Arzneimittel und Therapie

Polypille verbessert Adhärenz

Effektive Prävention kardiovaskulärer Ereignisse

Fixkombinationen, die mehrere Arzneistoffe gleichzeitig enthalten, sind bereits zur Behandlung von Tuberkulose und HIV erfolgreich im Einsatz. Dass diese auch bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen die Patientencompliance verbessern und ebenso wirksam sind wie konventionelle Behandlungen, konnte nun in der UMPIRE-Studie belegt werden.

Die Compliance des Patienten umfasst die konsequente Befolgung der ärztlichen Ratschläge im Rahmen einer Therapie. Hierzu bedarf es auch der bewussten Entscheidung des Patienten für die Einnahme von Arzneimitteln, um die gemeinsam mit dem Arzt gesetzten Ziele einzuhalten. Bekannt ist jedoch, dass die Therapietreue mit der Anzahl der einzunehmenden Präparate sinkt und mit Einbußen in der Therapieeffizienz einhergeht. Daher werden bereits seit einigen Jahren Fixkombinationen diskutiert, bei denen mehrere Wirkstoffe in einer Tablette vorliegen. Diese senken die Tablettenlast und sollen es dem Patienten einfacher machen, die notwendige Medikation zu befolgen.

Befürworter sehen noch weitere Vorteile einer Polypille. Eine Fixkombination wäre gegenüber den entsprechenden Einzelpräparaten wesentlich preisgünstiger in der Produktion und im Vertrieb. Dies würde vielen Menschen in ärmeren Regionen, denen bisher nur ein beschränkter Zugang zum Gesundheitswesen möglich war, einen leichteren Zugriff auf die benötigten Medikamente ermöglichen.

Für Patienten mit Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems wird eine Tablette, bestehend aus mehreren Blutdruck-senkenden Mitteln, Statinen und Acetylsalicylsäure (ASS) vorgeschlagen. Eine Prävention von kardiovaskulären Ereignissen bedarf jedoch individueller Therapieregime. Eine Polypille bietet aufgrund der begrenzten Zahl an Medikamenten und Dosierungen weniger Möglichkeiten, den patientenspezifischen Bedürfnissen zu entsprechen. Kritiker der Polypille sehen hierin den entscheidenden Nachteil von Fixkombinationen, der den positiven Effekten einer verbesserten Compliance entgegensteht.Die Frage nach der Wirksamkeit und Unbedenklichkeit solch einer Polypille für Patienten mit erhöhtem kardiovaskulärem Risiko wurde daher 2010 mit der multizentrischen, randomisierten und offenen UMPIRE (Use of a Multidrug Pill In Reducing cardiovascular Events)-Studie adressiert. Insgesamt 2004 Probanden mit dokumentierten Herz-Kreislauf-Erkrankungen bzw. einem geschätzten kardiovaskulären Risiko von mindestens 15% wurden über einen mittleren Zeitraum von 15 Monaten an 23 Zentren in Europa und Indien beobachtet. Hierbei erhielten 1002 Patienten eine individuelle Behandlung in Form von Einzeltabletten mit unterschiedlichen Dosierungen der Wirkstoffe, die andere Hälfte der Patienten eines von zwei Kombinationspräparaten, bestehend aus

  • 75 mg Acetylsalicylsäure,
  • 40 mg Simvastatin,
  • 10 mg Lisinopril und
  • 50 mg Atenolol oder 12,5 mg Hydrochlorothiazid.

Als primäre Endpunkte dieser Studie galten die Reduktion des systolischen Blutdrucks bzw. der LDL-Cholesterol-Blutwerte sowie die Einhaltung der Therapietreue, ermittelt über patientenspezifische Fragebögen als Dokumentation der regelmäßigen Einnahme der Medikamente.

Nach einem Beobachtungszeitraum von 15 Monaten nahmen 86% der Patienten, die eine der beiden Fixkombinationen erhielten, ihre Medikation leitliniengerecht ein und zeigten somit eine um ein Drittel höhere Therapieadhärenz als die konventionell behandelten Probanden. Die erhöhte Compliance korrelierte auch mit deutlich verbesserten Blutdruck- und Lipidwerten. Der systolische Blutdruck verringerte sich gegenüber der Kontrollgruppe um 2,6  mmHg (95% KI, -4,0 bis -1,1 mmHg; p < ,001), und das LDL-Cholesterol reduzierte sich um 4,2 mg/dl (95% KI, -6,6 bis -1,9 mg/dl; p < ,001). Darüber hinaus zeigten sich keine signifikanten Unterschiede in der Anzahl unerwünschter Nebenwirkungen bzw. kardiovaskulärer Ereignisse.

Keine Verblindung möglich

Trotz der überzeugenden Ergebnisse der UMPIRE-Studie weist vor allem das Studiendesign einige kritische Limitationen auf. Einerseits war eine Verblindung der Probanden und teilnehmenden Ärzte aufgrund der unterschiedlichen Applikationsform nicht durchführbar (eine einzige Polypille gegenüber mehreren Einzelpräparaten). Wichtiger jedoch ist die Tatsache, dass Patienten, welche mit der Fixkombination behandelt wurden, diese umsonst bekamen, wohingegen die andere Hälfte ihre konventionellen Medikamente weiterhin selbst zahlte. Dies muss gerade in ärmeren Regionen als möglicher Einflussfaktor auf die Therapietreue betrachtet werden.

Dennoch blieben die Resultate in Europa und Indien vergleichbar, sodass nach Ansicht der Autoren der präventive Effekt der Polypille auch auf Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländern übertragen werden kann. Ihrer Ansicht nach ist eben dort eine Erhöhung der Therapieadhärenz für die Prävention kardiovaskulärer Komplikationen weit effektiver als die Entwicklung neuartiger und kostenintensiver Arzneistoffe.

Die UMPIRE-Studie ist die bisher erste klinische Studie, die den Einsatz einer Polypille gegenüber einer konventionellen Medikation bei kardiovaskulären Hochrisikopatienten vergleicht. Um die Ergebnisse weiterhin zu verifizieren, bedarf es allerdings weiterer Studien, vornehmlich in Ländern mit schwach ausgeprägtem Gesundheitssystem und gering entwickelter Arzneimittelversorgung, da hier eine Fixkombination womöglich den größten Nutzen bewirkt. Für reiche Industrienationen zeigt diese Studie jedoch auch, wie wichtig es ist, einen kritischen Umgang mit patientenspezifischen Medikationsprofilen zu üben. Das Verschreiben von Präparaten mit nur geringem Zusatznutzen kann dazu führen, dass die eigentlich sinnvolle Arzneimittelbehandlung aufgrund der zu hohen Tablettenlast vom Patienten nicht therapiegerecht umgesetzt wird.  

Quelle

Thom S, Poulter N, Field J, et al. UMPIRE Collaborative Group. Effects of a fixed-dose combination on medication adherence and risk factors in patients with or at risk of CVD: the UMPIRE randomized clinical trial. JAMA 2013; 310, 918–929.

Gaziano JM. ProgressWith the Polypill? JAMA 2013; 310, 910–911.

 

Apotheker André Said

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