Gesundheitspolitik

Mangelnde Therapietreue kostet Gesundheitssystem Milliarden

ABDA: Apotheker können und wollen Kostenreduzierung unterstützen

BERLIN (jz) | Laufend wird nach Möglichkeiten gesucht, die Kosten im deutschen Gesundheitssystem im Zaum zu halten oder gar zu minimieren. Das Marktforschungsinstitut IMS Health hat anhand verschiedener Daten errechnet, dass jährlich mehrere Milliarden Euro eingespart werden könnten – und das abseits von Zwangsabschlägen und Rabattverträgen, etwa wenn Medikamente richtig eingenommen würden. Demnach hätten hierzulande im Jahr 2011 rund 19 Milliarden Euro weniger ausgegeben werden können.

Das Institut identifizierte sechs Faktoren, die die Kosten reduzieren könnten. Am meisten könnte gespart werden, wenn die Patienten-Compliance besser wäre. Laut IMS hätten hierdurch 2011 Ausgaben in Höhe von 12,9 Milliarden Euro vermieden werden können. Überdies führten Fehlmedikationen zu unnötigen Mehrausgaben in Höhe von 1,8 Milliarden Euro. Ein verzögerter Therapiebeginn schlug mit vermeidbaren 1,6 Milliarden Euro zu Buche – ebenso viel kostete ein übermäßiger/missbräuchlicher Antibiotikaeinsatz. Schlechtes Medikationsmanagement bei Polymedikation führte zu vermeidbaren Kosten von einer Milliarde Euro und ein suboptimaler Generikaeinsatz zu 0,3 Milliarden Euro.

Diese Zahlen zeigten das „sehr große Einsparpotenzial, das unser Gesundheitssystem auf anderem Wege nur mit einer Fülle von Spargesetzen erreichen könnte, die letztlich nicht im Sinne einer guten Gesundheitsversorgung sein können“, sagte Frank Wartenberg, Präsident Zentraleuropa von IMS, dem „Handelsblatt“. Um Patienten künftig besser einzubinden, seien entsprechende IT-Systeme vonnöten, mit denen sich der Behandlungsprozess überwachen und steuern lasse. Des Weiteren könnten die Kosten laut IMS durch eine stärkere Einbindung der Apotheker in das Medikationsmanagement reduziert werden.

AOK-Chef zweifelt

Der geschäftsführende Vorstand des AOK-Bundesverbandes, Uwe Deh, kann die errechneten Ergebnisse nicht nachvollziehen. Die Zahlen seien auf der Basis von US-Daten errechnet, erklärte er dem „Handelsblatt“. Der AOK-Vorstand verweist stattdessen auf den Arzneiverordnungs-Report (AVR) – er habe Deutschland im Blick. Dieser Report, der Faktoren wie die Therapietreue von Patienten allerdings nicht berücksichtigt, bezifferte das Einsparpotenzial im deutschen GKV-Arzneimittelmarkt für das Jahr 2011 auf 3,1 Milliarden Euro. Aber auch der AVR ist nicht unumstritten, Jahr für Jahr kritisiert die Pharmaindustrie seine Methoden.

Apotheker wollen helfen

Die Apothekerschaft wiederum steht bereit, sie würde gerne dabei helfen, die durch Non-Compliance entstehenden vermeidbaren Kosten zu reduzieren: „Apotheker können viel dafür tun, die Einnahmetreue zu verbessern und damit auch die Gesundheitskosten zu senken“, erklärte ABDA-Präsident Friedemann Schmidt. Wenn Patienten Schwierigkeiten mit der Anwendung von Arzneimitteln hätten oder die Einnahme unbeabsichtigt vergäßen, könne der Apotheker Hilfestellungen anbieten. Immerhin nehme jeder Zweite seine Medikamente bei einer Langzeittherapie nicht wie vom Arzt vorgesehen ein. „Apotheker wollen die Arzneimittelanwendung in Zukunft langfristig begleiten“, so Schmidt. Das verbessere nicht nur die Einnahmetreue und damit das Therapieergebnis, sondern führe auch zu Einsparungen bei den Krankenkassen. In diesem Zusammenhang verweist Schmidt auf das ABDA-KBV-Modell, das Maßnahmen enthalte, wie Ärzte und Apotheker gemeinsam die Arzneimitteltherapie noch besser und preiswerter gestalten können. 

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