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„Extra-Honorarbestandteile sind vorstellbar“

Jens Spahn im Interview mit der DAZ

BERLIN (lk/jz). Jens Spahn, der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, stand der DAZ kurz vor der Bundestagswahl Rede und Antwort zum Thema Extra-Honorare in der Apotheke. Eine zusätzliche Vergütung der Rezeptur, Defektur und des Medikationsmanagements kann er sich ebenso wie die Erhöhung der BtM-Gebühr vorstellen. Neben den Konsequenzen der Verhandlungsmentalität des GKV-Spitzenverbands war die mobile Arzneimittelversorgung auf dem Land Thema des von DAZ-Hauptstadt-Korrespondent Lothar Klein und DAZ-Volontärin Juliane Ziegler geführten Interviews: Spahn betonte, dass mit diesem Punkt im Wahlprogramm nicht der DocMorris-Apothekenbus gemeint sei.
Foto: DAZ/Sket
Jens Spahn: „Aufs Geld sollte sich das Selbstbild des Apothekers nicht reduzieren.“

DAZ: DocMorris hat einen Prototyp für einen Apothekenbus vorgestellt. Jetzt müssten Sie eigentlich Beifall spenden. Immerhin hat die Union eine mobile Arzneimittelversorgung in ihr Wahlprogramm geschrieben.

Spahn: Nein, kein Beifall, es geht doch um was anderes. In ländlichen Regionen, die teilweise schon heute sehr dünn besiedelt sind, lohnt sich das Führen einer eigenständigen Apotheke immer weniger. Dieser Trend wird sich verstärken. Dort haben wir aber heute schon Bringdienste und Rezeptsammelstellen. Auch Bringdienste sind in unserem Verständnis mobile Versorgungsangebote. Ich finde daher die ganze Debatte aufgebauscht. Gemeinsam mit dem Versandhandel verfügen wir heute über die nötigen rechtlichen Regelungen für die Versorgung auch auf dem Land. Da braucht es keinen Apothekenbus. Übrigens: Im Wahlprogramm der Union findet sich der Begriff Apothekenbus nicht. CDU und CSU wollen hier gute Lösungen mit den Apothekern, nicht gegen sie.

 

DAZ: Die CDU-Parteizentrale hat aber ausdrücklich mobile Versorgungssysteme zusätzlich zu den bestehenden Bringdiensten ins Gespräch gebracht.

Spahn: Lassen Sie uns jetzt keine Wortklauberei betreiben. Wir wollen die Arzneimittelversorgung auf dem Land gemeinsam mit den Apothekern sicherstellen. Angesichts der demografischen Entwicklung muss man aber schon mal gemeinsam darüber nachdenken, wie bringen wir das Arzneimittel unter Beibehaltung der guten Beratungsqualität und der Arzneimittelsicherheit zum Patienten. Wir haben ja bei der Reform der Apothekenbetriebsordnung eine Erweiterung des Botendienstes vorgeschlagen. Das hat die ABDA abgelehnt. Heute stelle ich bei Apothekenbesuchen immer wieder fest, dass genau das von vielen gefordert wird. Darüber könnten wir ja noch einmal nachdenken. Aber noch einmal: Der Apothekenbus wird sicher nicht das Hauptthema der gesundheitspolitischen Diskussion werden.

 

DAZ: Worüber möchten Sie dann diskutieren?

Spahn: Zum Beispiel darüber, wie wir die Kompetenz der Apotheker in unserem Gesundheitswesen noch besser nutzen können. In den Krankenhäusern gibt es da schon Fortschritte. Dort gehen Apotheker bereits mit auf Visite. Im ambulanten Bereich wollen wir das Zusammenwirken von Arzt und Apotheker ebenfalls mit dem Medikationsmanagement ausbauen. Leider warten wir immer noch auf das ABDA-KBV-Pilotprojekt. An der Stelle würde ich gerne weiterdiskutieren und weiterentwickeln.

 

DAZ: Bis jetzt ist das ABDA-KBV-Projekt unter anderen an der Honorarfrage nicht vorangekommen. Ärgert Sie das?

