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Kein Bio-Siegel auf Arzneitees?

(diz). Ist die Deklaration eines Arzneitees mit einem Bio-Siegel eine für die gesundheitliche Aufklärung des Verbrauchers wichtige Kennzeichnung oder nicht? Darüber streiten sich ein Hersteller von Arzneitees und das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), Deutschlands oberste Arzneimittelzulassungsbehörde. Der Streit könnte bald vor dem Bundesverfassungsgericht landen.
Salus Bio-Siegel Produkte, die das Salus Bio Qualitätssiegel tragen, entsprechen noch strengeren Anforderungen als solche, die mit dem staatlichen Bio-Zeichen versehen sind.
Foto: Salus

Arzneibuch-Qualität bei Arzneitees ist bereits die höchste Qualitätsstufe – Bio-Qualität ist keine Steigerung und die Bio-Herkunft hat für solche Produkte keine Bedeutung. Dieser Auffassung ist zumindest unsere Arzneimittelzulassungsbehörde, das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Anderer Auffassung ist dagegen die Firma Salus, u. a. Hersteller von Arzneitees und Pflanzenpresssäften. Diese Firma hat eine zusätzliche Bio-Deklaration, ein eigenes Bio-Siegel, auf ihren Produkten aufgebracht, um den Verbrauchern zu signalisieren, dass ihre verarbeiteten Rohstoffe aus biologischem Anbau stammen und damit nach strengsten Kriterien beispielsweise auf Pestizide, Herbizide und Fungizide geprüft werden. Dieses Bio-Siegel unterliegt strengen Qualitätskriterien und wird nach EU-Recht von einer unabhängigen Stelle kontrolliert. Das BfArM forderte Salus allerdings auf, das Bio-Siegel von der äußeren Arzneitee-Verpackung zu entfernen. Die amtliche Argumentation: Zum einen ist eine Kennzeichnung mit einem Bio-Siegel nur Lebensmitteln vorbehalten, zum andern erlaubt das Arzneimittelgesetz eine solche Kennzeichnung auf der Umverpackung schon aus formalen Gründen nicht. So heißt es in § 10 Abs. 1 Satz 5 AMG: "Weitere Angaben, die nicht durch eine Verordnung der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union vorgeschrieben oder bereits nach einer solchen Verordnung zulässig sind, sind zulässig, soweit sie mit der Anwendung des Arzneimittels im Zusammenhang stehen, für die gesundheitliche Aufklärung der Patienten wichtig sind und den Angaben nach § 11a nicht widersprechen." Ein Bio-Siegel allerdings, so die Behörde, falle nicht hierunter, da es für die gesundheitliche Aufklärung der Patienten nicht wichtig sei. Der Hersteller Salus hat sich gegen diese Auffassung mit juristischen Mitteln gewehrt. Wir sprachen mit Christoph Hofstetter, Geschäftsführer der Salus Pharma GmbH, Bruckmühl, wie der Stand der Dinge ist. Muss das Bio-Siegel auf Arzneitees verschwinden?

Christoph Hofstetter , Geschäftsführer der Salus Pharma GmbH Foto: Salus Pharma

DAZ: Herr Hofstetter, das Unternehmen Salus hat Arzneitees mit einem eigenen Bio-Siegel auf der Umverpackung gekennzeichnet, um deutlich zu machen, die Arzneipflanzen wurden nach biologischen Grundsätzen angebaut, geerntet und verarbeitet. Warum haben Sie nicht das offizielle Bio-Siegel der EU, sondern ein eigenes Siegel verwendet?

Hofstetter: Weil das europäische Siegel nach unserer Auffassung immer noch zu viele Kompromisse im Bioanbau zulässt, die wir als Hersteller traditioneller pflanzlicher Arzneimittel und entsprechender Lebensmittel nicht mittragen können. Zudem hatten wir diese Bio-Kennzeichnung bereits, als es noch gar kein europäisches Bio-Siegel gab.


DAZ: Die Anforderungen an das hauseigene Bio-Siegel hat Salus selbst definiert?

Hofstetter: Ja, die Spezifikationen haben wir selbst definiert, wobei natürlich unser Bio-Siegel auch der offiziellen Bio-Verordnung unterliegt. Wer Produkte mit einem Bio-Siegel kennzeichnet, muss die Mindeststandards der EU-Bioverordnung erfüllen. Allerdings ist die EU-Bioverordnung in einzelnen Punkten nach unserer Ansicht zu weich. Wir haben uns daher strengere Anforderungen auferlegt. Das Salus Bio-Siegel garantiert die Herkunft aller pflanzlichen Zutaten aus ökologischem Anbau und zusätzlich eine sorgfältige Kontrolle der Rohstoffe auf Rückstände, z. B. Schwermetalle und Pestizide, die über die gesetzlichen Vorgaben hinausreicht.


