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Arzneimittel und Therapie
Vitamin D und das Allergierisiko
Die bisher vorliegenden Daten verschiedener Kohortenstudien sind allerdings widersprüchlich [5 – 7]. Einerseits ist ein niedriger 25-OH-D-Status bei Kindern mit einer erhöhten Rate an atopischen Erkrankungen im Alter von sechs und 14 Jahren assoziiert sowie einem erhöhten Schweregrad der atopischen Dermatitis im Alter von acht Monaten und zwölf Jahren [8, 9]. In der Schwangerschaft sind niedrige maternale 25-OH-D-Spiegel mit einem erhöhten Risiko für atopische Dermatitis sowie einem erhöhten Schweregrad der allergischen Rhinitis und allergischem Asthma beim Kind vergesellschaftet [10, 11]. Andererseits scheinen hohe 25-OH-D-Spiegel – insbesondere in Folge einer Supplementierung von Vitamin D – das Risiko allergischer Erkrankungen zu erhöhen. Kinder von Müttern mit einem 25-OH-D-Spiegel > 30 ng/ml hatten eine höhere Wahrscheinlichkeit, eine atopische Dermatitis zu entwickeln, als solche von Müttern mit einem 25-OH-D-Spiegel < 10 ng/ml [12, 13]. Die Supplementierung von Vitamin D in der frühen Kindheit scheint mit einem erhöhten Risiko für Nahrungsmittelallergien, allergischer Rhinitis und allergischem Asthma bei Kindern und Erwachsenen verbunden zu sein [14]. Bemerkenswert ist, dass in einer prospektiven Kohortenstudie mit 4089 Neugeborenen das Allergierisiko sogar zweifach erhöht war, wenn die Vitamine A und D in wasserlöslicher Form, jedoch nicht in fettlöslicher Form supplementiert wurden [15].
Aktuelle Daten
Die Ergebnisse einer aktuellen Kohortenstudie aus Deutschland bringen nun erneut hohe Vitamin-D-Spiegel im Blut von Schwangeren und Neugeborenen mit einer gesteigerten Rate von Nahrungsmittelallergien im Alter von zwei Jahren in Verbindung. In die "Lifestyle and environmental factors and their Influence on Newborns Allergy risk (LINA)"-Studie sind 622 Mütter mit 629 Kindern eingebunden, die zwischen 2006 und 2008 am Städtischen Klinikum St. Georg in Leipzig rekrutiert und seither regelmäßig nachuntersucht werden [16]. In der Klinik wurde dazu der 25-Hydroxy-Vitamin-D-Status der Mutter und bei Geburt auch aus der Nabelschnur der Kinder bei 378 Mutter-Kind-Pärchen gemessen. Die Forscher verglichen den 25-OH-D-Status mit den Angaben der Mütter zum Auftreten von allergischen Erkrankungen während der ersten beiden Lebensjahre bei ihren Kindern. Der mediane maternale 25-OH-D-Status lag bei 22,19 ng/ml und der mediane 25-OH-D-Status im Nabelschnurblut lag bei 10,95 ng/ml. Eine hohe jahreszeitenabhängige Korrelation konnte sowohl im maternalen Blut als auch im Blut der Nabelschnur beobachtet werden. Von allen schwangeren Frauen hatten 44,4% einen defizitären (< 20 ng/ml), 25,7% einen insuffizienten (20 bis 29 ng/ml) und 29,9% einen normalen (> 30 ng/ml) 25-OH-D-Status. Nur sieben Mütter erhielten während der Schwangerschaft Vitamin-D-Supplemente. Dabei unterschied sich der mediane 25-OH-D-Status nicht zwischen den Frauen, die supplementierten, und denjenigen, die kein Vitamin D eingenommen hatten.
Der maternale 25-OH-D-Status und der 25-OH-D-Status der Nabelschnur korrelierten mit dem Risiko des Kindes, in den ersten beiden Jahren eine Nahrungsmittelallergie zu entwickeln. Zudem war ein hoher maternaler 25-OH-D-Status mit einer erhöhten Sensitivität auf Nahrungsmittelallergene im Alter von zwei Jahren verbunden. Der 25-OH-D-Status korrelierte zusätzlich mit einer erhöhten Konzentration an spezifischem Immunglobulin E gegenüber Nahrungsmittelallergenen (z. B. Milcheiweiß) im Blut der zweijährigen Kinder. Die Anzahl der regulatorischen T-Zellen korrelierte negativ mit dem 25-OH-D-Status in der Nabelschnur. Regulatorische T-Zellen haben unter anderem die Aufgabe, eine Überreaktion des Immunsystems auf Allergene zu verhindern. Aufgrund dieser Ergebnisse raten die Autoren der LINA-Studie Schwangeren von der Supplementierung von Vitamin D ab [16].
