Mitglied keinen Extrabeitrag zu zahlen.

Die Mitversicherung der Kinder besteht grundsätzlich bis zum 18. Geburtstag. Sie bleibt erhalten bis zum 23. Geburtstag, wenn das Kind nicht erwerbstätig ist. Bis zum 25. Geburtstag besteht der kostenlose Schutz weiter, wenn sich ein Kind in Schul- oder Berufsausbildung befindet (etwa: Studenten) oder ein freiwilliges soziales Jahr oder ein ökologisches Jahr leisten. Ein Kind ist ohne Altersbegrenzung mitversichert, wenn es behindert und außerdem außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Hier gilt die zusätzliche Bedingung, dass die Behinderung zu einem eingetreten ist, als das Kind familienversichert war.

Bedeutsam: Ein Kind bleibt von der kostenfreien Familienversicherung ausgeschlossen, wenn das mit dem GKV-Mitglied in Ehe oder Lebenspartnerschaft verbundene andere Elternteil nicht der GKV angehört (also privat krankenversichert ist) und über ein Gesamteinkommen verfügt, das 52.200 Euro im Jahr (= 4350 Euro im Monat) übersteigt. Und das Einkommen des nicht gesetzlich krankenversicherten Elternteils muss höher sein als das des gesetzlich Versicherten. Die von dieser Regelung betroffenen Kinder können dann entweder gesetzlich krankenversichert werden (allerdings beitragspflichtig) oder – wie der andere Elternteil – privaten Schutz haben.


Selbstständige gehören grundsätzlich nicht zum Kreis der gesetzlich Krankenversicherten. Sie können sich aber freiwillig versichern, wenn sie zuvor gesetzlich krankenversichert waren, etwa als Arbeitnehmer oder auch als mitversicherter Familienangehöriger. Auch sie müssen dafür aber die Vorversicherungszeit nachweisen (siehe oben).


Freiberufliche Künstler und Publizisten können sich über die Künstlersozialkasse in der GKV pflichtversichern, wenn sie nicht eine private Krankenversicherung wählen.


Studenten gehören grundsätzlich der gesetzlichen Studentischen Krankenversicherung als Pflichtversicherte an. Sie können sich zugunsten einer privaten Krankenversicherung aber auch privat krankenversichern.


Beamte gehören der GKV – wie Selbstständige – ebenfalls nicht pflichtmäßig an, weil sie gegen ihren Dienstherrn Beihilfeansprüche haben. Da diese Beihilfe aber nicht 100 Prozent ihrer Krankheitsaufwendungen deckt, können sie sich unter denselben Bedingungen wie Selbstständige freiwillig einer gesetzlichen Krankenkasse anschließen. Meist sind sie aber stattdessen privat krankenversichert.


Und was passiert mit denjenigen, die schon seit Langem überhaupt nicht krankenversichert sind, etwa weil sie es versäumt haben, sich im Anschluss an eine gesetzliche Pflichtversicherung freiwillig weiterzuversichern? Sie wenden sich an ihre letzte Krankenkasse (oder eine andere Krankenkasse ihrer Wahl) – egal, ob sie dort pflicht- oder freiwillig oder familienversichert waren. Die letzte Krankenkasse muss die Versicherung wieder aufleben lassen (eine andere gewählte Krankenkasse muss die Versicherung neu begründen) – allerdings nicht ohne Beiträge für die Vergangenheit nachzufordern und dafür auch Zinsen zu verlangen. Längstens gilt das rückwirkend bis April 2007. Unter besonderen Voraussetzungen (Stichwort "Härtefall") kann nicht nur eine Ratenzahlung vereinbart, sondern auch auf einen Teil der Beiträge verzichtet werden. Auch eine Stundung der Beiträge ist denkbar. – War die "letzte Krankenkasse" keine gesetzliche Kasse, so haben sie das Recht zum Beitritt in eine private Krankenversicherung.


Auslandsrückkehrer bleiben ebenfalls nicht von dem Grundsatz ausgenommen, auf jeden Fall krankenversichert sein zu müssen. Wer vor seinem (unter Umständen viele Jahre zurückliegenden) Auslandsaufenthalt in einer gesetzlichen Krankenkasse versichert war, der kehrt auch in die gesetzliche Krankenversicherung zurück. Die Wahl, welche Kasse das sein soll, steht ihm frei. – Auch wer im Ausland gearbeitet hat und dort sozialversichert war, kann nach seiner Rückkehr in eine deutsche gesetzliche Krankenkasse eintreten.

Wer vor dem Auslandsaufenthalt zuletzt privat krankenversichert war, der muss sich hierzulande auch wieder privat versichern.


Wie funktioniert ein Wechsel innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung? Wer mindestens 18 Monate lang einer gesetzlichen Krankenkasse angehört hat, der kann (mit zweimonatiger Frist) zu einer anderen gesetzlichen Krankenkasse wechseln. Dasselbe Recht besteht, wenn die aktuelle Kasse einen Zusatzbeitrag erhebt – oder erhöht, ohne dass es auf die 18 Monate Vorversicherungszeit bei dieser Krankenkasse ankommt. Wichtig: Nutzt ein Mitglied einen Wahltarif mit erweiterten Konditionen, so verlängert sich die Bindungs- beziehungsweise Kündigungsfrist auf mindestens ein Jahr und maximal drei Jahre.

