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„Stern“: Auf Deutschlands Apotheker ist selten Verlass

Friedemann Schmidt redet von Innovationsrückstand

BERLIN (lk). Auf erheblichen Unmut in den Internet-Diskussionsforen sind der Apotheken-Branchentest des Magazins „Stern“ und die darin wiedergegebenen Zitate von ABDA-Präsident Friedemann Schmidt gestoßen. Eine offizielle Reaktion der ABDA gab es dazu nicht. Nur der Hessische Apothekerverband meldete sich zu Wort. Dessen stellvertretender Vorsitzender Hans-Rudolf Diefenbach forderte Schmidt wegen seiner Aussagen zum Rücktritt auf.
Geschäftemacherei mit „nicht empfehlenswerten“ Arzneimitteln wirft der Stern unter Berufung auf Professor Glaeske den Apothekern vor.

Sieben Branchen in sieben Wochen – lautet die aktuelle Sommerserie des Magazins „Stern“. Optiker, Anbieter von Handytarifen und Restaurants waren schon an der Reihe. Letzte Woche knöpfte sich der „Stern“ die Apotheker vor: „Sie beraten oft schlecht. Sie drehen den Kunden teure und unsinnige Heilmittel an. Auf die Qualität deutscher Apotheker ist selten Verlass“, so der erwartungsgemäß kritische Vorspann. Dazu gibt der „Stern“ gratis Tipps, wie man sich als Kunde gegen die „akademischen Drogendealer“ besser zur Wehr setzen kann.

„Stern“-Autor Werner Hinzpeter hat nach eigenen Angaben „in mehr als 20 Apotheken“ verdeckt eingekauft und „durchweg ernüchternde Erfahrungen“ gemacht. Beim dreimaligen Kauf eines Asthma-Sprays mit dem Hinweis einer Erstverordnung habe er in keinem Fall eine Beratung erhalten. Auch Cortison und Antibiotikum seien ihm wortlos überreicht worden. Für einen grippalen Infekt seien ihm mehrfach „wissenschaftlich umstrittene Kombipräparate“ angeboten worden. Als Kronzeuge der „Stern“-Anklage kommt an dieser Stelle wie kaum anders zu erwarten Gerd Glaeske ins Spiel. Wenn das so weitergehe mit den Apothekern, „verspiele der Berufsstand seine Existenzberechtigung“, malt der Bremer Professor schwarz. Unter der Überschrift: „Das können Sie sich sparen“ liefert Glaeske gleich eine Liste von Arzneimitteln, die der Apotheker nicht empfehlen sollte.

Schmidt: Hängen zehn Jahre hinterher

Auf Seite 68 lächelt dem „Stern“-Leser dann ABDA-Präsident Friedemann Schmidt aus seiner Leipziger Apotheke entgegen. Mit diesem „Arzneikrämer“ hat der „Stern“ natürlich auch gesprochen und Aussagen entlockt, die einigen seiner Kollegen wiederum das Lächeln gefrieren lassen könnte: Schmidt meine es offenbar ernst, im Berufsstand etwas verändern zu wollen, schreibt der „Stern“ lobend und zitiert den ABDA-Präsidenten: „Bei der fachlichen Innovation hat unser Berufsstand einen deutlichen Rückstand. International hängen wir bestimmt zehn Jahre hinterher.“

Der Apotheker müsse künftig „stärker als Teamplayer“ im Gesundheitswesen auftreten, fordert Schmidt. Sogar für die negativen Apotheken-Testergebnisse der Stiftung Warentest und der NDR-Sendung „Markt“, die der „Stern“ als Beleg für seine Apotheker-Schelte anführt, zeigt der ABDA-Präsident Verständnis: „Ich will nicht bezweifeln, dass die meisten Tests nach Regeln stattfinden, die man akzeptieren kann.“

Zwar gebe es bei der Beratungsmüdigkeit der Apotheker auch positive Entwicklungen: „Aber Sie sehen auch Dauerversager, die immer wieder durchfallen.“ Solche Töne vom obersten Standesvertreter dürften nicht allen Kollegen gefallen. Allerdings zeigt Schmidt auch Verständnis für resignierte Apotheker. Viele Patienten wollten gar keine Beratung, lehnten diese mit der Begründung ab, „mein Bus fährt gleich.“ Da könne es schon mal passieren, dass der Apotheker sein Engagement zurückfahre.