Bedeutung von Vitamin D für die frühkindliche Entwicklung
Der pauschalen Empfehlung, schwangeren Frauen von der Einnahme von Vitamin-D-Präparaten abzuraten, möchten wir an dieser Stelle entschieden widersprechen. Vitamin D spielt in der Schwangerschaft und bei der frühkindlichen Entwicklung eine zentrale Rolle. Das Sonnenvitamin unterstützt zum einen die Implantation der befruchteten Eizelle und das fetale Wachstum durch die Bereitstellung von Calcium und reguliert zum anderen multiple plazentare Hormone und proinflammatorische Zytokine [17]. Vor der Geburt ist das Kind ganz auf die maternale Versorgung mit Vitamin D angewiesen. Eine unzureichende Versorgung mit Vitamin D der Mutter ist mit einer signifikanten Abnahme der Knochenmineralisation beim Kind assoziiert, die Studien zufolge bis zu neun Jahre nach der Geburt noch persistieren kann [18, 19]. Ein Vitamin-D-Mangel im weiblichen Organismus ist mit einem Ungleichgewicht zwischen den Th1 und Th2-Helferzellen assoziiert, wodurch möglicherweise das Risiko einer Abstoßungsreaktion erhöht wird [20, 21]. Ein Vitamin-D-Mangel im Mutterleib kann zu Wachstumsstörungen führen, die im späteren Alter nicht mehr komplett kompensiert werden können [22]. In einer randomisierten, kontrollierten Studie von Hollis konnte gezeigt werden, dass in der Schwangerschaft eine Supplementierung von 4000 I.E. Vitamin D pro Tag notwendig ist, um bei Schwangeren 25-OH-D-Spiegel von etwa 100 nmol/l bzw. 40 ng/ml zu erreichen. Dieser Spiegel war bei Schwangeren mit einem optimalen 1,25-Dihydroxyvitamin D (Calcitriol)-Spiegel verbunden. 1,25-Dihydroxyvitamin D aktiviert Vitamin-D-Rezeptoren, über die die Expression von Genen reguliert werden, die für eine gesunde Entwicklung des Fetus notwendig sind [22a].
Weitere Studien
Eine aktuelle australische Studie untersuchte den Zusammenhang zwischen der Vitamin-D-Exposition in utero und dem Auftreten von allergischen Erkrankungen im ersten Lebensjahr. Dabei wurde der 25-OH-D-Status im Nabelschnurblut von 231 Kindern mit dem maternalen Vitamin-D-Spiegel verglichen. Die maternale Supplementierung von Vitamin D korrelierte signifikant mit dem 25-OH-D-Status im Nabelschnurblut (p = 0,003). Es bestand eine signifikante Jahreszeitenabhängigkeit der 25-OH-D-Konzentration im Nabelschnurblut, so dass die maternale UV-Licht-Exposition einen wichtigen Einflussfaktor darstellte. Ein niedriger Vitamin-D-Status im Nabelschnurblut wurde bei Kindern beobachtet, die ein Ekzem entwickelten. Die Wahrscheinlichkeit, ein Ekzem zu entwickeln, war bei einem Vitamin-D-Status < 50 nmol/l gegenüber einem Spiegel ≥ 75 nmol/l etwa 2,7-fach erhöht. Nach den Autoren ist ein unzureichender Vitamin-D-Status (25-OH-D < 50 nmol/l bzw. 20 ng/ml) in der Schwangerschaft ein Risikofaktor für die Entwicklung einer atopischen Dermatitis im ersten Lebensjahr [23].
Die Ergebnisse der neuesten, noch unveröffentlichten Studie aus Australien mit 5276 Kindern geben nun die erste direkte Evidenz dafür, dass eine ausreichende Vitamin-D-Versorgung in der Schwangerschaft ein wichtiger protektiver Faktor ist, um Nahrungsmittelallergien bei Kindern im ersten Lebensjahr vorzubeugen [24]. Ausgewertet wurden die Blutproben von 577 Kindern: 344 Kinder mit nachgewiesener Nahrungsmittelallergie, 74 sensitive, aber tolerante Kinder und 159 Kinder, die im Prick-Test keine Nahrungsmit-telunverträglichkeit zeigten. Kinder von in Australien geborenen Eltern mit einer Vitamin-D-Insuffizienz (≤ 50 nmol/l bzw. 20 ng/ml) hatten dabei ein signifikant erhöhtes Risiko für Nahrungsmittelallergien gegen Erdnüsse (adjusted odds ratio [aOR], 11,51; 95% CI, 2,01 bis 65,79; p = 0.006) und/oder Eier (aOR, 3,79; 95% CI, 1,19 bis 12,08; p = 0,025). Zudem war die Wahrscheinlichkeit, multiple Nahrungsmittelallergien (≥ 2) zu entwickeln, deutlich höher, als eine Allergie gegenüber einem Nahrungsmittel.
Bemerkenswert sind auch die Ergebnisse einer aktuellen doppelblinden, randomisierten Interventionsstudie an 60 Kindern mit Neurodermitis. Die Supplementierung von 1600 I.E. Vitamin D pro Tag führte in einem Zeitraum von zwei Monaten zu einer dramatischen Verbesserung des Hautbildes [25].
In einer aktuellen Kohortenstudie an 30.000 Schwangeren wurden der maternale 25-OH-D-Status und das Risiko für Typ-1-Diabetes bei den Kindern untersucht. Das Risiko für Kinder von Müttern mit niedrigem Vitamin D-Status (< 54 nmol/l) gegenüber Müttern mit dem höchsten Vitamin-D-Status (> 89 nmol/l), an Typ-1-Diabetes zu erkranken, war zweifach erhöht [26]. Die regelmäßige Gabe von 2000 I.E. Vitamin D pro Tag im ersten Lebensjahr führte in einer Studie mit über 10.000 Kindern zu einer 88%igen Reduktion des Risikos, im späteren Leben an Typ-1-Diabetes zu erkranken, gegenüber den Kindern, die kein Vitamin D supplementierten [27].
Fazit: In der Schwangerschaft sollte in jedem Fall auf eine adäquate Versorgung mit Vitamin D geachtet werden – egal ob über die Sonne auf natürlichem Wege oder über entsprechende Supplemente.
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Uwe Gröber, Essen; Dr. William Grant, San Francisco, USA; Prof. Dr. Michael F. Holick, Boston, USA
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