Tarifvertrag

Die Folgen des neuen Tarifvertrags

Was bedeutet der neue Gehaltstarif für die Apotheken?

Eine Analyse von Thomas Müller-Bohn | Ab Juli gilt der neue Gehaltstarifvertrag für Apothekenmitarbeiter. Die neuen Gehälter sind bekannt (siehe Tabelle), doch welche Folgen haben sie für die Apotheken? In dieser Analyse wird aus der Arbeitgeberperspektive ermittelt, welche zusätzlichen wirtschaftlichen Belastungen auf die Apotheken zukommen und wie diese im Verhältnis zu den Ergebnissen der Honorarrunde 2012/2013 der Apotheken zu bewerten sind. Schon eine grobe Abschätzung macht deutlich, dass der Anfang 2013 erhöhte Festzuschlag ab dem nächsten Jahr zum größten Teil den Mitarbeitern zugute kommen wird.

Zusätzliche Kosten für 2013

Um die Auswirkungen des neuen Tarifvertrags auf die Apotheken zu verdeutlichen, werden die Änderungen hier exemplarisch für einige Gehaltsgruppen genauer betrachtet. Dabei soll es zunächst um die Folgen für 2013 gehen: Eine Approbierte ab dem 11. Berufsjahr wird im zweiten Halbjahr 2013 pro Monat 105 Euro mehr erhalten als im ersten Halbjahr. Die Apotheke als Unternehmen wird außerdem durch die steigenden Arbeitgeberbeiträge zu den Sozialversicherungen belastet. Die Arbeitgeberanteile zur Krankenversicherung (7,3%), Rentenversicherung (9,45%), Pflegeversicherung (1,025%) und Arbeitslosenversicherung (1,5%) summieren sich zu 19,275%. Aus dem monatlichen Gehaltszuwachs von 105 Euro für eine Approbierte ab dem 11. Berufsjahr werden damit in einem halben Jahr 751 Euro einschließlich Sozialleistungen des Arbeitgebers. PTA erhalten bis zum zweiten Berufsjahr monatlich zusätzlich 55 Euro und ab dem 15. Berufsjahr 67 Euro mehr. Für die Apotheke sind das Mehrkosten von 394 Euro bzw. 479 Euro pro Halbjahr. PKA bis zum zweiten Berufsjahr erhalten monatlich 48 Euro mehr. Für die Apotheke sind dies Mehrkosten von 344 Euro pro Halbjahr.Welche Belastungen dabei für eine Apotheke zusammenkommen, hängt von der Zahl der Mitarbeiter ab. Gemäß ABDA-Statistik bietet eine Apotheke durchschnittlich 7,1 Arbeitsplätze (148.714 Arbeitsplätze in 20.921 Apotheken, Stand Ende 2012, gemäß ABDA-Daten), nach Abzug des Inhabers bietet sie demnach durchschnittlich 6,1 Mitarbeitern Arbeit. Dazu zählen auch Teilzeitarbeitsplätze. Um die Folgen des neuen Tarifvertrags abzuschätzen, soll für die folgenden Berechnungen ein „durchschnittliches“ Apothekenteam aus einer approbierten Mitarbeiterin ab dem 11. Berufsjahr, einer PTA mit bis zu zwei Berufsjahren, zwei PTA mit jeweils über 15 Berufsjahren und einer PKA mit bis zu zwei Berufsjahren unterstellt werden, also fünf Vollzeitmitarbeiterinnen. Die oben errechneten zusätzlichen Belastungen für die Apotheke summieren sich in diesem Beispiel im zweiten Halbjahr 2013 auf 2447 Euro.

Was ist der Vergleichsmaßstab?

