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"Stärkere Rolle für Apotheker"

Karl Lauterbach steht zur inhabergeführten Apotheke – und fordert Vorschläge für die Routineversorgung

BERLIN (wes/ks). Karl Lauterbach, gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, könnte bei einer etwaigen Regierungsbeteiligung der SPD nach der nächsten Bundestagswahl künftig mehr zu sagen haben. SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hat ihn als Gesundheitsexperten in sein Kompetenzteam berufen – und hält ihn durchaus für ministrabel. Zumeist wird Lauterbach als großer Verfechter der Bürgerversicherung wahrgenommen. Im Interview mit der DAZ war dies jedoch kein Thema. Wir sprachen mit dem streitbaren Bundestagsabgeordneten darüber, was er von den Apothekerinnen und Apothekern erwartet – und was diese umgekehrt von ihm erwarten können.
Im Gespräch: Karl Lauterbach (re.), DAZ-Redakteurin Kirsten Sucker-Sket und DAZ-Chefredakteur Benjamin Wessinger.
Foto: DAZ/Sket
DAZ: Herr Professor Lauterbach, auf Ihrer Website www.karllauterbach.de fordern Sie eine "gute Arzneimittelversorgung zu fairen Preisen". Was würde dieser etwas allgemeine Satz für die Apotheker bedeuten?

Lauterbach: Auf jeden Fall, dass Apotheker auch Vorschläge machen müssen, wie sie sich selbst stärker in die Arzneimittelversorgung einbringen können. Mein Eindruck ist, dass die Apothekerschaft in den letzten Jahren diesbezüglich recht passiv ist. Von der Berufsvertretung kommen sehr wenige Vorschläge, wie die Apotheker ihre eigene Rolle neu definieren wollen, wenn sie einen stärkeren Beitrag leisten wollen – etwa mit Blick auf eine bessere Compliance und Patientensicherheit. Mich wundert das. Von anderen Gruppen – etwa den Ärzten – werden wir immer wieder mit Vorschlägen konfrontiert. Von daher nehme ich an, dass der Status quo aus der Perspektive der Apotheker in Ordnung zu sein scheint, wenn man von kleinen Veränderungen bei Abgabegebühren absieht. Aber wir haben natürlich für die Apotheken auch unsere eigenen Vorschläge, das ist klar.


DAZ: Aber es gab doch Vorschläge, etwa zur Neuregelung der Honorierung des Notdienstes und Rezepturen …

Lauterbach: Notdienst, Rezepturen und so fort, das ist doch Konsens. Dass die Notdienstversorgung besser bezahlt werden muss, haben wir ja mitgetragen. Auch wenn ich das Gesetz der Regierungskoalition für handwerklich miserabel halte, haben wir uns dem nicht entgegengestellt, sondern uns bei der Abstimmung enthalten. Wir wollen es auch nicht im Bundesrat blockieren, weil wir glauben, dass die Apotheker diese bessere Vergütung brauchen. Aber das ist doch kein Ersatz für eine größere Reform für einen aktiven Apotheker.


DAZ: Sie sagten, dass Sie auch selbst Vorschläge haben, wie sich die Apotheker stärker in die Versorgung einbringen könnten. Könnten Sie diese etwas erläutern?

Lauterbach: Ich habe ja schon auf dem letzen Apothekertag darauf hingewiesen, dass wir eine kleine Arbeitsgruppe gegründet haben. Mit Apothekern, die uns näher stehen, machen wir uns dort ein Bild, wie die Versorgung aussehen könnte. Ergebnisse tragen wir natürlich erst zu dem Zeitpunkt vor, wenn wir fertig sind. Es würde uns aber helfen, wenn aus der Apothekerschaft in Gänze Vorschläge kämen, wie sie eine aktive Rolle bei der Versorgung mit Arzneimitteln spielen können.

Unser Ausgangspunkt ist, dass der Apotheker als Gesundheitsfachmann seiner Qualifikation und Ausbildung gemäß eingesetzt wird. Dies geschieht noch nicht in dem Maße, wie es möglich wäre. Viele Apotheker arbeiten wie ein Kassierer, der noch einmal die Richtigkeit des Rezeptes prüft und ansonsten die Kasse bedient. Das ist aus meiner Sicht ihrer Ausbildung nicht angemessen. Die Apotheker sollten eine stärkere Rolle spielen in der Vorbeugemedizin, schauen, wie Arzneimittel Teil einer integrierten medizinischen Versorgung sein können. Und sie sollen stärker beraten – etwa dafür sorgen, dass die Menschen den Wert eines Arzneimittels nicht überschätzen. Viele chronisch Kranke haben den Eindruck, dass die Einnahme des Arzneimittels alleine die Krankheit schon komplett löst. Der Wert wird aber auch oft unterschätzt. So wird etwa bei der Rheuma-Therapie häufig nicht lange genug behandelt. Es gibt eine Reihe von Problemen, wo die Apotheker helfen könnten.


DAZ: Die Apotheker sind nicht allein in diesem großen System, wie stellen Sie sich das vor, wenn Sie von integrierter Versorgung sprechen? Das ABDA-KBV-Modell zum Beispiel …

Lauterbach: Es geht darum, was die Menschen in der Apotheke machen – nicht um komplizierte drei- oder vierseitige Verträge. Vom ABDA-KBV-Modell halte ich nichts. Hier geht es um eine Neuverteilung der Honorare. Mich würde interessieren: Was können wir – von der Apotheke ausgehend – machen, damit die Arbeit in der allgemeinen Apotheke einen Mehrwert produziert? Ein Apotheker soll sich nicht auf Beigeschäfte wie einen Kosmetiksalon nebenan konzentrieren müssen. Er muss durch seine eigentliche Apothekeraufgabe seinen Gewinn realisieren können.


