Arzneimittel und Therapie

Zwischen optimaler Therapie und dem Schutz des ungeborenen Kindes

Von Petra Jungmayr | Mit dieser Frage werden in Deutschland jährlich rund 1000 Frauen konfrontiert, da etwa 1% bis 2% aller Mammakarzinome während der Schwangerschaft auftreten. Die Schwangerschaft kann in der Regel normal ausgetragen werden, und unter einer adäquaten Therapie, die sich an dem Krankheitsstadium und der Tumorbiologie orientiert, haben die Betroffenen keine schlechtere Prognose als Frauen, bei denen keine Schwangerschaft vorliegt. Die Behandlung folgt den üblichen Standardempfehlungen, sollte aber in einem Zentrum durchgeführt werden.

Brustkrebs ist die dritthäufigste maligne Erkrankung, die während oder kurz nach einer Schwangerschaft auftritt. Man spricht dann von einem schwangerschaftsassoziierten Mammakarzinom (SAMC), das definitionsgemäß während oder innerhalb eines Jahres nach der Geburt diagnostiziert wird. Die Inzidenz liegt derzeit bei rund 1: 3000 Fällen, das heißt, 0,2 bis 3,8% aller Mammakarzinome sind schwangerschaftsassoziiert. Diese Zahl wird sich in den nächsten Jahren erhöhen, da das Alter schwangerer Frauen ansteigt und höheres Alter per se ein Risikofaktor für eine Brustkrebserkrankung ist. Derzeit liegt das durchschnittliche Alter der Betroffenen zwischen 32 und 38 Jahren.


Registerstudie der German Breast Group


Da über schwangere Brustkrebspatientinnen nur wenige Daten vorliegen, werden in der Registerstudie der German Breast Group (GBG-29) Daten zum Mammakarzinom in der Schwangerschaft prospektiv und retrospektiv erhoben. Primär soll die Toxizität der Therapien für Mutter und Kind bei einer Behandlung eines in der Schwangerschaft aufgetretenen Mammakarzinoms untersucht werden. Weitere Studienziele sind die Erfassung der Therapien, der durchgeführten Diagnostik, der Spätfolgen für Mutter und Kind sowie die Aufzeichnung des Schwangerschaftsverlaufs. Bislang wurden 500 Patientinnen in die offene Studie aufgenommen.

Kontakt: Petra Feer

Tel: 06102 748 04 82

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Petra.Feer@GermanBreastGroup.de

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Erschwerte Diagnose

Während der Schwangerschaft wird ein Mammakarzinom häufig erst relativ spät erkannt. Das proliferationsbedingte vergrößerte Brustvolumen und die damit einhergehende Hypervaskularisation erschweren die Diagnose, da das Abtasten der Brust wenig aussagekräftig ist und Zeichen eines Karzinoms häufig nicht erkannt werden. So ist die Zeitspanne vom ersten Tumorverdacht bis zur Diagnose während einer Schwangerschaft deutlich verlängert. Das erklärt den meist größeren Tumordurchmesser und das häufigere Auftreten von Lymphknotenmetastasen bei schwangerschaftsassoziierten Brustkrebserkrankungen. Besteht der Verdacht auf ein Mammakarzinom, erfolgt zur ersten Abklärung eine Sonographie, der sich eine beidseitige Mammographie anschließt. Bei Einhalten der vorgeschriebenen Vorsichtsmaßnahmen (Abdecken des Abdomens mit einer Bleischürze) wird die Grenzdosis für das ungeborene Kind von 100 mGy weit unterschritten. Eine Kernspintomographie sollte nicht erfolgen, da Gadolinium als Kontrastmittel kontraindiziert ist und eine MRT-Untersuchung der Brust ohne Kontrastmittel nicht aussagekräftig ist. Neben der bildgebenden Diagnostik erfolgt die histologische Abklärung. Im Wesentlichen unterscheiden sich die Tumorcharakteristika schwangerer und nicht schwangerer Brustkrebspatientinnen nicht. Dasselbe gilt für die Prognose, berücksichtigt man das Alter der Patientin und das Stadium der Tumorerkrankung. Die Fünf-Jahres-Überlebensrate liegt bei nodalnegativen Patientinnen (schwanger oder nicht schwanger) bei 82%, bei einem Befall der Lymphknoten bei 59%. Da die Erkrankung aber häufig spät diagnostiziert wird, wirkt sich dies auch auf die Prognose aus, so dass bei schwangeren Brustkrebspatientinnen die Erkrankung häufig weiter fortgeschritten ist als bei nicht schwangeren Patientinnen.


Inzidenz von Krebserkrankungen während der Schwangerschaft

Tumorentität
Inzidenz
Zervixkarzinom
1: 200 bis 8000
Mammakarzinom
1: 3000 bis 10.000
malignes Melanom
1: 5000
Hodgkin Lymphom
1:1000 bis 6000
Ovarialkarzinom
1:12.000 bis 100.000
Leukämie
1: 75.000 bis 100.000

Therapie folgt Standardempfehlungen

Ein schwangerschaftsassoziiertes Mammakarzinom wird im Wesentlichen gleich behandelt wie eine Brustkrebserkrankung bei nicht schwangeren Frauen. Die Erkrankung ist keine Indikation für einen frühzeitigen Abbruch der Schwangerschaft, da dadurch die Prognose der Frau nicht verbessert wird. Ein operativer Eingriff erfolgt nach Möglichkeit brusterhaltend, was allerdings bei einer fortgeschrittenen Erkrankung oder einer inflammatorischen Karzinomgenese nicht immer möglich ist. Die Operation ist zu jedem Zeitpunkt der Schwangerschaft möglich, ohne dem Ungeborenen zu schaden.

