Arzneimittel und Therapie

Frauen in der Postmenopause profitieren

Die Langzeiteinnahme niedrig dosierter Acetylsalicylsäure besitzt hohe Relevanz in der Sekundärprävention von Herz-Kreislauf-Krankheiten. Doch auch chemopräventive Effekte von ASS gelangen zunehmend in den Fokus medizinischen Interesses. Daten der Observationsstudie Women’s Health Initiative (WHI) zeigen, dass die regelmäßige Einnahme von ASS einen protektiven Einfluss auf die Melanomentstehung bei postmenopausalen Frauen besitzt.

Weltweit steigt die Anzahl an kutanen Melanomen in der Bevölkerung. Vornehmlich hellhäutige Menschen sind hiervon betroffen, da niedrig pigmentierte Haut als Hauptrisikofaktor für die Entwicklung eines Melanoms gilt [1].

Die Langzeiteinnahme von Acetylsalicylsäure (ASS, Asprin®) bzw. weiterer Arzneistoffe der nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) zeigte bereits in klinischen Studien einen präventiven Effekt auf die Entstehung unterschiedlicher Krebsarten, wie Magen-, Kolorektal- oder Brustkrebs [2 – 4]. Die Reduktion der Krebsinzidenz wird auf die Hemmung des Enzyms Cyclooxygenase Typ 2 (COX-2) zurückgeführt, welches in Tumorzellen vermehrt exprimiert wird, sowie auf die Blockade des pro-inflammatorischen Transkriptionsfaktors NFκB, dessen anti-apoptotische Wirkung ein Tumorwachstum begünstigen kann [5, 6].

Im Cancer Journal haben Wissenschaftler der Stanford University School of Medicine nun den Einfluss von ASS und anderer NSAR auf das Melanomrisiko untersucht [7]. Hierzu wurden Daten der Women’s Health Initiative (WHI) Observationsstudie herangezogen, deren Ziel es war, neue Indikatoren und Biomarker zu charakterisieren, die mit einem erhöhten Krankheitsrisiko in postmenopausalen Frauen assoziiert sind. Hierfür wurden zwischen 1993 und 1998 in den USA landesweit 93.676 Frauen im Alter von 50 bis 79 Jahren zu demographischen, medizinischen und sozialen Daten befragt und anschließend über einen Zeitraum von zwölf Jahren (Median) beobachtet sowie medizinisch betreut [8]. Aufgrund der überwiegenden Anzahl an Melanomen in der hellhäutigen Bevölkerung wurde die Auswertung der Angaben auf ethnisch kaukasische Frauen beschränkt, sodass die finale Datenlage 59.806 Studienteilnehmerinnen umfasste. Bezüglich des Medikationsprofils wurden die Teilnehmerinnen in verschiedene Gruppen klassifiziert. Neben Frauen, die nicht regelmäßig NSAR einnahmen (n = 35.529), verteilten sich die restlichen Probandinnen in solche, die wenigstens zweimal wöchentlich Acetylsalicylsäure einnahmen (n = 15.089), sowie Frauen, die eine Langzeiteinnahme ausschließlich anderer NSAR (n = 9188) bestätigten. Der primäre Endpunkt der Studie lag im zeitlichen Abstand von Studienantritt bis zur Ausbildung eines kutanen Melanoms. Hierbei wurden die Resultate der hautärztlichen Untersuchung jährlich aktualisiert und weitere Risikofaktoren für eine Melanomentwicklung, wie beispielsweise Alter und Sonnenexposition, bei der Auswertung berücksichtigt.


Zusammenhang zwischen Langzeiteinnahme von NSAR und Melanominzidenz in der WHI-Observationsstudie [7].

Medikation
Anzahl Melanome im jeweiligen Gruppenkollektiv
Inzidenz pro
105 Personenjahre
Hazard Ratio
(95% KI)
keine NSAR-Nutzung
344/35.529
87,1
1,00 (Referenz)
ASS-Nutzung
115/15.089
69,8
0,79 (0,63 – 0,98)
NSAR-Nutzung
(ausgenommen ASS)
89/9188
87,9
1,05 (0,83 – 1,34)

Nach einer Verlaufskontrolle von zwölf Jahren (Median) zeigte die Gruppe mit regelmäßiger ASS-Nutzung ein um 21% (HR, 0,79; 95% KI, 0,63 bis 0,98) verringertes Risiko, ein Melanom zu entwickeln. Dieser Effekt steigerte sich zudem mit der Medikationsdauer. Lag das Risiko nach weniger als einem Jahr um etwa 11% niedriger, sank das Risiko nach fünf Jahren um 30%. Im Gegensatz dazu zeigte die Einnahme anderer NSAR keinen protektiven Effekt auf das Melanomrisiko. Die Überlegenheit von ASS gegenüber anderen NSAR erklären die Autoren damit, dass trotz pharmakologischer Gemeinsamkeiten der Substanzen Unterschiede in den jeweiligen Signalwegen bestehen, die für die Chemoprävention eine Rolle spielen [9 – 10].


