- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 34/2013
- Neue Hoffnung für ...
Arzneimittel und Therapie
Neue Hoffnung für Diabetiker
Senkung der Glykämie durch Steigerung der renalen Glucose-Ausscheidung möglich
Bereits vor über 3500 Jahren wurden die Diabetes-Symptome wie Durst, übermäßiges Urinieren, Muskelschwund und Kräfteverfall beschrieben. Jahrhundertelang wurde aber vermutet, dass die Nieren für die Erkrankung verantwortlich sind, bevor erst Anfang des 20. Jahrhunderts als Ursache das Pankreas identifiziert und 1921 Insulin erstmals isoliert wurde. In den 1930er Jahren zeigte sich insofern eine Beteiligung der Nieren, als hier eine renale Glukoneogenese durch eine Reabsorption von Glucose während der glomulären Filtration stattfindet. Die renale Glucose-Rückresorption findet mithilfe von sogenannten Natrium-abhängigen Glucose-Co-Transportern (Sodium-glucose cotransporter, SGLT) statt. Es gibt eine ganze Reihe von SGL-Transportern, aber der SGLT-2-Transporter ist für über 90% der Glucose-Rückresorption in den Nieren verantwortlich. Dementsprechend wurden einige hochselektive SGLT-2-Inhibitoren entwickelt, um den Blutzuckerspiegel von Diabetikern zu senken. Die umfangreichste publizierte Studienlage liegt für den SGLT-2-Inhibitor Dapagliflozin (Forxiga®) vor, der seit Kurzem auf dem deutschen Markt verfügbar ist. Das sich in der Entwicklung befindende Canagliflozin zeigte in der jetzt publizierten Studie ebenfalls überzeugende Ergebnisse bei Diabetikern, bei denen die Erkrankung mit Metformin nicht adäquat kontrolliert werden kann.
Nachhaltige Senkung des HbA1c mit Canagliflozin möglich
HbA1c, auch Glykohämoglobin (GHb) genannt, ist roter Blutfarbstoff (Hämoglobin), der an Glucose gebunden ist. Der Anteil dieses HbA1c am gesamten Hämoglobin wird bei Blutuntersuchungen festgestellt. Er ist ein Maß für den mittleren Blutzucker-Wert der letzten acht Wochen (mittleres Alter der Erythrozyten) und wird daher auch als Langzeit-Blutzucker oder Blutzucker-Gedächtnis bezeichnet.
In der randomisierten, doppelblinden, kontrollierten dreiarmigen Studie waren in 157 Zentren in 19 Ländern insgesamt 1450 Typ-2-Diabetiker, die unter einer Metformin-Therapie standen, entweder zusätzlich mit 100 mg Canagliflozin, 300 mg Canagliflozin oder Glimepirid (auftitriert auf 6 bis 8 mg) jeweils einmal täglich behandelt worden. Bei Patienten, die außer Metformin noch mit einem weiteren oralen Nicht-Thiazolidindion-Medikament therapiert wurden, wurde das zweite Medikament abgesetzt und die Metformin-Dosis eventuell erhöht (≥ 2000 mg/Tag oder ≥ 1500 mg/Tag). Nach 52 Wochen zeigte sich, dass die Blutzucker-Senkung unter 100 mg Canagliflozin nicht schlechter war als unter Glimepirid (-0,01% [95% CI -0,11 bis 0,09]), und mit 300 mg Canagliflozin kam es im Vergleich zu Glimeripid innerhalb eines Beobachtungszeitraums von 52 Wochen zu einer deutlichen Senkung des Blutzuckerspiegels (-1,12% [95% CI -0,22 bis -0,02]). Die absoluten Differenzen im Vergleich zum Glimepirid betrugen -0,33 mmol/l (95%CI -0,6 bis -0,1) für Canagliflozin 100 mg und -0,51 mmol/l (-0,7 bis -0,3) für Canagliflozin 300 mg. Beide Dosierungen von Canagliflozin führten zu einer