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Haften Apotheker wie Ärzte?

OLG: Ärzte-Grundsätze zur Beweislastumkehr gelten auch für Apotheker

BERLIN (jz). Für Ärzte gibt es die Grundsätze der Beweislastumkehr seit einigen Jahren: Danach muss der Patient bei groben Behandlungsfehlern zwar den ärztlichen Fehler nachweisen, nicht aber den Zusammenhang zwischen Behandlungsfehler und gesundheitlichem Schaden – das Risiko der Unaufklärbarkeit trägt der behandelnde Arzt. Nach einem aktuellen Urteil des Oberlandesgerichts Köln sollen diese Grundsätze bei schwerwiegenden Fehlern ebenso für Apotheker gelten. Die Sach- und Interessenlage sei in einer Weise gleichgelagert, dass eine unterschiedliche Handhabung nicht gerechtfertigt wäre, heißt es zur Erklärung. Weil diese Frage von grundsätzlicher Bedeutung ist, ließen die Richter die Revision zu. (Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 7. August 2013, Az. 5 U 92/12)

Im vorliegenden Fall wurde ein einmonatiges Baby, das mit Down-Syndrom und einem Herzfehler zur Welt gekommen war, bis zur wenige Wochen später geplanten Herzoperation in die ambulante Therapie entlassen. Der behandelnde niedergelassene Kinderkardiologe erhielt von der Klinik eine Medikamentenliste für die Behandlung. Darunter fand sich unter anderem das digitalishaltige Medikament Lanitop zur Stärkung der Herzfunktion, versehen mit der Angabe „2 x 1 gtt“ (Tropfen). Auf dem daraufhin ausgestellten Rezept fand sich jedoch der Zusatz „50 Tbl.“ (Tabletten). Diese enthalten die gegenüber Tropfen achtfache Dosierung des Digitaliswirkstoffes und sind als Darreichungsform nur für Erwachsene und Heranwachsende vorgesehen.

In der Apotheke des ebenfalls verklagten Apothekers erhielt die Mutter des Babys sodann die Tabletten entsprechend der Verordnung. Dafür musste eine Packung, die es nur in der Größe von 100 Tabletten gab, geteilt werden. Der Mutter wurde außerdem empfohlen, die Tabletten aufzulösen und dem Baby einzuflößen. Nachdem dem Kleinkind drei Tage jeweils morgens und abends eine aufgelöste Tablette verabreicht wurde, erlitt es einen Herzstillstand und musste reanimiert werden. Der Herzfehler wurde nach wenigen Wochen operativ korrigiert. Einige Jahre später wurde bei dem Jungen ein Hirnschaden festgestellt, woraufhin seine Eltern vom Kardiologen und dem Apotheker Schadenersatz und Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 200.000 Euro forderten.

Haftung wegen „grobem“ Fehler

Grundsätzlich bekamen sie sowohl in erster Instanz vor dem Landgericht Bonn als auch in zweiter Instanz vor dem Oberlandesgericht Köln recht. Der Behandlungsfehler des Arztes sei als grober Fehler einzustufen, so die Richter. Und die Falschmedikation sei grundsätzlich auch geeignet, die Hirnschädigung herbeizuführen. Nach den Grundsätzen der Beweislastumkehr treffe daher den Arzt die Beweislast. Weil er aber im vorliegenden Fall den Kausalzusammenhang zwischen seinem Fehler und dem Schaden des Kindes nicht widerlegen könne, sei er zur Zahlung von Schadenersatz und Schmerzensgeld verpflichtet.

„Blindes Vertrauen darf es nicht geben“

Doch es wäre aus Sicht der Richter „unbillig“ und widerspräche grob dem Gerechtigkeitsempfinden, wenn der Arzt haften müsste, der Apotheker aber von der Haftung frei wäre. Apotheker träfen schließlich über die Warn- und Hinweispflichten eines normalen Verkäufers hinausgehende berufsrechtliche Beratungs- und Kontrollpflichten. „Ein blindes Vertrauen auf die Verordnung des Arztes darf es nicht geben, denn auch ein Arzt und sein Personal können irren bzw. ihnen kann ein folgenschweres Versehen unterlaufen.“ Apotheker müssten sich daher eigene Gedanken über die Richtigkeit und Sinnhaftigkeit einer Verordnung machen – und im Zweifel beim Arzt nachfragen.

OLG hält Grundsätze für übertragbar

Ob die ärztlichen Beweislast-Grundsätze auf Apotheker übertragbar sind, ist bislang nicht geklärt. Im Zweifel sei aber dem Schutz des Patienten Vorrang zu geben, konstatieren die Richter. Und letztlich gebe es keinen qualitativen Unterschied zwischen dem Fehler eines Arztes und dem eines Apothekers: Im vorliegenden Fall habe der Arzt die falschen Tabletten verschrieben und der Apothe-ker habe sie pflichtwidrig abgegeben.

Bestätigt sehen sich die Richter in ihrer Meinung auch durch die in § 84 Abs. 2 Satz 1 AMG verankerte Kausalitätsvermutung für den Bereich der Arzneimittelhaftung. Danach wird vermutet, dass ein Schaden durch ein Medikament verursacht worden ist, wenn es nach den Gegebenheiten des Einzelfalles geeignet ist, den Schaden zu verursachen. Endgültig wird die Frage der Übertragbarkeit aber erst vor dem Bundesgerichtshof geklärt werden. 

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