DAZ: Auf dem Apothekertag sagten Sie bereits, Sie hätten auch gerne eine stärkere Strukturkomponente in der Vergütung und man müsse über die Gesamtvergütung neu nachdenken.

Lauterbach: Die Vergütung muss aber so gestaltet sein, dass sie die Ziele, die durch die Versorgungsreform angestrebt werden, ermöglicht und nicht behindert. Die Honorierung muss den Vorschlägen folgen. Oft wurde die Honorierung auf Grundlage von Lobbyvorschlägen verändert – und dann geschaut, ob man damit noch eine einigermaßen gute Versorgung sichern kann. Wird es also besser oder schlechter? Das ist ein Experiment, wenn man so will. Wir wollen die Versorgungsziele in den Vordergrund stellen und die Honorierung dann anpassen.


Karl Lauterbach: "Wir haben im Moment die Regelung, dass ein Apotheker bis zu vier Apotheken besitzen kann. Derzeit haben wir keinerlei Pläne, dies zu ändern."
Foto: DAZ/Sket
DAZ: Auf Ihrer Website heißt es auch: "Den Arzneimittelvertrieb wollen wir liberalisieren, um Preisvorteile von größeren Vertriebsstrukturen zu erreichen." Größere Vertriebsstrukturen, das bedeutet Ketten, oder?

Lauterbach: Nein, Apothekenketten sind damit nicht gemeint.


DAZ: Aber was sind dann die "größeren Vertriebsstrukturen"?

Lauterbach: Das werden Sie dann sehen. Eine ganz zentrale Sorge der Apotheker ist ja, ob die SPD zur inhabergeführten Apotheke steht. Das tun wir selbstverständlich im Grundsatz. Wir haben im Moment die Regelung, dass ein Apotheker bis zu vier Apotheken besitzen kann. Derzeit haben wir keinerlei Pläne, dies zu ändern.


DAZ: Was halten Sie dann von Jürgen Trittins Vorstoß, das Mehrbesitzverbot aufzuheben? Schließlich sind die Grünen Ihr Wunschkoalitionspartner.

Lauterbach: Diese apothekerkritische Aussage der Grünen hat mich überrascht. Ich halte den Wert der Apotheker für die Grundversorgung für hoch. Das Problem ist die jetzige Form. Es kann nicht sein, dass Apotheker zunehmend zu Geschäftsleuten verkommen. Das liegt auch daran, dass das Honorarsystem dumm ist – oft ist es anders nicht möglich zu überleben. Apotheker sind extrem wertvolle Spezialisten im Gesundheitssystem. Die Ansprüche an die Beratung steigen – dafür müsste es aber auch einen Anreiz geben. Ich gebe ehrlich zu: Mir würde in den jetzigen Strukturen die Arbeit als Apotheker wenig Spaß machen – obwohl ich mich sehr für Arzneimittel interessiere. Darum frage ich mich: Wie müssten die Strukturen sein, damit man selbst noch an dem Beruf Gefallen hätte? Hier brauchen wir die Vorschläge – sonst müssen wir diese ausschreiben oder lassen ein Gutachten machen – letzteres haben wir tatsächlich schon erwogen.


DAZ: Wollen Sie uns nicht doch etwas mehr über Ihre Beratergruppe verraten?

Lauterbach: Nein, jeder Politiker hat solche Berater. Sie gewinnen hier keine Zuarbeit, wenn Sie dies öffentlich machen. Es gab schon während des Apothekertags zahlreiche Anfragen von Apothekern, die mitmachen wollen. Aber wir können ja die Arbeitsgruppe nicht so groß machen, dass die Vorschläge hinterher überall bekannt sind. Angesichts der vielen Anfragen wundert es mich umso mehr, dass keine Vorschläge kommen. In Online-Foren werde ich oft geschmäht. Dabei bin ich an einem Dialog mit den Apothekern wirklich interessiert. Wir schlagen folgenden simplen Deal vor: Wir bleiben bei der inhabergeführten Apotheke – dafür wollen wir konkrete Vorschläge, wie sich die Apotheker ihre Praxis vorstellen. Diese wünschen wir uns gerade auch von jüngeren Apothekern, denn sie werden den Beruf noch lange ausüben und sollten Interesse an der Gestaltung der eigenen Arbeit haben. Sie müssen nicht von der ABDA kommen. Aber es sollen Vorschläge für Routineversorgung sein.


DAZ: Wenn diese Vorschläge nicht kommen und Sie im nächsten Herbst Gesundheitsminister werden – worauf müssen sich die Apotheker dann einstellen?

Lauterbach: Das werden Sie dann sehen. Klar ist: ich bin mit dem Apotheken- und Arzneimittelmarkt relativ gut vertraut. Wenn wir also das Ressort bekommen – was ich hoffe und auch glaube – dann werden das schon Vorschläge sein, die vorbereitet sind. Die Grundzüge habe ich erklärt, das sollte die Apothekerschaft optimistisch stimmen.


DAZ: Herr Professor Lauterbach, vielen Dank für das Gespräch.

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