DAZ: Dann erfüllen die von Salus eingesetzten Drogen selbstverständlich auch alle Anforderungen des Arzneibuchs …

Hofstetter: Unsere Rohstoffe, die vom Bio-Feld kommen, erfüllen alle, so es eine Arzneibuch-Monographie dafür gibt, die vom Arzneibuch geforderte Qualität. Wir setzen die Rohstoffe in Arzneibuchqualität, zum Beispiel Kamille, auch im Rahmen der Herstellung von Lebensmitteln ein.


DAZ: Ist es für den Verbraucher nicht verwirrend, wenn es trotz eines einheitlichen europäischen Bio-Siegels noch weitere Bio-Siegel gibt wie beispielsweise die Deutschen Verbandssiegel Biokreis, Bioland, Biopark oder das Salus-Bio-Siegel?

Hofstetter: Aus Verbrauchersicht könnte dies so gesehen werden. Aber der allumfassende Grundsatz ist doch: "Bio" darf nur dort drauf stehen, wo "Bio" drin ist – im Sinn der europäischen Bio-Verordnung. Das muss der Verbraucher wissen und grundsätzlich weiß er dies auch.


DAZ: Könnten Sie denn theoretisch alle Ihre mit dem Salus-Bio-Siegel gekennzeichneten Bio-Produkte zusätzlich mit dem offiziellen Europa-Bio-Kennzeichen versehen?

Hofstetter: Nein, da laut herrschender Meinung die Bio-Verordnung nur für Lebensmittel gilt. Und nur die Produkte, die in der Bio-Verordnung aufgeführt sind, dürfen mit dem europäischen Bio-Logo gekennzeichnet werden. (Traditionelle) Pflanzliche Arzneimittel, wie gerade Arzneitees oder Frischpflanzenpresssäfte, gehören leider noch nicht dazu. Auch das ist ein Grund für uns, unser eigenes Bio-Siegel zu verwenden.


DAZ: Dann ist es für den Verbraucher also eine nützliche Information, wenn er schon auf der Packung eines Produktes sieht, dass die Inhaltsstoffe nach biologischen Grundsätzen angebaut wurden. Dem BfArM hat die Kennzeichnung ihrer Arzneitees mit dem eigenen Bio-Siegel allerdings nicht gefallen. Es forderte Salus auf, das Bio-Siegel von der äußeren Verpackung zu entfernen. Begründung: Es sei nach § 10 AMG keine für den Patienten wichtige Information sondern eine unzulässige Angabe mit Werbecharakter. Sie klagten dagegen …

Hofstetter: Ja, mit dem Ergebnis, dass das Verwaltungsgericht Köln die Klage abgewiesen hat mit der Begründung, die EU-Bio-Verordnung gibt keine Rechtfertigung für ein Bio-Siegel auf Arzneimittel, weil die Bio-Verordnung nur für Lebensmittel gilt. Und die weitere Begründung: Das deutsche Arzneimittelgesetz lässt auch keine Bio-Kennzeichnung zu. Die einzige Möglichkeit für eine Kennzeichnung auf der äußeren Verpackung eines Arzneimittels wäre § 10, Abs. 1, Satz 5 AMG gewesen, der besagt, dass eine zusätzliche Kennzeichnung der gesundheitlichen Aufklärung des Patienten dienen muss. Das sei allerdings bei einer Kennzeichnung des Produktes mit einem Bio-Siegel nicht gegeben, so das Verwaltungsgericht. Das ist der Streitpunkt.


DAZ: Und dem Gericht war nicht zu vermitteln, dass auch ein Bio-Kennzeichen eine für die Gesundheit wichtige Angabe sein könne?

Hofstetter: Nein, das Gericht hat hier formalistisch entschieden. Für das Gericht sind zulässige Angaben beispielsweise Angaben zur Dosierung. Wir meinen dagegen schon, dass auch eine Bio-Kennzeichnung nicht nur dienlich, sondern auch wichtig ist für die Information des Verbrauchers.