Ist das viel oder wenig? Womit kann diese Zahl verglichen werden? Unter den jüngsten Änderungen der Honorierung für Apotheken sind der Kassenabschlag und das Nachtdiensthonorar zur Gegenrechnung nicht geeignet. Denn die Verminderung des Kassenabschlags gegenüber 2011 und 2012 beendet ein zeitweiliges, gesetzlich vorgeschriebenes Sonderopfer bzw. die daraufhin vorgenommenen befristeten Sparmaßnahmen in Apotheken und steht daher nicht zur Verteilung zur Verfügung. Das neue Nachtdiensthonorar stellt einen Zuschuss für eine bestimmte Leistung dar und kann daher nicht mit anderen Belastungen verrechnet werden. Es kann nicht zur Finanzierung der „normalen“ Gehälter dienen. So bleibt der Anstieg des Festzuschlags um 25 Cent pro Packung. Dieser wurde zwar als Ausgleich für Belastungen in der Vergangenheit seit 2004 erstritten, aber er wird erst jetzt gewährt. Außerdem haben die Apothekenleiter nicht allein für diesen Ausgleich gekämpft, sondern gemeinsam mit ihren Teams. Die Arbeitsplätze waren ein politisches Argument im Honorarstreit, und die Mitarbeiter waren wahrscheinlich auch ein Grund für den Verordnungsgeber, den Festzuschlag zu erhöhen. Daher erscheint es im berufspolitischen Sinn angemessen, wenn die Apothekenmitarbeiter einen Anteil an den zusätzlichen Einnahmen erhalten. Damit liegt es aber auch für die hier durchzuführende betriebswirtschaftliche Analyse nahe, die zusätzliche Einnahme von 25 Cent pro Packung mit der neuen Belastung durch den Tarifvertrag zu vergleichen.

Bei durchschnittlich etwa 40.000 verschreibungspflichtigen Arzneimittelpackungen, die pro Jahr in einer Apotheke abgegeben werden (824 Millionen Packungen in 20.921 Apotheken, Stand Ende 2012, gemäß ABDA-Daten), ergibt die Erhöhung des Festzuschlags jährlich etwa 10.000 Euro mehr Einnahmen. Die errechnete Belastung von 2447 Euro bei der angenommenen Teamzusammensetzung zehrt damit etwa ein Viertel der zusätzlichen Einnahmen wieder auf. Doch diese Rechnung gilt nur für 2013 und hängt wesentlich damit zusammen, dass die zusätzlichen Einnahmen im ganzen Jahr 2013 anfallen, die höheren Gehälter aber nur im zweiten Halbjahr 2013 zu zahlen sind.

Zusätzliche Kosten für 2014

Ganz anders sieht die Rechnung dagegen für 2014 aus. Denn erstens wirken die höheren Gehälter dann ganzjährig und zweitens kommt im zweiten Halbjahr 2014 eine weitere Stufe der Tariferhöhungen dazu. Im ersten Halbjahr 2014 wirkt sich der neue Tarifvertrag wie im zweiten Halbjahr 2013 aus. Im zweiten Halbjahr 2014 werden die Apotheken im Vergleich zur Ausgangssituation im ersten Halbjahr 2013 mit folgenden zusätzlichen Ausgaben belastet: für eine Approbierte mit mehr als elf Berufsjahren 1166 Euro, für eine PTA bis zum zweiten Berufsjahr 594 Euro, für eine PTA ab dem 15. Berufsjahr 744 Euro und für eine PKA bis zum zweiten Berufsjahr 522 Euro, jeweils pro Halbjahr. Für das unterstellte Beispielteam ergibt das für das ganze Jahr 2014 zusammen 6217 Euro. Von den angenommenen 10.000 Euro Einnahmezuwachs bleiben dann noch 3783 Euro „übrig“. Demnach wird der größte Teil des jüngsten Einnahmezuwachses der Apotheken ab 2014 an die Mitarbeiter fließen.

Wirtschaftliche Folgen

Gesteht man dem Apothekenleiter denselben Einkommenszuwachs wie der Approbierten in der höchsten Gehaltsstufe zu, bleiben im Jahr 2014 in der durchschnittlichen Beispielapotheke nur noch 1866 Euro jährlich für erhöhte Mieten sowie zusätzliche Kosten für Strom, Heizung, Computer, Botenfahrzeug und viele weitere Ausgabenpositionen. Da sich diese Rechnung auf das zweite Jahr nach der Erhöhung bezieht, muss dabei auch die Preissteigerung für zwei Jahre berücksichtigt werden. Dafür wird der verbleibende Betrag in den meisten Apotheken kaum ausreichen und als Ausgleich für die kumulierten Belastungen aus der Zeit seit 2004 erscheint ein Betrag von nicht einmal 2000 Euro absurd. An einen Ausgleich für das gestiegene Risiko aus dem Apothekenbetrieb in unsicheren Zeiten ist dabei gar nicht zu denken. Damit ergibt sich hier zugleich eine Erkenntnis über die abgeschlossene Honorarrunde der Apotheken: Die Politik gewährt offenbar keine nachträglichen Honorare. Den Apotheken, die bis Ende 2012 aufgegeben haben, würden sie nicht mehr helfen – und die anderen haben diese Zeit überstanden.

