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Recht
Schnee und Eis halten Mieter und Vermieter in Atem
Grundsätzlich sind die Vermieter verpflichtet, vor ihren Gebäuden für einen rutschfreien Untergrund zu sorgen. In der Regel haben sie jedoch diese Pflicht – gesetzlich erlaubt – auf ihre Mieter übertragen, die schließlich "näher am Objekt" sind. Manchmal werden auch professionelle Räum- und Streudienste beauftragt. Passiert wegen Nachlässigkeit der Verpflichteten ein Unfall, so haben verletzte Passanten Anspruch auf Schadenersatz. Es sei denn, es kann ihnen nachgewiesen werden, dass sie selbst entscheidend dazu beigetragen haben, den Gehweg nicht unbeschadet passiert zu haben, etwa wegen unzureichenden Schuhwerks.
Die Gerichte haben sich in zahlreichen Fällen mit Schadenersatz- und Schmerzensgeldfällen aus diesem Bereich zu befassen gehabt. Eine Auswahl:
• Wer einen Eisbuckel "stehen" lässt, zahlt eine Geldstrafe. Lässt der Mitarbeiter eines professionellen Winterdienstes auf einem Bürgersteig einen Eisbuckel stehen, der durch festgetretenen Schnee entstanden ist, obwohl er ihn wahrgenommen hat, so muss er eine Geldstrafe wegen Körperverletzung zahlen, wenn kurz danach ein 83-jähriger Mann darüber stürzt und sich die Schulter bricht. 900 Euro musste der Mitarbeiter des Winterdienstes bezahlen. (AmG Berlin-Tiergarten, (277 Cs 3012 PLs 4836/10)
• Wer sich aufs Glatteis begibt, stürzt selbst verschuldet. Geht eine Mieterin im Winter über einen von ihrem Vermieter geräumten Ausweichweg zur Mülltonne, so kann sie von diesem weder Schadenersatz noch Schmerzensgeld verlangen, wenn sie auf dem Rückweg den vereisten üblichen Weg über den Innenhof wählt und stürzt. Ihr Mitverschulden liegt derart hoch, dass der Vermieter – wenn auch verkehrssicherungspflichtig für den Innenhof – nicht zahlen muss. Denn sie habe "durch ihr eigenes Verhalten die Gefahr des Schadeneintritts wesentlich erhöht". (AmG München, 212 C 12366/12)
• Winterdienst nur für Erdgeschossbewohner ist kein Muss. Mietverträge enthalten häufig Klauseln, die die Reinigung der Treppenhäuser und die Modalitäten des Winterdienstes regeln. Diese Vereinbarung ist grundsätzlich nicht verwerflich, es sei denn, dass einzelne Mieter unangemessen benachteiligt werden. Werden zum Beispiel nur die Erdgeschossbewohner zur Verrichtung des Winterdienstes verpflichtet, so bedeutet das für die Betroffenen eine erhebliche zusätzliche Verpflichtung mit hohen Haftungsrisiken, die zudem in Fällen der Abwesenheit mit einer Vertretungsorganisation einhergeht. Findet sich niemand zum Schnee schaufeln, muss der Vermieter selber ran. Wichtig für bestehende Mietverträge: Auch wenn die Mieter schon seit Jahren ihren Winterdienst verrichten, kann der Vermieter hieraus kein Gewohnheitsrecht ableiten. (AmG Köln, 221 C 170/11)
• Eine gefrorene Pfütze macht noch keinen Winter. Eine Postzustellerin hatte eine Postkarte eingeworfen und kam auf dem Weg zu ihrem Auto auf einer Eisfläche zu Fall. Hierbei zog sie sich erhebliche Verletzungen zu, so dass sie die Hausbesitzerin auf Zahlung von Schmerzensgeld und Schadenersatz verklagte. Die Beschuldigte bestritt hingegen die Verletzung ihrer Räum- und Streupflicht, da kein Schnee gefallen und auch sonst kein erkennbarer Anlass für ein vorbeugendes Streuen gegeben gewesen sei. Die Richter des Bundesgerichtshofes folgten der Argumentation der Hausbesitzerin, da die Räum- und Streupflicht eine allgemeine Glätte und nicht nur einzelne Glättestellen voraussetze. Selbst wenn diese am Unfalltag vorgelegen hätten, musste sie nicht mit einer Briefzustellung an einem Sonntagvormittag rechnen und damit keine vorsorglichen Maßnahmen gegen mögliche Glättebildung einleiten. (BGH, VI ZR 138/11)
