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Gesundheitspolitik
Becker pocht auf mehr Honorar
Expopharm-Eröffnung: Industrie und Großhandel setzen auf apothekerliche Kompetenz
Wenige Tage vor der Bundestagswahl forderte Becker von der neuen Bundesregierung Dialogbereitschaft für die finanziellen Forderungen der Apotheker. Wichtiges Ziel der kommenden Wahlperiode sei die Durchsetzung einer regelmäßigen, gesetzlich geregelten Überprüfung des Apothekenhonorars. „Viele unserer Kosten steigen automatisch. Da kann es nicht sein, dass eine Anpassung unseres Entgeltes über Jahre unterbleibt“, so Becker. Der DAV-Chef pochte zudem auf eine Erhöhung der BtM-Gebühr sowie der Rezepturentgelte.
Kritik an Blockade des GKV-Spitzenverbands
Deutliche Kritik übte Becker zudem am GKV-Spitzenverband. Die Krankenkassen müssten sich wieder auf ihre eigentliche Rolle im Gesundheitswesen besinnen – und zwar als vorwärtsgewandte und handlungsfähige Partner der Selbstverwaltung, die das Wohl der Patienten im Auge behielten. Becker: „Wir Apotheker sind ein entschlossener, aber auch lösungsorientierter Verhandlungspartner, der eine starke Selbstverwaltung befürwortet.“ Fehlende Austauschverbote für sensible Wirkstoffe oder Ausschreibungen für Impfstoffe seien Beispiele für mangelnde Patientenorientierung der Kassen. „Lassen Sie selbstbewusst Ihren pharmazeutischen Sachverstand walten“, appellierte Becker an seine Berufskollegen: „Wir Apotheker sind die Arzneimittelfachleute, nicht die Sachbearbeiter der Krankenkassen.“ Jüngstes Beispiel ist laut Becker die Blockade des Rahmenvertrags zu § 129 SGB V mit den bereits gefundenen Lösungen zu den Nullretaxationen. „Alles war verschriftlicht und in den Verhandlungen konsentiert. Und wieder macht der GKV-Spitzenverband eine Kehrtwendung und verweigert seine Unterschrift“, so Becker. Auch für die im Rahmenvertrag zu vereinbarenden Austauschverbote habe der DAV eine Liste mit 20 sensiblen Wirkstoffen vorgelegt. Der GKV habe diese jedoch abgelehnt. „Wieder einmal ging es der GKV hier nicht um das Wohl der Patienten, sondern allein um die wirtschaftlichen Interessen einzelner Krankenkassen mit ihren Rabattverträgen.“
Energisch forderte Becker ein Ende der Ausschreibungen in der Impfstoffversorgung: „Impfstoffe sind Arzneimittel der besonderen Art. Bei Ausschreibungsverfahren für Impfstoffe können Produktionsausfälle nicht ausgeglichen werden, da keine ausreichenden Reserven vorhanden sind.“ Leider gebe es wieder Berichte über verspätet gelieferten Grippeimpfstoff. „Das Desaster des Vorjahres droht sich zu wiederholen“, so Becker.
Zufrieden zeigte sich Becker mit dem Kompromiss zum Kassenabschlag und der neuen Notdienstpauschale. Der DAV-Chef kündigte die Auszahlung der ersten Pauschale für Ende dieses Jahres an.
Eine klare Absage erteilte Becker dem Apothekenbus: „Wir brauchen keine Apothekenbusse. Wir brauchen eine leistungsgerechte und leistungsfördernde Vergütung.“ Wer die Apotheke in der Fläche stärke, erhalte auch den Botendienst hin zum Patienten.
Kurz und klar ging Becker auf die kontroverse Diskussion um den Datenschutz ein. Die Position des DAV sei eindeutig: Zur Arzneimitteltherapiesicherung sei die Datenverarbeitung berechtigt. So sehe es das Sozialgesetzbuch vor. Alle Datenlieferungen müssten sich „streng an die geltenden Regeln halten“, so Becker: „Ohne Wenn und Aber.“ Die Apothekenrechenzentren besäßen das Vertrauen der Apotheker.
