Interpharm 2013

Internetvertriebsplattformen für Apotheken

(jz). Seit der Zulassung des Versandhandels gibt es eine gewisse Unruhe im deutschen Apothekenmarkt. Eine Reihe von innovativen Online-Offline-Geschäftsmodellen sorgt für Aufmerksamkeit. Professor Dr. Elmar Mand, Universität Marburg, erläuterte im Rahmen des ApothekenRechtTags, weshalb er dennoch nicht an einen großen Umbruch im Bereich der Botendienst- und Zustellmodelle glaubt: Internetvertriebsplattformen für Apotheken seien zwar durchaus realisierbare Geschäftsmodelle – doch die Ausgestaltung im Einzelfall unterliege rechtlich engen Grenzen.
Sieht rechtliche Probleme bei den neuen Lieferdienst-Konzepten: Prof. Elmar Mand, Marburg.

Zu den wohl bekanntesten jüngeren Internetplattformen zählen ordermed bzw. orderLinda, VitaBote und seit neuestem dedendo. Letztere beruht auf einer Zusammenarbeit mit vivesco und orientiert sich am Internetverkaufsportal zalando. Dabei werden Kunden vom Internetbetreiber an Apotheken vermittelt, die ihrerseits in ihrem jeweiligen Bezirk diese Kunden mit Arzneimitteln beliefern. Markant an diesem Konzept ist die zentrale Bewerbung eines Spitzensortiments durch die Internetplattform: Bereits auf der Startseite, noch bevor der Kunde auf die Seite einer einzelnen Apotheke gelangt, werden Arzneimittel angepriesen, die entsprechend der dedendo-Vertriebspolitik vorgegeben und periodisch aktualisiert werden – ohne Einfluss der einzelnen Apotheken.

Botendienst nur im Einzelfall

Der Gesetzgeber hat auch im Rahmen der jüngsten Novellierung der Apothekenbetriebsordnung daran festgehalten, dass der Botendienst nur im Einzelfall erfolgen darf. Vertraglich ist beim dedendo-Konzept daher festgehalten, dass die Einnahmen über die Plattform nicht die "Haupteinnahmequelle der einzelnen Apotheke" darstelle. "Das reicht sicher nicht aus, um das gesetzliche Einzelfallerfordernis zu erfüllen", glaubt Mand jedoch. Damit bleibe dedendo hinter den Vorgaben der Apothekenbetriebsordnung zurück, zumal die Präsentation der Plattform darauf abziele, den Botendienst als apothekenrechtliche Regelversorgung darzustellen.

Umsatzbeteiligung unzulässig

Von Bedeutung für die rechtliche Bewertung ist auch § 8 Satz 2 Apothekengesetz: Danach sind Beteiligungen an einer Apotheke in Form einer Stillen Gesellschaft oder Vereinbarungen, bei denen die Vergütung für dem Erlaubnisinhaber gewährte Darlehen oder sonst überlassene Vermögenswerte am Umsatz oder am Gewinn der Apotheke ausgerichtet ist – insbesondere auch am Umsatz oder Gewinn ausgerichtete Mietverträge – unzulässig. Das Verbot soll verhindern, dass sogenannte partiarische Rechtsverhältnisse die wirtschaftliche und pharmazeutische Unabhängigkeit des Apothekers beeinträchtigen. Die Regelungen sind Ausdruck des in Deutschland geltenden Fremdbesitzverbots bei Apotheken.

Das Landgericht Hamburg hat einen Verstoß in Bezug auf das Konzept VitaBote dennoch mit der Begründung abgelehnt, Internet-Verkaufsplattformen begründeten keine "versteckte" gesellschaftsrechtliche Beteiligung an Apotheken, sondern beruhten auf einem von Wortlaut und Zweck des § 8 Satz 2 ApoG nicht erfassten Dienstleistungsverhältnis. Auch Mand stuft die Vereinbarung nicht als Stille Gesellschaft ein. Er hat gleichwohl keine Zweifel, dass es sich bei Vertriebsformen wie dedendo um partiarische Rechtsverhältnisse handelt und damit ein Verstoß gegen geltendes Apothekenrecht vorliegt, da virtuelle Verkaufsflächen ebenso wie die Vermietung von realen Verkaufsräumen unter § 8 Satz 2 ApoG zu subsumieren sind.

Unabhängigkeit gefährdet

Bedenken äußert Mand außerdem im Zusammenhang mit dem vom Apotheker bereitzuhaltenden Spitzensortiment: Nach § 10 ApoG darf sich der Erlaubnisinhaber nicht verpflichten, bestimmte Arzneimittel ausschließlich oder bevorzugt anzubieten oder abzugeben oder anderweitig die Auswahl der von ihm abzugebenden Arzneimittel auf das Angebot bestimmter Hersteller oder Händler oder von Gruppen von solchen zu beschränken. Der Sinn der Regelung ist der, dass der Apotheker sich nicht in wirtschaftliche Abhängigkeit von pharmazeutischen Herstellern oder Händlern begeben soll, um Wirkungen, Risiken und Wirtschaftlichkeit von Arzneimitteln neutral, nach dem Stand von Wissenschaft und Technik zu bewerten.

Absatzmarketing für Rx-Arzneimittel tabu

Durch Konzepte wie dedendo & Co. werde also die wirtschaftliche und auch pharmazeutische Unabhängigkeit des Apothekers unzulässig eingeschränkt, so Mand, weshalb er zudem einen Verstoß gegen § 7 ApoG bejaht. Diese Vorschrift mit dem Erfordernis der persönlichen Leitung der Apotheke durch den Apothekenleiter ist die Grundlage des Leitbildes des "Apothekers in seiner Apotheke". Die Konzepte kollidieren wegen der partiarischen Teilhabe an der Rx-Vergütung auch mit den Wertungen des § 78 AMG. Denn ebenso wenig wie Apotheken den Verbrauchern Preisnachlässe auf einzelne Rx-Arzneimittel geben dürfen, dürfen sie Dritte gegen eine Vergütung in das Absatzmarketing einzelner Rx-Arzneimittel einbinden, um Wettbewerbsvorteile gegenüber Mitbewerbern zu erzielen.

Angekündigter Umbruch bleibt aus

Folgt man den Ausführungen Mands, dürfte der angepriesene grundlegende Umbruch des Apothekenmarktes durch neue Vertriebsplattformen wohl ausbleiben. Denn auch wenn Internet-Vertriebsplattformen für Apotheken unter Einbeziehung apothekenfremder Dritter nicht per se rechtswidrig sind, so setzen doch die Vorgaben des Apothekenrechts der konkreten vertraglichen Ausgestaltung solcher Vertriebskooperationen enge Grenzen. Eine rechtlich unbedenkliche Alternative sind Gesundheitsportale wie z. B. apotheken.de, bei denen die einzelne Apotheke unmittelbar mit (potenziellen) Kunden in Kontakt tritt und einen Botendienst oder Zustellservice anbietet.



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