Arzneimittel und Therapie

Zwischen evidenzbasiert und unkonventionell

In der palliativmedizinischen Betreuung wird oft auf persönliche Erfahrungen und unkonventionelle Methoden zurückgegriffen. Gleichzeitig wächst die Menge an wissenschaftlich fundierter Literatur. Bei der Beratung müssen beide Ansätze berücksichtigt werden, um den individuellen Bedürfnissen eines Patienten am Lebensende gerecht zu werden und die Zusammenarbeit mit den Pflegenden zu intensivieren. Welche Informationsquellen herangezogen werden können, erläuterten Apothekerin Constanze Rémi, München, und Dr. Steffen Simon, Köln, im Rahmen des 3. Kongresses für Arzneimittelinformation in Köln.

Mit der Einführung der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) und einer verstärkten ambulanten palliativen Betreuung wird auch der Apotheker zunehmend in die palliativen Versorgungsstrukturen eingebunden. Ein Teil seiner Aufgabe ist hierbei die Beratung der Beteiligten. Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, muss er zuverlässige Informationsquellen kennen und nutzen. Der Umfang der zur Verfügung stehenden Literatur steigt ständig, denn mit der Entwicklung der Palliativmedizin als eigenständiger Disziplin wächst auch die Zahl wissenschaftlicher Publikationen. Parallel dazu werden neue Studiendesigns entwickelt, die auf die speziellen Bedürfnisse palliativ betreuter Patienten abgestimmt sind. Dennoch ist es derzeit nicht immer möglich, evidenzbasierte Empfehlungen zur Arzneimitteltherapie zu finden. Viele Therapien beruhen auf persönlichen Erfahrungen oder Fallberichten. Mit Kenntnis der wichtigsten Fachliteratur und pharmazeutischem Sachverstand können Anfragen aber in vielen Fällen zufriedenstellend beantwortet werden. Zur Klärung der Fragen können Fachbücher und Zeitschriften sowie das Internet konsultiert werden.


S3-Leitlinie zur Palliativmedizin im Aufbau


Die Erarbeitung einer S3-Leitlinie zur Palliativmedizin hat im Frühjahr 2011 unter der Leitung der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin im Rahmen des Leitlinienprogramms Onkologie der Arbeitsgemeinschaft Wissenschaftlicher Medizinischer Fachgesellschaften (AWMF), der Deutschen Krebshilfe (DKH) und der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) begonnen. Mit der ersten Version der Leitlinie ist im Mai 2014 zu rechnen.

In dieser Leitlinie werden auf der Basis der aktuellen wissenschaftlichen Evidenz klinisch relevante Empfehlungen zu ausgewählten palliativmedizinischen Symptomen und Versorgungsfragen für Patienten mit einer Tumorerkrankung gegeben. Im Gegensatz zu anderen Leitlinien orientiert sich die Leitlinie zur Palliativmedizin nicht an Tumorentitäten, sondern an diagnoseübergreifenden Fragestellungen zur palliativmedizinischen Betreuung. Geplant sind die Schwerpunkte Versorgungsstrukturen, Kommunikation, Dyspnoe, Obstipation, Schmerz, Depression und Sterbephase.

Quelle: www.dgpalliativmedizin.de/allgemein/leitlinien.html

Hilfreiche Informationsquellen

Von den zahlreichen Fachbüchern ist unter anderem der "Leitfaden Palliativmedizin" (Urban und Fischer) zu nennen, der einen guten Überblick über die Palliativmedizin und über medikamentöse und nicht-medikamentöse Therapien verschafft. Wichtige Zeitschriften sind unter anderem das Journal of Pain and Symptom Management, das Journal of Palliative Medicine und weitere mehr. Für den raschen Überblick bieten sich einige Internetadressen an:

  • Eine der wichtigsten und hilfreichsten Adressen ist www.palliativedrugs.com (Update 2012), die auch in einer deutschen Version verfügbar ist. Die Nutzung ist nach einer Registrierung kostenfrei. Hier finden sich unter anderem ausführliche Arzneimittel-Monographien, Grundlagen zur Arzneimittelauswahl, Umrechnungstabellen im Rahmen einer Schmerztherapie, Praxisanleitungen wie z. B. zur Applikation von Schmerzpflastern, Hilfen zur Therapieplanung und weiteres mehr.

  • In den Internetseiten von Palliative Care Matters (www.pallcare.info) sind unter anderem eine Kompatibilitätsdatenbank und Links zu weiteren hilfreichen Seiten zu finden. Eine Übersicht über internationale Palliative-Care-Internetseiten ist unter www.palliative.info aufgeführt.

Alternative Vorschläge nicht unüberlegt abweisen

Im Rahmen der palliativen Betreuung werden häufig unkonventionelle Therapieansätze vorgeschlagen. Rémi erläuterte dies anhand eines Beispiels: Zur Linderung der Beschwerden eines schwer obstipierten Patienten, bei dem die üblichen Abführmittel keine Wirkung mehr zeigten, wurde von der Pflege ein Einlauf mit Kaffee vorgeschlagen. Bevor dieser auf den ersten Blick seltsam anmutende Vorschlag abgelehnt wird, sollte man nach der Quelle der Methode fragen. Findet man keinen Beleg einer Wirksamkeit, sollte man Alternativen aufzeigen oder wenigstens auf eine korrekte Durchführung des Einlaufs (körperwarme Temperatur, um Verbrennungen mit zu heißem Kaffee zu vermeiden) hinweisen. Nimmt der Apotheker die Vorschläge und Anregungen der Pflege nicht ernst oder weist sie unüberlegt ab, wird er sehr bald nicht mehr um Rat gefragt werden, so Rémi. Daher sei es vernünftiger, bei fehlender Evidenz auf bessere Alternativen hinzuweisen oder – falls diese nicht bestehen – Nutzen und Risiko einer Methode genau abzuwägen und Überwachungsparameter festzulegen.


Apothekerin Dr. Petra Jungmayr



DAZ 2013, Nr. 4, S. 34

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