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Apothekennotdienstsicherstellungsgesetz

Dr. Benjamin Wessinger, Chefredakteur der DAZ

Dieses Wortungetüm – für das extra eine zweizeilige Überschrift für die Seite 3 gemacht werden musste – ist die neueste Idee des Bundesgesundheitsministers, um die versprochene Notdienstpauschale doch noch umzusetzen.

Wer gedacht hatte, mit dem Vorschlag, die Notdienstpauschale über eine Erhöhung des Fixhonorars von 16 Cent zu finanzieren, dieses zusätzliche Geld aber gleich wieder einzusammeln und in einen neu zu schaffenden Fonds einzuzahlen, sei der Gipfel der Umständlichkeit erreicht, hat sich getäuscht. Denn das Apothekennotdienstsicherstellungsgesetz (ANSG) wird, wenn es eingeführt wird, alles noch komplizierter machen.

Das Problem in aller Kürze (so kurz man das eben darstellen kann) ist folgendes: Während die 16 Cent für die Notdienstpauschale bei allen zulasten der GKV abgegebenen Packungen relativ einfach von den Rechenzentren "eingesammelt" werden könnten, müsste bei allen vom Patienten selbst bezahlten verschreibungspflichtigen Arzneimitteln die Apotheke die 16 Cent kassieren und dann an den Notdienst-Fonds abführen. Wer aber soll kontrollieren, ob die Apotheke wirklich für alle abgegebenen Packungen den Notdienst-Groschen abführt?

Die Lösung des Ministeriums: das könnte doch der Deutsche Apothekerverband machen.

Aber kann er das wirklich? Wie darf man sich das vorstellen? Kommt der Prüfer des zuständigen Landesapothekerverbands in die Apotheke und prüft die Bücher, um festzustellen, ob genug bezahlt wurde? Darf der Prüfer die Daten aus der Kasse einsehen? Wie wird gewährleistet, dass dabei der Datenschutz beachtet wird? Und was passiert, wenn ein Apotheker die Kontrolle verweigert? Ruft der Verbands-Prüfer dann die Polizei? Oder bekommt dieser Apotheker keine Notdienstvergütung?

Nur zur Erinnerung: Die Apothekerverbände sind eingetragene Vereine, keine Behörden. Und längst nicht alle Apotheken sind Mitglied in einem Apothekerverband.

Ein weiteres, nicht zu unterschätzendes Problem: Was ist mit den Kosten, die für die Prüfungen und für die Verwaltung des Fonds beim DAV und den Landesverbänden anfallen? Realistischerweise werden diese wohl aus dem Fonds selbst finanziert werden müssen – und schmälern so die Notdienstvergütung.

Offen bleibt auch eine ganz entscheidende Frage: Wie hoch wird denn der Zuschuss zu den Notdienstkosten sein? Die Antwort: Das kommt darauf an! Nämlich darauf, wie viel Geld im Fonds ist, und das wiederum hängt davon ab, wie viele Packungen abgegeben wurden – werden viele Rezepte eingelöst, ist ein Notdienst also mehr wert als in einem Quartal mit niedrigeren Rezeptzahlen.

Man kann also sagen: Eine Gesetzesidee, die nichts einfacher macht aber vieles viel komplizierter. Aber das ist gar nicht der Kern des Problems.

Das eigentlich Empörende ist doch: Daniel Bahr – nicht irgendein Hinterbänkler oder Oppositions-politiker, der sich über die Konsequenzen seiner Äußerungen keine Gedanken machen muss, weil sie sowieso nicht umgesetzt werden, sondern ein waschechter Bundesminister! – verspricht auf dem Apothekertag eine Notdienstgebühr in Höhe von 120 Millionen Euro und hat nicht die geringste Ahnung oder Idee, wer das Geld genau bekommen soll, wie es verteilt werden soll, geschweige denn, wo es herkommen soll.

Bis vor einigen Jahren war das Apothekenhonorar so bemessen, dass die Gemeinwohlpflichten der Apotheker aus diesem Honorar mitfinanziert wurden. Als "Entschädigung" für Pflichten wie zum Beispiel den Notdienst gewährte der Gesetzgeber den Apotheken Privilegien, zum Beispiel eine Preisbindung mit einer auskömmlichen Marge. Dieses System wurde langsam aber sicher abgebaut, nicht zuletzt durch die ausgebliebenen Honoraranpassungen bis 2013.

Wenn heute das Honorar für Apotheken nicht mehr ausreicht, um die Gemeinwohlpflichten zu finanzieren, könnte man das Honorar erhöhen – wie mit den 16 Cent jetzt ja auch vorgeschlagen – oder zusätzliche Honorierungsmodelle einführen – wie mit der versprochenen Notdienstpauschale.

Beides hat seinen Sinn, seine Vor- und Nachteile. Nur mischen sollte man die beiden Elemente besser nicht, das führt zu unpraktikablen und bürokratischen Gesetzesentwürfen.


Benjamin Wessinger



DAZ 2013, Nr. 11, S. 3

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