„Ziemlich sicher keine Fälschungen“

Aber nicht alles ist aus Sicht des „Stern“ schlecht im deutschen Apothekenwesen. Patienten könnten immerhin „ziemlich sicher sein, dass ihnen keine Fälschungen angedreht werden“. Es gebe auch sehr viele „großartige“ Apotheker, die weder über Nachtdienste klagten und die vor allem deswegen wenig verdienten, „weil sie auf keinen Fall einträglichen Mist verkaufen wollen“. Doch Mitleid mit den notleidenden Apothekern müsse man deswegen nicht haben, so das Fazit des „Stern“. Die Zunft der Apotheker sei alles andere als unschuldig an ihrer Misere: „Wohl keine andere Branche des Einzelhandels verweigert sich so hartnäckig einer Modernisierung. Zu leiden hat der Verbraucher.“

Diefenbach: „Untragbar“

Nicht nur viele Kommentatoren auf DAZ.online, auch Hans Rudolf Diefenbach, stellvertretender Vorsitzender des Hessischen Apothekerverbandes (HAV), ärgerte sich über den Artikel des „Stern“. Diefenbach widersprach umgehend: „In den meisten Apotheken wird gut und sachgerecht beraten“. Allerdings räumte auch der HAV-Vize ein, dass es Kolleginnen und Kollegen gebe, die ihren Beruf nicht so ausüben, wie man es erwarten sollte. Zugleich gibt er zu bedenken: „In welcher Branche gibt es die nicht?“. Generell sei es so, dass Apotheker gute Arbeit leisten und sich kontinuierlich fort- und weiterbilden. „Dieses Wissen geben sie gerne an ihre Kunden weiter, deshalb haben sie diesen Beruf ergriffen“, so Diefenbach.

Der HAV-Vize verwies überdies auf die alljährliche Umfrage der Zeitschrift „Reader’s Digest“ zum Vertrauen in verschiedene Berufsstände. Die meisten Bürger nehmen Apotheken offenbar anders wahr als der „Stern“-Autor. Denn in diesen Umfragen belegen Apotheken seit Jahren eine sehr gute Position: Im Jahr 2012 war es Platz vier hinter der Feuerwehr, den Piloten und den Krankenschwestern.

Die im aktuellen Heft des Nachrichtenmagazins „Stern“ zitierten Äußerungen des ABDA-Präsidenten Friedemann Schmidt bringen den stellvertretenden Vorsitzenden des Hessischen Apothekerverbands, Hans Rudolf Diefenbach, allerdings noch mehr auf die Palme. Eine Leitfigur, die erkläre, ihr eigener Berufsstand hänge bei der fachlichen Innovation international zehn Jahre hinterher, sei „untragbar“, sagte der HAV-Vize zu DAZ.online. Vor allem wenn sie bereits acht Jahre mitverantwortlich Zeit gehabt hätte, dies zu ändern. Woher nehmen Sie die Chuzpe, Kolleginnen und Kollegen als zehn Jahre zurückhängend zu bezeichnen?“, fragte er Schmidt. Und er erinnerte ihn daran, dass er bereits seit acht Jahren verantwortliche Positionen in der Standesvertretung besetzt. Der HAV-Vize blieb hart in seinem Urteil: „Das wertvolle und wichtige Amt des ABDA-Präsidenten ist zu schade für Sie“. Und er forderte Schmidt auf: „Treten Sie ab.“ 

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