BPI warnt vor „Geiz-ist-geil-Kultur“
Bei der Eröffnung der Expopharm durften auch die Grußworte von Vertretern der Verbände der Arzneimittelhersteller und des Bundesverbands des pharmazeutischen Großhandels (Phagro) nicht fehlen. Sie alle betonten die gute Zusammenarbeit aller Beteiligten in der Arzneimittelversorgung. Prof. Dr. Michael Popp, stellvertretender Vorsitzender des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie (BPI) unterstrich die Bedeutung der Apotheker für die Industrie in der Selbstmedikation. „Unsere Produkte sind uns zu wertvoll und zu erklärungsbedürftig, als dass man sie einfach nur aus dem Regal herausnehmen könnte und verkaufen dürfte.“ Hier vertraue man auf die Kompetenz der Apotheker. Doch diese Kompetenz habe auch ihren Preis, so Popp. Daher bitte er die Apotheker um eines: Sie sollten sich nicht auf eine „20-Prozent-auf-alles“- oder „Geiz-ist-geil“-Logik und -Kultur einlassen. Popp selbst ist überzeugt, dass auch die Menschen bereit seien, im Gesundheitsbereich auf eine solche Mentalität zu verzichten. Dr. Martin Weiser, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Arzneimittel-Hersteller (BAH), betonte ebenfalls das große Potenzial des OTC-Marktes. Dieses sei nur gemeinsam mit den Apothekern zu heben. Zwar sei der Selbstmedikationsmarkt rückläufig, seit der Gesetzgeber dieses Arzneimittelsegment 2004 grundsätzlich aus dem Leistungskatalog der Krankenkassen herausgenommen hat. Gemeinsam mit den Apothekern habe man aber vieles unternommen, um das Vertrauen der Verbraucher in die Selbstmedikation zu stärken – etwa durch das Grüne Rezept. Wie schon Popp betonte auch Weiser, dass die inhabergeführte Apotheke mit ihrer umfassenden Kompetenz und ihrer Nähe zum Verbraucher ein wichtiger Kooperationspartner sei.
Pro Generika contra Wirkstoffverordnung
Wolfgang Späth, Vorstandsvorsitzender des Branchenverbands Pro Generika, erteilte der Wirkstoffverordnung eine klare Absage. Auch wenn er nachvollziehen könne, dass die Rabattverträge für die Apotheken einen hohen Beratungsaufwand bedeuten – die Wirkstoffverordnung sei keine zielführende Lösung. Erstens identifiziere der Patient „sein“ Arzneimittel nicht über den Wirkstoff. Er frage nach einer kleinen weißen Tablette mit Kerbe oder einer bestimmten Verpackung – vielleicht wisse er auch noch den Arzneimittelnamen. Der Wirkstoff sei ihm hingegen kaum geläufig. Der Beratungsbedarf würde somit nicht oder jedenfalls nicht wesentlich gesenkt. Außerdem: die Beratung sei die Domäne der Apotheke. Jeder Ansatz, der darauf abziele, die Beratungsarbeit zu reduzieren, schwäche die Stellung der Apotheke. Späth ist überzeugt: Eine Wirkstoffverordnung kann keiner wollen – und sie werde der zunehmenden Komplexität von Arzneimitteln nicht gerecht.
Der Phagro-Vorstandsvorsitzende Dr. Thomas Trümper zeigte sich erfreut, dass die Apotheken bei ihrer Vergütung Fortschritte erzielen konnten. Schließlich leisteten sie mit ihrer schnellen Versorgung vor Ort einiges – und zwar auch mithilfe des Großhandels. „Kranke Menschen können nicht warten, bis der Postmann am nächsten oder übernächsten Tag klingelt oder der Bus vorbeikommt“, so Trümper. Er verwies auch auf den Aufwand, den die Rabattverträge verursachen – aktuell gebe es 16.358 von ihnen. Und auch die Großhändler hätten damit zu kämpfen. Die Verträge sorgten für erhebliche interne Prozessumstellungen – auch wenn der Großhandel sich hierüber noch nie lautstark beschwert habe.
Birgit Fischer, Hauptgeschäftsführerin des Verbands der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) betonte – ebenso wie ihre Vorredner – die gute Zusammenarbeit mit den Apothekern beim Projekt securPharm. Für Apotheker, so Fischer, sei es besonders erfreulich, dass mit dem System nicht nur die europäischen Vorgaben der Richtlinie gegen Arzneimittelfälschungen in der legalen Lieferkette umgesetzt würden. Mit dem Data-Matrix-Code würde auch die Möglichkeit geschaffen, das Warenwirtschaftssystem der Apotheken effizienter zu gestalten.
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