Deutscher Apothekertag 2013

Leitbild: Der erste Schritt ist getan

Dr. Christian Rotta, Geschäftsführer des Deutschen Apotheker Verlags

Es war ein Apothekertag mit Licht und Schatten. Der Versuch, neue Wege zu gehen, ist teilweise gelungen, teilweise im Gestrüpp von Halbherzigkeiten hängen geblieben. Auf der Habenseite: das „offene Diskussionsforum“ zur Vision eines neuen apothekerlichen Leitbilds, an dem sich auch Apothekerinnen und Apotheker beteiligen konnten, die in Düsseldorf kein Kammer- oder Verbandsmandat hatten. Wobei das mit der Offenheit so eine Sache war: Zwar wurde die Debatte (mit Passwort und Zugang nur für Apotheker!) live ins Internet gestreamt, allerdings war es den Fachmedien strikt untersagt, während der Debatte zu filmen, um einen zusammenfassenden Videobericht zu erstellen. Dabei hatte ABDA-Hauptgeschäftsführer Sebastian Schmitz zuvor noch die ABDA als „Haus mit großen Glasfronten“ beschworen: Na ja, es war wohl Milchglas gemeint.

Immerhin: Das Forum hob sich wohltuend von den ermüdenden Allerwelts-Arbeitskreisen vergangener Apothekertage ab. Allerdings schien noch nicht jeder Delegierte die Notwendigkeit verinnerlicht zu haben, sich jenseits des berufspolitischen Tagesgeschäfts und mit Blick über den eigenen Tellerrand mit einem zukünftigen Leitbild von Apothekerinnen und Apothekern zu beschäftigen. (Hier und da hörte man das Bonmot von Altbundeskanzler Helmut Schmidt, dass, wer Visionen habe, einen Arzt aufsuchen solle …) Gleichwohl entwickelte sich in Düsseldorf eine interessante Debatte, auch weil es ABDA-Präsident Friedemann Schmidt und seinem Vize Mathias Arnold immer wieder gelang, mit klugen Statements den Sinn und die Absichten zu verdeutlichen, die mit der Entwicklung eines Leitbildes verbunden sind. Das Leitbild soll nicht nur Apothekerinnen und Apothekern der Orientierung und Selbstvergewisserung ihres Tuns dienen, sondern auch gegenüber Öffentlichkeit und Politik verdeutlichen, welche Funktionen die Apotheken in Deutschland anzubieten und wahrzunehmen bereit sind. Für die ABDA-Politik bedeutet dies: Idealtypisch müssen sich in jeder ihrer Maßnahmen, Angebote und Forderungen Facetten dieses Leitbildes widerspiegeln.

Schade war, dass die Leitbild-Debatte in Düsseldorf etwas unstrukturiert verlief. Offensichtlich sollte das offene Diskussionsforum nach Vorstellung des Präsidiums auch als Ventil dienen, ABDA-kritische – horribile dictu – Protest-Apotheker miteinzubinden. Immer wieder betonte der Moderator und frühere (und zukünftige?) ABDA-Pressesprecher Elmar Esser, dass in das neue Leitbild selbstverständlich auch kritische Anmerkungen zur Struktur der Berufsvertretung einfließen könnten. Aber hat in der Anfangsphase einer Leitbild-Diskussion das eine wirklich unmittelbar mit dem anderen zu tun? Sinnvoller wäre es gewesen, die beiden Themenbereiche getrennt zu diskutieren. Aber ein eigener Programmpunkt zu Struktur und Politik der ABDA schien den verantwortlichen Akteuren dann wohl doch zu risikobehaftet. Der Aufbruch zu neuen Ufern geriet regelmäßig ins Stocken, wenn es ums eigene ABDA-Konstrukt ging. Mutig ist anders.

Schade auch, dass der innere Zirkel von einigen Kammerpräsidenten und Verbandsvorsitzenden, die erste Ideen zum neuen Leitbild entwickeln sollten, seinerseits so abgeschottet (und, wie die Adexa-Vorsitzende Barbara Neusetzer zu Recht monierte, ohne Beteiligung eines approbierten Angestellten) gearbeitet hat. Es wäre für die Diskussion in Düsseldorf förderlich gewesen, den Delegierten und der Fachöffentlichkeit bereits im Vorfeld ein Arbeitspapier der Arbeitsgruppe vorzulegen. In einem solchen Papier hätten die verschiedenen Ansätze und Alternativkonzepte für ein neues Leitbild dargestellt werden können, die sich auch im Laufe der Debatte in Düsseldorf herauskristallisierten. ABDA-Präsident Friedemann Schmidt zeigte die beiden möglichen Visionen pointiert auf: Soll im Jahre 2030 der Schwerpunkt (!) einer Apotheke darin liegen, als allgemeiner Lotse im Gesundheitswesen erweiterte apothekentypische und apothekennahe Dienstleistungen anzubieten? Oder ist die Zukunft der Apotheke in der arzneimittelbezogenen Patientenorientierung und Therapiebegleitung zu sehen? Anders formuliert: Worin soll der unverwechselbare Markenkern der Apotheke der Zukunft liegen? In der Tat dürfte von der Beantwortung dieser Grundsatzfrage die entscheidende Weichenstellung bei der Entwicklung eines neuen Leitbilds abhängen. Wichtig ist es jetzt, die Debatte, die sich zurzeit naturgemäß noch im Ungefähren bewegt, an der „Basis“ voranzutreiben, zu konkretisieren und eine begehbare Brücke vom aktuellen Status quo zu einer Vision der Apotheke der Zukunft zu schlagen. Der erste Schritt ist getan, aber der Funke muss noch überspringen. Denn nichts ist langweiliger als ein Leitbild ohne Leben.

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