Spahn: Natürlich ist Geld immer wichtig. Aber es wäre schade, wenn das die Weiterentwicklung des Apothekerberufs behindern würde. Aufs Geld sollte sich das Selbstbild des Apothekers nicht reduzieren. Apotheker verfügen über eine außerordentlich hohe Kompetenz, die wir nach meiner Beobachtung viel zu wenig nutzen. Die Apothekerschaft sollte in diesem Zusammenhang auch noch einmal die Balance zwischen Heilberuf und Kaufmann ehrlich diskutieren. Klar gehört der Kaufmann auch dazu, schließlich muss am Monatsende die Bilanz stimmen. Am Ende der Diskussion kann man sicherlich auch noch einmal über die Honorierung reden.

 

DAZ: Sie machen es sich leicht und versprechen im Wahlkampf wieder einmal mehr Geld.

Spahn: Nein. Ich habe schon mehrfach hinterfragt, ob es dauerhaft sinnvoll ist, das Apothekenhonorar nur an die Abgabe einer Packung zu binden. Ich könnte mir Honorarbestandteile für die Betreuung chronisch Kranker vorstellen oder beim Medikationsmanagement. Da sind wir gesprächsbereit und warten auf konkrete Vorschläge der Apothekerschaft.

 

DAZ: Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) lehnt neue Extra-Honorarbestandteile ab, weil er dadurch den Status der Apotheker, die Begründung für das Mehr- und Fremdbesitzverbot, gefährdet sieht. Teilen Sie Bahrs Logik nicht?

Spahn: Im Prinzip schon. Aber wir haben gerade mit der Notdienstpauschale gezeigt, dass es einen einzelnen Tatbestand gibt, für den eine Extra-Honorierung Sinn macht. Man könnte auch hier sagen, das ist doch alles mit dem Apothekenhonorar abgedeckt. Aber wir haben den Mehraufwand einer Landapotheke mit deutlich höherer Anzahl von Nachtdiensten im Vergleich zur Stadtapotheke anerkannt. Und das ist richtig. Daher kann ich mir schon vorstellen, dass man weitere Honorarelemente schaffen kann, ohne den Grundgedanken infrage zu stellen. Die viel zu niedrige Betäubungsmittelgebühr ist ein anderer Punkt, wo wir dringend etwas tun müssen.

 

DAZ: Das fordert die ABDA schon seit Langem gemeinsam mit einer besseren Vergütung für Rezeptur und Defektur. Sie wollen also den Apothekern mehr Geld versprechen?

Spahn: Hätte nicht Blockade im Bundesrat gedroht, hätten wir das längst angepasst. Ich kann mir also vorstellen, dass wir zeitnah nach der Bundestagswahl hier einen neuen Anlauf unternehmen. Dann wird sich die politische Lage in der Länderkammer sicher entspannt haben.

 

DAZ: Beim DAV-Wirtschaftsforum in Potsdam haben Sie an dieser Stelle der Diskussion hinzugefügt, dass neue oder höhere Extra-Honorare unterm Strich nicht per se mehr Geld für die Apotheker bedeuten.

Spahn: Bei der Notdienstpauschale führt es ja schon zu einer spürbaren Erhöhung der Vergütung. Da geben wir mehr Geld aus. Sicher wird ein Teil der Kosten für Extra-Honorare durch Umschichtungen aufgebracht werden müssen. Aber wenn wir die Betäubungsmittelgebühr erhöhen, dann wird sicher zusätzliches Geld fließen und das nicht aus einer Umschichtung gegenfinanziert. Auch vom ABDA-KBV-Modell sollen die Apotheker ja profitieren, wenn es Einsparungen bringt. Darüber muss man immer im Detail reden.

 

DAZ: Also wird eine Neuauflage der Union/FDP-Regierung den Apothekern eine Honorarerhöhung bescheren?

Spahn: Wenn man ehrlich ist, muss man doch sagen: Das Apothekenbudget ist nicht verantwortlich für die Ausgabensteigerung bei den Krankenkassen. Man muss auch mal anerkennen, dass wir gerade im Bereich der Apotheken in den letzten Jahren sehr sparsam waren. Wir müssen sicherlich auch das Zusammenspiel von Apothekenhonorar und Kassenabschlag neu organisieren. Das Hickhack der letzten Jahre brachte ja nur Ärger.