Apotheken in verschiedenen Situationen

Ein weiteres Beispiel kann die Folgen des neuen Tarifabschlusses verdeutlichen: In einer Apotheke mit einer angestellten Approbierten (wie oben), jeweils zwei PTA bis zum zweiten und zwei PTA ab dem 15. Berufsjahr sowie 1,5 PKA bis zum zweiten Berufsjahr entstehen im zweiten Halbjahr 2013 zusätzliche Belastungen von 3013 Euro. Im Jahr 2014 sind es 7638 Euro. Eine Apotheke mit einem solchen Team dürfte allerdings mehr als die durchschnittlichen 40.000 verschreibungspflichtigen Packungen pro Jahr abgeben.

Tendenziell wirken sich die Tarifänderungen stärker in Apotheken aus, die bereits jetzt hohe Personalkosten haben. Dies betrifft insbesondere Apotheken mit langen Öffnungszeiten in Innenstädten oder Einkaufszentren. Dagegen sind extrem kleine Apotheken vergleichsweise weniger betroffen, weil dort ein überproportional großer Anteil der Arbeitszeit vom Apothekenleiter erbracht wird.

Für Apothekenleiter, die sich wirtschaftlich in einer sehr schlechten Situation befinden, werden die höheren Gehälter ein zusätzliches Argument sein, ihre Apotheken durch Selbstausbeutung am Leben zu erhalten. Denn Mitarbeiter als Alternative werden durch den Tarifabschluss teurer. In solchen Apotheken liegen Stundenkürzungen bei Teilzeitmitarbeitern nahe. Für existenziell bedrohte Apotheken kann jede zusätzliche Belastung das „Zünglein an der Waage“ zur nachhaltigen Unrentabilität und damit zur Schließung sein.

Was ist angemessen?

Doch sollte die Erhaltung von Betrieben an der Grenze der Existenzfähigkeit nicht das zentrale Argument bei Tarifabschlüssen sein. Denn aus berufspolitischer und volkswirtschaftlicher Sicht ist langfristig bedeutsamer, dass Apotheken attraktive Arbeitsplätze bieten, die auch neuen Berufsnachwuchs anlocken können. Umgekehrt kann auch die wirtschaftlich gute Lage einzelner Apotheken an besonderen Standorten kein Argument sein. Vielmehr können höhere Gehälter nur aus solchen Einnahmezuwächsen finanziert werden, die bei der Gesamtheit der Apotheken ankommen. Die obigen Berechnungen zeigen, dass der Verteilungsspielraum aus den jüngsten Einnahmezuwächsen durch den Tarifabschluss ausgeschöpft ist. 

Korrektur

(tmb). Im oben stehenden Beitrag „Die Folgen des neuen Tarifvertrags“ wurde die Anzahl der in Apotheken abgegebenen verschreibungspflichtigen Packungen irrtümlich mit 824 Millionen pro Jahr angesetzt. Dies war allerdings gemäß ABDA-Daten für 2012 die Zahl aller verordneten Arzneimittelpackungen, doch es wurden nur 722 Millionen Packungen verschreibungspflichtiger Arzneimittel abgegeben und auch diese Zahl schließt Produkte ein, die nicht dem Kombimodell unterliegen (z.B. Impfstoffe). Ausgehend von 722 Millionen Packungen würde der durchschnittliche Einnahmezuwachs einer Apotheke aus der 25-Cent-Erhöhung des Festzuschlags 8628 Euro jährlich betragen - statt (ausgehend von 824 Millionen Packungen) 9847Euro (im Beitrag auf 10.000Euro gerundet). Diese Zahl wird im Beitrag allerdings nur für eine Abschätzung benutzt. Daher ändert dies grundsätzlich nichts an den dargestellten Konsequenzen. Es wird sogar tendenziell ein noch größerer Anteil des Einnahmezuwachses an die Mitarbeiter fließen.

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