Arzneimittel und Therapie

Weitere personalisierte Tumortherapie beim nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom

Beim nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC) können verschiedene onkogene Treibermutationen auftreten, die das Tumorwachstum fördern. Mithilfe einer molekular-stratifizierten Tumortherapie sollen die unkontrollierten Signalwege blockiert werden. Liegt eine Mutation im anaplastischen Lymphomkinase(ALK)-Gen vor, kann der ALK-Inhibitor Crizotinib (Xalkori®) mit Erfolg eingesetzt werden. Die Therapie mit Crizotinib führt zu hohen Ansprechraten und einem verlängerten progressionsfreien Überleben.
Crizotinib

Die Klassifikation nach onkogenen Treibermutationen gewinnt beim nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom zunehmend an Bedeutung. Damit einher geht die Entwicklung molekular-stratifizierter Therapeutika, die in den gestörten Signalweg eingreifen. Die ersten spezifisch wirksamen Arzneistoffe waren Gefitinib und Erlotinib, die beim EGFR-positiven NSCLC eingesetzt werden. Mit dem Tyrosinkinase-Hemmer Crizotinib liegt nun ein Wirkstoff vor, der bei Mutationen im anaplastischen Lymphomkinase (ALK)-Gen eingesetzt werden kann. Etwa 3 bis 5% der NSCLC-Patienten – das entspricht jährlich 1000 bis 1300 Patienten in Deutschland – weisen eine Mutation des ALK-Gens auf. Nach Chromosomenbrüchen im ALK-Gen und dem nahe gelegenen EML4-Gen kann es durch Inversion zur Entstehung des EML4-ALK-Gens kommen. Dies führt zu einer Aktivierung der intrazellulären ALK-Tyrosinkinase und in der Folge zu einer gesteigerten Tumorzellproliferation.

Molekularpathologische Testung vor der Therapie

Crizotinib ist ein oral einzunehmender, selektiver niedermolekularer ALK-Tyrosinkinase-Inhibitor. Der Wirkstoff bindet kompetitiv in der ATP-Bindungstasche des ALK-Proteins und blockiert dadurch die ALK-Tyrosinkinase. Crizotinib hat für die EU eine bedingte Zulassung (Conditional Marketing Authorization) erhalten. Diese kann Arzneimitteln mit einem positiven Nutzen-Risiko-Verhältnis erteilt werden, die eine medizinische Versorgungslücke schließen. Der Hersteller Pfizer ist aufgefordert, weitere Studiendaten einzureichen. Voraussetzung für einen Einsatz von Crizotinib ist ein molekularpathologischer Test, mit dem das Vorliegen einer ALK-Mutation bestätigt wird. Wie Prof. Dr. Manfred Dietel, Berlin, bei einer von Pfizer unterstützten Pressekonferenz am 11. Dezember 2012 in Berlin erläuterte, erfolgt der Nachweis der EML4-ALK-Translokation immunhistochemisch und durch eine Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH). Die Untersuchung sollte nur in zertifizierten Zentren durchgeführt werden, die an entsprechenden Ringversuchen teilgenommen haben. Die unter anderem von der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie sowie dem National Comprehensive Cancer Network ausgesprochene Empfehlung, bei allen Patienten mit einem NSCLC den ALK-Translokationsstatus zu bestimmen, wird derzeit in Deutschland nur in geringem Umfang befolgt.


Steckbrief: Crizotinib


Handelsname: Xalkori

Hersteller: Pfizer Pharma GmbH, Berlin

Einführungsdatum: 15. November 2012

Zusammensetzung: Eine Hartkapsel enthält 200 bzw. 250 mg Crizotinib. Sonstige Bestandteile: Kapselinhalt: hochdisperses Siliciumdioxid, mikrokristalline Cellulose, Calciumhydrogenphosphat, Carboxymethylstärke-Natrium (Type A), Magnesiumstearat. Kapselhülle: Gelatine, Titandioxid (E 171), Eisen(III)-oxid (E 172). Drucktinte: Schellack, Propylenglycol, Kaliumhydroxid, Eisen(II,III)-oxid (E 172).

Packungsgrößen, Preise und PZN: 200-mg-Hartkapseln: 60 Stück, 7276,21 Euro, PZN 9884704. 250-mg-Hartkapseln: 60 Stück, 7276,21 Euro, PZN 9884710

Stoffklasse: Zytostatika; Proteinkinase-Inhibitoren. ATC-Code: 01XE16.