Während der Schwangerschaft sollte die Brust nicht bestrahlt werden. Eine Verzögerung der Strahlentherapie um bis zu sechs Monate ist für die Patientin nicht nachteilig.

Chemotherapie ab dem zweiten Trimenon

Eine zytotoxische Therapie kann ab dem zweiten Trimenon eingeleitet werden, da dann die Organogenese des Ungeborenen abgeschlossen ist. Eine Chemotherapie vor der 14. Schwangerschaftswoche geht hingegen mit einem deutlich erhöhten Risiko für Aborte und Fehlbildungen einher. Die meisten Daten liegen für Anthracyclin-haltige Standardregime (gelten als sicherste Therapien) und das CMF(Cyclophosphamid, Methotrexat, Fluorouracil)-Schema (nicht zu empfehlen) vor, weniger Daten gibt es zum Einsatz von Taxanen (Docetaxel und Paclitaxel). Wahrscheinlich können diese auch im zweiten und dritten Trimenon appliziert werden, ohne das Ungeborene zu schädigen. Trastuzumab und der Angiogenese-Inhibitor Bevacizumab sollten nicht während der Schwangerschaft gegeben werden. Dasselbe gilt für eine endokrine Therapie mit Tamoxifen.

Die Daten einer europäischen Beobachtungsstudie (Publikation von 2012) zeigen keine gravierenden Folgen einer Chemotherapie für das Neugeborene. Zwar beeinflusste die zytotoxische Behandlung das Geburtsgewicht, das etwas niedriger lag als üblicherweise, der Geburtstermin wurde aber nicht beeinflusst. Komplikationen und Nebenwirkungen traten vor allem bei denjenigen Säuglingen auf, die zu früh geboren wurden. Eine Schwangerschaft sollte daher nicht vorzeitig beendet werden. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt eine belgische Studie, die die Entwicklung betroffener Kinder im Alter von anderthalb bis 18 Jahren untersuchte. Bei den frühgeborenen Kindern zeigte sich eine Assoziation zu einer verzögerten kognitiven Entwicklung. Bei einem normalen Verlauf der Schwangerschaft wurden keine Beeinträchtigungen festgestellt, dies betraf auch kardiale oder neurologische Parameter.


Das Wichtigste in Kürze


  • Die Diagnose Mammakarzinom wird aufgrund physiologischer Veränderungen der Brust während der Schwangerschaft häufig erst spät gestellt.
  • Diagnostik und operative Therapie erfolgen im Wesentlichen wie bei nicht schwangeren Patientinnen.
  • Eine Chemotherapie ist während der Schwangerschaft möglich, antihormonelle Therapien und Bestrahlungen sind kontraindiziert.
  • Die Entbindung sollte erst bei ausreichender kindlicher Reife erfolgen, der Entbindungsmodus entspricht demjenigen gesunder Frauen.
  • Gegebenenfalls muss bei einer systemischen Therapie abgestillt werden.
  • Durch eine Schwangerschaft wird die Prognose der Brustkrebspatientin nicht verschlechtert.
  • Nach einer lokal begrenzten Brustkrebserkrankung sind weitere Schwangerschaften möglich.
  • Die Behandlung sollte in Zentren, am besten im Rahmen einer Studie erfolgen.

Natürliche Geburt ist das Ziel

Nach Möglichkeit sollte die Schwangere vaginal entbinden, wobei ein dreiwöchiger Abstand zur Chemotherapie einzuhalten ist, um das Infektionsrisiko für Mutter und Kind so gering wie möglich zu halten. Wird die zytostatische Behandlung nach der Geburt fortgesetzt, muss abgestillt werden, da einige Zytostatika – wie etwa Taxane – lipophile Eigenschaften aufweisen und in die Muttermilch übertreten. Ist die zytostatische Behandlung vor der Geburt abgeschlossen, so ist das Stillen nach zwei bis vier Wochen Abstand zur Chemotherapie möglich. Besteht ein weiterer Kinderwunsch, so gibt es der aktuellen Datenlage zufolge bei einer lokal begrenzten Brustkrebserkrankung keinen Grund, der betroffenen Frau davon abzuraten. Noch nicht geklärt ist der optimale zeitliche Abstand zwischen einer Chemotherapie und der geplanten Schwangerschaft. Es wird ein zweijähriger Abstand empfohlen, da in den ersten zwei Jahren nach der Brustkrebserkrankung das Rezidivrisiko am höchsten ist. Zu beachten ist ferner, dass die Fruchtbarkeit nach einer Chemotherapie abnehmen kann. Unabhängig davon, ob ein weiterer Kinderwunsch besteht, sollten Frauen, die an einem schwangerschaftsassoziierten Mammakarzinom erkrankt sind, in einem seneologischen und perinatologischen Zentrum – am besten im Rahmen einer Studie – behandelt werden, um eine individuelle Therapie durchzuführen und eine Nachbeobachtung von Mutter und Kind zu ermöglichen.


Quelle

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Lawrenz B, et al. Die junge Mammakarzinompatientin mit Kinderwunsch. Gynäkologische Endokrinologie 2012; 10, 110 – 115.

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Salmen J, et al. Chemotherapie in der Schwangerschaft. Gynäkologe 2012; 45, 933 – 938.

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www.germanbreastgroup.de

www.ago-online.de


Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

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