DAZ aktuell

Gericht bestätigt Bestandsmarkt-Nutzenbewertung

POTSDAM (ks/jz). Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hat am 15. Mai die beiden Klagen der Novartis Pharma GmbH gegen den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) wegen des Aufrufs seiner Gliptine zur Nutzenbewertung abgewiesen. Schon im Eilverfahren hatten die Bemühungen von Novartis, sich gegen den Bestandsmarktaufruf zur Wehr zu setzen, keinen Erfolg. Der G-BA sieht sich durch die Entscheidung bestätigt: Die Entscheidung gewährleiste, dass Nutzenbewertungsverfahren sachgerecht durchgeführt werden könnten. Die forschenden Pharmaunternehmen zeigten sich enttäuscht: Rechtsschutz gebe es erst am Ende des Verfahrens – und damit zu spät. (Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 15. Mai 2013, Az. L 7 KA 105/12 KL und L 7 KA 112/12 KL – nicht rechtskräftig)

Mit dem 2011 in Kraft getretenen Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG) wurde die frühe Nutzenbewertung für neue Arzneimittel eingeführt. Dem G-BA wurde außerdem eingeräumt, den Nutzen von bereits zugelassenen und im Verkehr befindlichen Arzneimitteln zu bewerten ("Bestandsmarkt", § 35a Abs. 6 SGB V). Im Juni 2012 beschloss der G-BA seinen ersten Bestandsmarktaufruf: Die Gliptine zur Behandlung des Diabetes mellitus sollten sich unter Beweis stellen. Unter ihnen auch zwei von Novartis vertriebene Präparate. Novartis wurde aufgefordert, bis zum 31. Dezember 2012 ein Dossier für die betroffenen Arzneimittel vorzulegen. Die hiergegen von Novartis eingelegten Widersprüche hielt der G-BA für unstatthaft.

Daraufhin erhob Novartis im Dezember 2012 Klage – und zwar gleich zweifach. Die Klagen richteten sich gegen die Veranlassung der Nutzenbewertung bzw. die Aufforderung zur Einreichung des Dossiers. Ein zugleich von Novartis angestrengtes Eilverfahren hatte keinen Erfolg: Zu klären galt es dabei, ob Widerspruch und Klage gegen die Veranlassung der Nutzenbewertung bzw. die Aufforderung, ein Dossier einzureichen, aufschiebende Wirkung entfalten. Ende Februar wurde der Eilantrag abgelehnt, weil es sich bei den Verfahrenshandlungen des G-BA aus Sicht der Richter nicht um einen – für Widerspruch und Klage erforderlichen – Verwaltungsakt handelt. Die inhaltliche Frage, ob eine Klage gegen die Einleitung eines Bestandsmarktaufrufs bzw. die Aufforderung ein Dossier einzureichen, zulässig ist, prüften die Richter daher nicht.

Nicht im Gesetz vorgesehen

Am 15. Mai wurde nun in der Hauptsache verhandelt – und entschieden. Sein Ziel, die Durchführung des Nutzenbewertungsverfahrens zu verhindern, konnte Novartis nicht erreichen. Das Gericht wies die Klagen ab: Das Gesetz sehe einen solchen Rechtsschutz nicht vor. Der Gesetzgeber habe diesen in § 35a Abs. 8 SGB V zum Zwecke der Verfahrensbeschleunigung im Verfahren der Nutzenbewertung grundsätzlich ausgeschlossen, heißt es in der Mitteilung des Gerichts. Ganz ohne Rechtsschutz ist Novartis nicht: Das Unternehmen kann gegen die Festsetzung eines Erstattungs- bzw. eines Festbetrages klagen. Dies verletze die Klägerin auch nicht in ihren Grundrechten auf Berufsfreiheit bzw. effektiven Rechtsschutz, so das Landessozialgericht – zumal eine willkürliche Einleitung des Nutzenbewertungsverfahrens durch den G-BA nicht ersichtlich sei.

vfa kritisiert Rechtsschutzeinschränkung

Die Hauptgeschäftsführerin des Verbands forschender Pharma-Unternehmen (vfa), Birgit Fischer, hält die Entscheidung mit Blick auf die Rechtsschutzsituation betroffener Unternehmen für "bedauerlich". Hier setze sich eine Linie fort, die auch der aktuellen AMG-Novelle vorschwebe: Rechtsschutz gebe es erst am Ende des Verfahrens – "und damit zu spät", so Fischer. Denn es gebe keinerlei Korrekturmöglichkeit im Laufe des Verfahrens, sondern erst ganz am Schluss. "Wir sehen das auch mit Blick auf das verfassungsrechtliche Gebot eines effektiven Rechtsschutzes sehr kritisch!" Enttäuscht reagierte auch Novartis selbst. Dennoch betonte das Unternehmen, es erkenne in jedem Fall die Absicht des Gesetzgebers an, Nutzenbewertungen auch für Bestandsarzneimittel durchzuführen.

Nutzenbewertung wird fortgesetzt

Nach der Gerichtsentscheidung wird die Nutzenbewertung für die beiden Novartis-Präparate Galvus® (Vildagliptin) und Eucreas® (Vildagliptin und Metformin) nach dem vorgesehenen Verfahren fortgesetzt. Das Unternehmen erwartet die Entscheidung des G-BA im Herbst 2013. Auf den Ausgang dieser ersten Bestandsmarkt-Nutzenbewertung darf man gespannt sein. Bislang tut sich der G-BA mit den oralen Antidiabetika schwer. Das neuere Linagliptin (Trajenta® /Boehringer Ingelheim und Lilly) hat bereits zwei Mal die frühe Nutzenbewertung durchlaufen, ohne dass ihm ein Zusatznutzen bescheinigt wurde. Die Kombination Saxagliptin + Metformin (Komboglyze® /AstraZeneca und Bristol-Myers Squibb) bekam dagegen kürzlich mit einem knappen Votum einen Anhaltspunkt für einen geringen Zusatznutzen zugesprochen.

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