 

DAZ: … weil sich die Selbstverwaltung nicht einigen konnte. Muss also der Gesetzgeber handeln?

Spahn: Das Gleiche sehen wir jetzt auch bei der Substitutionsliste. Wenn ein Partner auf stur stellt, geht nichts mehr. Grundsätzlich bevorzugen wir Verhandlungslösungen. Davon gibt es gerade im Gesundheitswesen ganz viele. Das funktioniert aber nur, wenn beide Partner mit der Bereitschaft zum Kompromiss in die Gespräche gehen. Wenn sich wie zuletzt meist die Kassenseite hinsetzt und sich nicht bewegt, dann ist irgendwann auch mal der Gesetzgeber sauer. Wenn sich bei der Substitutionsliste nicht bald etwas bewegt, muss dann die Kompetenz eben auf eine Behörde übertragen werden. Wir wollen doch den Patienten helfen. Das darf nicht an den Kassen scheitern.

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Jens Spahn: „Der GKV-Spitzenverband ist zu weit von den praktischen Problemen und Lösungen entfernt.“

DAZ: Gesundheitsminister Bahr will die Macht des GKV-Spitzenverbandes beschneiden. Hat er dabei Ihre Unterstützung?

Spahn: Ich sehe die Probleme ähnlich. Mein Eindruck ist, wir müssen den GKV-Spitzenverband wieder stärker mit der Kassenebene verzahnen. Der GKV-Spitzenverband ist zu weit von den praktischen Problemen und Lösungen entfernt. Da müssen wir in den Gremien des GKV-Spitzenverbandes dafür sorgen, dass es eine intensivere regelhafte Rückkopplung mit den Kassen- und Patienteninteressen gibt. Das werden wir nach der Wahl rasch angehen.

 

DAZ: Falls Sie in dieser Konstellation mit der FDP weiterregieren können: Wo sehen Sie die größten Baustellen in der Gesundheitspolitik mit Blick auf die Apotheken- und Arzneimittellandschaft?

Spahn: Bei den Arzneimitteln steht die Weiterentwicklung des AMNOG im Vordergrund. Die Systematik der Verhandlungen für neue Arzneimittel hat sich zwar gut eingespielt. Aber mir macht Sorge, dass neue, innovative Arzneimittel nicht schnell genug beim Patienten ankommen. Das behindert auch die Forschung. Nehmen Sie als Beispiel Antibiotika. Dort gab es lange keine Innovationen mehr. Deswegen müssten die Hersteller eines neuen Arzneimittels ihre Preisverhandlungen im Bereich von Cent-Beträgen führen. Das bietet keinen Anreiz für Innovationen. Hier müssen wir nachsteuern.

 

DAZ: Wie?

Spahn: Wir müssen über die Parameter der Vergleichstherapie ebenso nachdenken wie über die Vergleichspreise. Dabei wollen wir die Fragen von Forschung und Entwicklung angemessen berücksichtigen. In den meisten Fällen ist es ja gut gelaufen. Aber wir sehen auch Probleme.

 

DAZ: Erstmals hat die FDP das Bundesgesundheitsministerium regiert. Was hätten Sie anders oder besser gemacht?

Spahn: Wir haben in den letzten vier Jahren gemeinsam wirklich eine Menge erreicht. Heute haben wir Rücklagen bei den gesetzlichen Krankenkassen. Das gab es noch nie. Einiges wie die Notdienstpauschale ist auf den Impuls der Union zurückzuführen. Aber am Ende haben wir alles gemeinsam umgesetzt. Die Gesundheitspolitiker in der Koalition pflegen ein gutes persönliches Verhältnis. Das kann meinetwegen die nächsten vier Jahre so weitergehen.

 

DAZ: Sie wollen also in einer Neuauflage der bürgerlichen Koalition der FDP das Bundesgesundheitsministerium überlassen und nicht selbst Minister werden?

Spahn: In der jetzigen Konstellation mit Minister Bahr würde ich das ohne zu Zögern sofort weitermachen. Das klappt doch gut!

 

DAZ: Herr Spahn, wir danken Ihnen für das Gespräch. 

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