Tipps für die Praxis


Obwohl die Resultate einer reinen Beobachtungsstudie entstammen, lohnt es sich doch, besonders hellhäutige Patienten mit erhöhtem Melanomrisiko bzw. Melanomhistorie und länger dauernder NSAR-Behandlung auf die chemopräventiven Eigenschaften von Acetylsalicylsäure aufmerksam zu machen und gegebenenfalls gemeinsam mit dem behandelnden Arzt zu beobachten.


Trotz der vielversprechenden Resultate liegt ein genereller Nachteil der Studie insbesondere im Datenmaterial, welches sich ausschließlich auf Befragungen der Probandinnen stützt. Daher räumen die Autoren ein, keine Aussage treffen zu können, welche Dosis vonnöten sei, einen chemopräventiven Effekt zu erzielen. Schließlich gehen mit einer dauerhaften Einnahme von höher dosierter Acetylsalicylsäure auch unerwünschte Arzneimittelwirkungen wie Ulcerationen und erhöhtes Blutungsrisiko einher. Klinische Langzeitstudien an Risikogruppen für Melanome sind daher in Planung, um das vorläufige Ergebnis zu bestätigen.


Zum Weiterlesen


Chemoprävention mit ASS: Schutz vor Krebs und Fernmetastasen möglich.

DAZ 2012, Nr. 13, S. 35– 36.



Quelle

[1] Jemal A, Saraiya M, Patel P et al. Recent trends in cutaneous melanoma incidence and death rates in the United States, 1992-2006. J Am Acad Dermatol. 2011; 65 (5 suppl 1): 17-25.e3.

[2] Tian W, Zhao Y, Liu S et al. Meta-analysis on the relationship between nonsteroidal anti-inflammatory drug use and gastric cancer. Eur J Cancer Prev. 2010; 19: 288 – 298.

[3] Rothwell PM, Wilson M, Elwin CE et al. Long-term effect of aspirin on colorectal cancer incidence and mortality: 20-year follow-up of 5 randomised trials. Lancet. 2010; 376: 1741 – 1750.

[4] Harris RE, Chlebowski RT, Jackson RD et al. Breast cancer and nonsteroidal anti-inflammatory drugs: prospective results from the Women’s Health Initiative. Cancer Res. 2003; 63: 6096 – 6101.

[5] Becker MR, Siegelin MD, Rompel R et al. COX-2 expression in malignant melanoma: a novel prognostic marker? Melanoma Res. 2009; 19: 8 – 16.

[6] Takada Y, Bhardwaj A, Potdar P et al. Nonsteroidal anti-inflammatory agents differ in their ability to suppress NF-kappaB activation, inhibition of expression of cyclooxygenase-2 and cyclin D1, and abrogation of tumor cell proliferation. Oncogene. 2004; 23: 9247 – 9258.

[7] Gamba CA, Swetter SM, Stefanick ML et al. Aspirin is associated with lower melanoma risk among postmenopausal Caucasian women. Cancer. 2013, doi: 10.1002/cncr. 27817.

[8] Design of the Women’s Health Initiative clinical trial and observational study. The Women’s Health Initiative Study Group. Control Clin Trials. 1998; 19: 61 – 109.

[9] Bardia A, Ebbert JO, Vierkant RA et al. Association of aspirin and non-aspirin nonsteroidal anti-inflammatory drugs with cancer incidence and mortality. J Natl Cancer Inst. 2007; 99: 881 – 889.

[10] Vad NM, Yount G, Moridani MY. Biochemical mechanism of acetylsalicylic acid (aspirin) selective toxicity toward melanoma cell lines. Melanoma Res. 2008; 18: 386 – 399.


Apotheker Andre Said



DAZ 2013, Nr. 15, S. 22

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