nachhaltigen Reduktion des HbA1c über ein Jahr, wohingegen dieser Wert im Glimepirid-Arm bereits nach 18 Wochen schon wieder anstieg. Darüber hinaus war der Anteil an Patienten mit dokumentierten Hypoglykämie-Episoden im Vergleich zum Glimepirid-Arm in beiden Canagliflozin-Armen signifikant geringer (p < 0,0001 bei beiden Vergleichen). Nach einem Jahr kam es außerdem in den beiden Canagliflozin-Armen zu einer signifikanten Gewichtsreduktion, während die Glimepirid-Therapie sogar zu einer leichten Gewichtserhöhung geführt hatte. Unter Canagliflozin wurde zudem eine leichte Senkung von systolischem und diastolischem Blutdruck, ein Anstieg von HDL-Cholesterin und eine Senkung der Triglyceride beobachtet. Allerdings traten unter Canagliflozin Nebenwirkungen auf, die typisch für die osmotische Diurese sind: erhöhte Häufigkeit des Urinierens, aber auch häufigere Pilzerkrankungen der Genital-Organe und erhöhte Infektionsraten der ableitenden Harnwege.
SGLT-2-Inhibitoren
Für die Rückresorption der Glucose im proximalen Tubulus der Nephrone sind zwei Typen von Transporterfamilien verantwortlich: Natrium-Glucose-Co-Transporter (SGLT)-1- und -2. SGLT-1-Transporter sind für 10% der Glucose-Rückresorption verantwortlich, SGLT-2-Transporter für 90%. Wird durch SGLT-2-Inhibitoren der renale Natrium-abhängige Glucose-Transporter Typ 2 blockiert, so kommt es zur erhöhten Glucose-Ausscheidung im Harn, wobei die Blutglucose-Werte bis zu 30 mg/dl gesenkt werden. Die Hemmung des SGLT-2-Proteins funktioniert unabhängig von der Insulin-Produktion der Bauchspeicheldrüse, auch wenn diese kein Insulin mehr produziert. Auch eine möglicherweise bestehende Insulin-Resistenz hat keinen Einfluss.
Nutzen und Grenzen dieser neuen Therapieoption
Diese Studie zeigt, dass es einen wirkungsvollen Mechanismus zur Korrektur von Hyperglykämien gibt, der Insulin-unabhängig ist und über eine Reduktion der renalen Glucose-Reabsorption seine Wirkung entfaltet. In der klinischen Routine wird sich zeigen, ob die erhöhte Rate an Harnwegs- bzw. Genitalinfektionen ein generelles Problem darstellt. Die Glucose-Ausscheidung über den Harn bewirkt eine leichte osmotische Diurese. Ist ein Patient nicht Hypotonie- oder Hypovolämie-gefährdet, kann er durch die blutdrucksenkende Wirkung der SGLT-2-Inhibition zusätzlich profitieren. Aufgrund der zum Teil unzureichenden Blutdruckeinstellung bei Personen mit Typ-2-Diabetes kann die blutdrucksenkende Wirkung der SGLT-2-Inhibition, die sich in einigen Studien zeigte, zusätzlichen therapeutischen Nutzen bieten. Wenn auch in dieser Studie Canagliflozin generell gut vertragen wurde, ist auch nach Ansicht der Autoren noch eine umfassende Bewertung der Sicherheit einer Langzeit-Anwendung notwendig, wie es von jedem neuen Arzneimittel gefordert wird.
Quelle
Cefalu W et al: Efficacy and safety of canagliflozin versus glimepiride in patients with type 2 diabetes inadequately controlled with metformin (CANTATA-SU): 52 week results from a randomized, double-blind, phase 3 non-inferiority trial www.thelancet.com, Published online July 12, 2013 http://dx.doi.org/10.1016/S0140-6736(13)60683-2.
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.