Private Krankenversicherung

Zum Kreis der privat krankenversicherten Frauen und Männer gehören in erster Linie Selbstständige, ferner "gut verdienende" Arbeitnehmer (mit Gehältern oberhalb von 52.200 Euro im Jahr), aber auch Rentner, die die Voraussetzungen für die gesetzliche Versicherungspflicht nicht erfüllt haben. Auch Arbeitslose können ihren privaten Krankenversicherungsschutz für Rechnung der Arbeitsagentur (für Bezieher von Arbeitslosengeld I) oder des Jobcenters (für Bezieher von Arbeitslosengeld II) weiterführen. Schließlich auch die große Gruppe von Beamten und ihre beihilfeberechtigten Angehörigen, die einen "Restkostentarif" abschließen können, da die von ihrem Dienstherrn gewährte Beihilfe die anfallenden Kosten nicht in voller Höhe abdeckt.

Die Versicherungen werden regelmäßig nicht nach einer gesetzlichen Vorgabe, sondern individuell durchgeführt. Privat Krankenversicherte haben also – anders als die "Gesetzlichen" – die Möglichkeit, ihren Versicherungsschutz individuell auf ihre Bedürfnisse abzuschließen.


Daneben werden mit dem Standardtarif und dem Basistarif zwei sogenannte "Sozialtarife" angeboten. Das heißt: Wer aus finanziellen Gründen seinen Normaltarif verlassen möchte, kann in einen – unter Bedingungen und meist beitragsgünstiger – Sozialtarif wechseln (der im "abgespeckten" Leistungsbereich den Angeboten der GKV weitgehend entspricht).

Der Standardtarif richtet sich insbesondere an Versicherte, die einen besonders preiswerten Tarif benötigen. Deshalb ist der Standardtarif auch nur für bestimmte, vom Gesetzgeber definierte Personengruppen geöffnet. Den Standardtarif können Personen wählen, die ihre Private Krankenversicherung vor 2009 abgeschlossen haben, seit mindestens zehn Jahren privat vollversichert sind und ein bestimmtes Mindestalter erreicht haben oder Bezieher einer gesetzlichen Rente beziehungsweise eines Ruhegehaltes sind und ein Einkommen unterhalb der Versicherungspflichtgrenze beziehen.

Neukunden nach 2008 steht anstelle des Standardtarifs der Basistarif zur Verfügung. Ausnahme: Wer bereits vor 2009 "normal" privat krankenversichert war, darf erst vom 55. Lebensjahr an in den Basistarif wechseln oder wenn er Rente bezieht. Der Basistarif steht auch jenen bisher unversicherten Frauen und Männern offen, die nicht zum Kreis der gesetzlich Versicherten gehören. Risikozuschläge und Leistungsausschlüsse wegen Vorerkrankungen werden im Basistarif nicht erhoben.


Die Beitragshöhe richtet sich nach den gewählten Leistungen, die im Krankheitsfall fällig werden, auch nach dem Alter beim Eintritt in die Versicherung sowie im Normaltarif auch nach dem individuellen Risiko (Stichwort: chronische und Vorerkrankungszeiten). Durch einen Selbstbehalt kann die Beitragshöhe positiv beeinflusst werden.

Die von den Privatversicherten zu zahlenden Beiträge enthalten sogenannte Alterungsrückstellungen. Sie sollen die mit dem Alter steigenden Gesundheitskosten und somit stabile Beiträge absichern. Zur Abdeckung von Kostensteigerungen durch den medizinischen Fortschritt wurde per Gesetz ein Zehn-Prozent-Zuschlag auf den Beitrag eingeführt. Dieser Zuschlag wird in der Regel von vollversicherten Personen bis zum 60. Lebensjahr bezahlt. Die verzinslich angelegten Beträge kommen den Versicherten nach Vollendung des 65. Lebensjahres zugute.

Für jedes privat krankenversicherte Kind ist ein eigener Beitrag zu zahlen; eine kostenfreie Mitversicherung wie in der GKV gibt es nicht.


Eine Spezialität der privaten Krankenversicherung ist die Beitragsrückerstattung. Sie kann für "gesunde" Versicherte bis zu sechs Monatsbeiträge pro Jahr ausmachen.


Gesetzlich Krankenversicherte haben übrigens die Möglichkeit, über eine private Zusatzversicherung Leistungen zu versichern, die der Katalog der GKV nicht vorsieht. Dabei handelt es sich zum Beispiel um Wahlleistungen während einer stationären Behandlung – sei es die Option, sich von einem der Chefärzte operieren zu lassen oder in einer "besseren Pflegeklasse" der Gesundung entgegenzustreben. Oder um einen teuren Zahnersatz mitfinanziert zu bekommen.

Gesetzlich Krankenversicherte haben aber auch das Recht, als sogenannte "Kostenerstatter" zwar ihren GKV-Status aufrechtzuerhalten, aber "privat" zum Arzt oder ins Krankenhaus zu gehen. Ihre Krankenkasse ersetzt ihnen dann den (selbst zu bezahlenden) Aufwand nach den Sätzen, die sie aufzuwenden gehabt hätte, wenn sie nach den Regeln der GKV behandelt worden wären. Die Differenz muss dann jeweils neben den Beiträgen zur GKV aus der eigenen Tasche beigesteuert werden.

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