Indikation: Zur Behandlung des vorbehandelten anaplastischen Lymphom-Kinase(ALK)-positiven, fortgeschrittenen nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinoms.

Dosierung: Zweimal täglich 250 mg (500 mg täglich), mit oder ohne Nahrung.

Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile.

Nebenwirkungen: Neutropenie; Sehstörungen; Schwindel; verminderter Appetit, Übelkeit, Durchfall, Erbrechen, Verstopfung sowie Müdigkeit, Ödeme.

Wechselwirkungen: Crizotinib wird hauptsächlich durch CYP3A4/5 biotransformiert; mögliche Arzneimittel-Wechselwirkungen mit CYP-Inhibitoren und -Induktoren müssen beachtet werden. Die gleichzeitige Anwendung von Crizotinib mit

starken CYP3A4-Inhibitoren/Induktoren und CYP3A4-Substraten mit enger therapeutischer Breite sollte vermieden werden.

Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen: Bei Patienten mit schwerer Leberfunktionsstörung sollte Crizotinib nicht angewendet werden; Leberfunktionstest einschließlich ALT, AST und Gesamtbilirubin sollte während der ersten beiden Behandlungsmonate zweimal monatlich, danach einmal monatlich und wenn klinisch indiziert durchgeführt werden. Bei Verdacht auf eine Pneumonitis sollte die Therapie unterbrochen, bei einer mit der Behandlung in Zusammenhang stehenden Pneumonitis dauerhaft abgebrochen werden. Crizotinib sollte mit Vorsicht angewendet werden bei Patienten mit einer Prädisposition oder einer Vorgeschichte für QTc-Verlängerung oder bei Patienten, die Arzneimittel einnehmen, von denen bekannt ist, dass sie das QT-Intervall verlängern.

Studien mit Crizotinib

Die aktuelle, bedingte Zulassung von Crizotinib beruht auf den Daten der Studien PROFILE 1001 mit 116 Patienten und PROFILE 1005 mit 240 Patienten. In beiden Studien wurden Ansprechraten von rund 60%, eine Dauer des Ansprechens von 46 bis 48 Wochen sowie eine mediane Zeit bis zum Ansprechen von sechs bis acht Wochen ermittelt. Die Daten der Phase-III-Studie PROFILE 1007 wurden erstmals auf dem ESMO 2012 in Wien präsentiert und von Prof. Dr. Frank Griesinger, Oldenburg, in Berlin vorgestellt. In diese Phase-III-Studie wurden 318 Patienten eingeschlossen, die an einem ALK-positiven NSCLC erkrankt waren und die bereits mit einer Platin-haltigen Chemotherapie behandelt worden waren. Sie erhielten Crizotinib (zweimal täglich 250 mg) oder eine Zweit-Linien-Chemotherapie mit Pemetrexed oder Docetaxel. Primärer Studienendpunkt war das progressionsfreie Überleben. Dieses lag unter Crizotinib bei 7,7 Monaten vs. 3 Monaten unter der Chemotherapie (HR 0,49; p < 0,001). Das objektive Ansprechen auf die Chemotherapie betrug 19,5%, auf Crizotinib 65,3% (p < 0,001). Beim Gesamtüberleben zeigten sich keine Unterschiede, da nach einer Interimsanalyse ein Crossover möglich war und nachträglich die meisten Patienten Crizotinib erhalten hatten. Die häufigsten unerwünschten Wirkungen unter Crizotinib waren Diarrhoe, Obstipation, leichte Sehstörungen sowie Grad-3- bis -4-Transaminasen-Erhöhungen. Die Ergebnisse der PROFILE-Studien untermauern den Stellenwert von Crizotinib bei ALK-positiven NSCLC-Patienten, so Griesinger. Die Empfehlung, beim fortgeschrittenen NSCLC mit nachgewiesenem ALK-Genrearrangement Crizotinib nach der Erst-Linien-Therapie einzusetzen, wurde auch in die NSCLC-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie aufgenommen.


Quelle

Fachinformation Xalkori®, Stand Oktober 2012.


Apothekerin Dr. Petra Jungmayr



DAZ 2013, Nr. 3, S. 28

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