• Solider Nachbar muss nicht ständig kontrolliert werden. Eine Frau war auf einem spiegelglatten Gehweg ausgerutscht und hatte sich einen Dauerschaden am Ellenbogengelenk zugezogen. Sie verlangte Schadenersatz und Schmerzensgeld von dem Grundstücksbesitzer, da dieser seiner Räumpflicht nicht nachgekommen war. Der Beschuldigte lehnte die Forderung ab, weil er zu der genannten Zeit im Urlaub gewesen sei und den Streudienst seinem Nachbarn übertragen habe. Hierdurch war er "aus dem Schneider", denn ein Hausbesitzer könne grundsätzlich seine Kehrpflichten auf Dritte übertragen. Trotz seiner Pflicht zur Kontrolle konnte der Beschuldigte auf die ordnungsgemäße Räumung durch den Nachbarn vertrauen, da dieser schon seit 15 Jahren ohne Beanstandung den Nachbarschaftsdienst übernommen hatte. Die Gestürzte habe die "falsche" Person verklagt; gegebenenfalls war der Vertreter ersatzpflichtig. (Schleswig-Holsteinisches OLG, 11 U 137/11)
• Wenn eine tropfende Regenrinne zum Glatteis führt. Stürzt eine Passantin vor einem Haus, so ist der Eigentümer der Immobilie nicht schadenersatzpflichtig, wenn der Sturz auf dem Glatteis "erst längere Zeit nach dem Ende der Streupflicht eingetreten" ist. Ein solcher Sachverhalt entspreche "nicht mehr einem typischen Geschehensablauf", so das Oberlandesgericht Koblenz, "der nach der Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache hinweist". Im konkreten Fall lief Regenwasser aus einem defekten Dachkanalbereich an einem Regenrohr vorbei auf den Gehweg, wo sich Glatteis bildete, auf dem die Frau dann ausrutschte. Es handele sich dabei nicht um die typische Gefahr, die mit dem Einsturz oder der Ablösung eines Gebäudeteils verbunden sei. (OLG Koblenz, 2 U 449/09)
• Solls ein Gewerblicher sein, muss er haftpflichtversichert sein. Ein Vermieter kann den Winterdienst vor seiner Haustür selbst übernehmen, einem seiner Mieter übertragen oder ein gewerblich tätiges Unternehmen einschalten. Für diesen dritten Fall aber ist er (so das Straßenreinigungsgesetz der Stadt Dortmund) zum Nachweis verpflichtet, dass die Winterdienstfirma eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen hat. Das Gegenargument eines Grundstückseigentümers, weder er noch ein beauftragter Mieter müssten diese Versicherung nachweisen, wies das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen zurück: In beiden Fällen stehe der Eigentümer auch ohne Versicherung in der Pflicht, etwaige Schadenersatzansprüche zu befriedigen. Das sei aber bei der Beauftragung einer professionellen Firma nicht mehr der Fall. Und für den Fall der Fälle, dass dieses Unternehmen einen Schaden verursache, dürfe kein Passant finanziell im Schnee stecken bleiben ... (VwG Gelsenkirchen, 14 K 358/08)
Auf Privatwegen genügt eine "Ein-Personen-Breite"
Bei der Räum- und Streupflicht auf Gehwegen sind insbesondere die Verkehrsbedeutung des Weges "und der Umfang dessen üblicher Benutzung" zu berücksichtigen. Daher ist auf einem nur wenige Male am Tag benutzten Zugangsweg zu einer Wohnung auf einem Privatgrundstück nur eine Durchgangsbreite erforderlich, "die für die Begehung durch eine Person ausreicht". So entschieden vom Oberlandesgericht Naumburg. Ist ein solcher Weg erkennbar nicht ausreichend gestreut worden, so hat sich ein "sorgfältiger" Fußgänger darauf einzustellen. Tut er das nicht, so ist ihm, kommt es zu einem Unfall, zumindest ein Mitverschulden anzulasten, zumal "nach der Lebenserfahrung Unfälle infolge Winterglätte auch auf gestreuten beziehungsweise von Schnee geräumten Wegen nicht auszuschließen" sind. (OLG Naumburg, 10 U 44/11)
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