Das BfArM argumentierte darüber hinaus, dass das Amt nicht prüfen könne, ob der eingesetzte Rohstoff aus biologischem Anbau stamme. Hier konnten wir aber dagegenhalten: Eine Nachprüfbarkeit ist nämlich durchaus gegeben, weil Anbauer und Hersteller von Bioerzeugnissen der Bio-Kontrolle unterliegen. Salus unterliegt beispielsweise der Kontrolle durch LACON, einer international agierenden und anerkannten Biozertifizierungsstelle mit Sitz in Offenburg. Es wird zweimal jährlich geprüft, ob Anbau, Lagerung und Verarbeitung der pflanzlichen Rohstoffe nach Bio-Richtlinien ablaufen. Das jährlich neu ausgestellte Prüfzertifikat stünde dem BfArM zur Einsicht zur Verfügung und könnte regelmäßig unaufgefordert dem Amt vorgelegt werden. Aber das war dem BfArM nicht zu vermitteln.

Das Bundesgesundheitsministerium ließ uns zudem als Antwort auf eine persönliche Anfrage wissen, dass ein Arzneimittel – im Gegensatz zum Lebensmittel – ohnehin Arzneibuchqualität habe und eine zusätzliche Bio-Kennzeichnung keine weitere Erkenntnis für den Verbraucher bringe. Hier sollte man allerdings wissen, dass eine Bio-Kennzeichnung keine Qualitätskennzeichnung ist, sondern eine Herkunftskennzeichnung. Eine Herkunftskennzeichnung für Arzneimittel sei aber wiederum nicht im AMG verankert, weshalb es für das Verwaltungsgericht Köln nicht möglich war, die Kennzeichnung im Rahmen von § 10 AMG zu sehen. Wir hielten dagegen, dass auf Packungen auch ein Firmen-Logo oder ein anderes Firmensymbol zu finden seien, die nichts anderes als eine Herkunftskennzeichnung darstellen. Warum diese Symbole – eben Herkunftskennzeichen – erlaubt sind, aber nicht das Bio-Zeichen – dazu schweigt sich das Gericht aus.


DAZ: Dürften Sie denn auf die Packung schreiben z. B. Mistelkraut aus biologischem Anbau?

Hofstetter: Selbst das dürfen wir nicht, weil dies angeblich nicht von gesundheitlicher Relevanz ist und nicht der gesundheitlichen Aufklärung des Verbrauchers dient. Für ihn muss es reichen zu wissen, so die Argumentation des Gerichts, dass das Produkt Arzneiqualität habe.


DAZ: Möglicherweise haben das Amt und das Gericht in der Kennzeichnung mit dem Bio-Siegel vor allem auch eine Werbung für das Produkt gesehen?

Hofstetter: Das kann schon sein. Dazu lässt sich sagen: Sollte es eine Änderung der Bio-Verordnung geben dahingehend, dass auch Arzneitees und Frischpflanzenpresssäfte mit einem Bio-Siegel gekennzeichnet werden dürfen, würde dies nicht nur unserem Unternehmen dienen, sondern allen Unternehmen, die derartige traditionelle pflanzliche Arzneimittel in Bio-Qualität in den Verkehr bringen.


DAZ: Fazit aus dem Urteil: Im Markt dürfen Lebensmittel mit einem Bio-Kennzeichen im Handel sein, aber Arzneimittel, die ebenfalls aus biologischem Anbau stammen, eine z. B. ebenso geringe Pestizidbelastung haben, dürfen dieses Zeichen nicht tragen. Dem Verbraucher werden damit wichtige Informationen vorenthalten. Wie werden Sie in diesem Streit weiter vorgehen?

Hofstetter: Das VG Köln hat die Berufung leider nicht zugelassen, da es eine Einzelfallentscheidung sei und einer Entscheidung keine grundsätzliche Bedeutung zukomme. Wir sehen dies anders. Denn es geht doch um die Frage: Ist eine Bio-Kennzeichnung bei Arzneimitteln eine wichtige Angabe für die gesundheitliche Aufklärung des Verbrauchers? Wir meinen ja. Der Verbraucher hat ein Recht darauf zu erfahren, wo die Rohstoffe für sein pflanzliches Arzneimittel herkommen. Wir haben daher beim Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt. Sollte das OVG sich der Entscheidung des VG Köln aber anschließen, wäre das Urteil rechtskräftig. Dann tragen wir uns mit dem Gedanken, Verfassungsbeschwerde einzulegen.


DAZ: Herr Hofstetter, vielen Dank für das Gespräch.

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