Arzneimittel und Therapie

Mumps unter Beobachtung

Wann kommt die dritte Impfung?

Von Theo Dingermann und Ilse Zündorf | „Dicke Hoden“, titelte der Spiegel in seiner Ausgabe vom 30. September 2013. Anlass gab die Beobachtung einer steigenden Rate an Mumps-Infektionen und die Erkrankung eines Geimpften. Was steckt dahinter, dass sich sogar die Laienpresse mit dem unpopulären Thema „Impfen“ beschäftigt? Wir liefern eine kleine Beratungshilfe.

Eine harmlose virale Kinderkrankheit ...

Mumps (Parotitis epidemica) ist, wie wir alle wissen, eine impfpräventable Infektionskrankheit. Sie wird durch ein Virus aus der Familie der Paramyxoviridae verursacht. Das Mumps-Virus aus der Gattung Rubula-Virus ist ein behülltes Virus mit einer einzelsträngigen RNA als Genom. In die Membranhülle sind das Glykoprotein Hämagglutinin-Neuraminidase und das Fusionsprotein eingelagert, die für das Andocken des Virus an die spezifische Wirtszelle und für die Verschmelzung mit der Zellmembran verantwortlich sind. Von Mumps-Viren ist nur ein humanpathogener Serotyp bekannt, allerdings lassen sich verschiedene Genotypen unterscheiden, die mit Buchstaben von „A“ bis „N“ bezeichnet werden. In Deutschland werden Mumps-Erkrankungen vor allem durch den Genotyp G verursacht. Infektionen mit dem Mumps-Virus treten weltweit auf. Die Erregerübertragung erfolgt durch Tröpfcheninfektion von Mensch zu Mensch oder durch direkten Kontakt mit kontaminiertem Speichel. Die Inkubationszeit beträgt in der Regel 16 bis 18 Tage. Bis zu 40% der Infektionen verlaufen subklinisch oder inapparent, vor allem bei Kindern unter zwei Jahren. Manifestiert sich jedoch die Krankheit, verspüren die Patienten eine schmerzhafte Schwellung der Parotis bzw. der sublingualen Speicheldrüsen. Kinder bis fünf Jahre leiden bei einer Mumps-Infektion häufig unter einer akuten respiratorischen Beeinträchtigung.

... mit Komplikationen bei Erwachsenen

Neben diesem „normalen“ Verlauf, der nur symptomatisch und nicht antiviral behandelt wird, kann es jedoch auch zu Komplikationen kommen. Dabei nimmt die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten solcher Komplikationen mit zunehmendem Alter der Betroffenen deutlich zu. Häufigste Komplikation ist in 15 bis 30% der Fälle die meist einseitig auftretende Orchitis – dicke Hoden eben, wie sich der Spiegel ausdrückt. Eine sich daraus ableitende Sterilität ist möglich, aber selten. Bei Frauen kann es in 30% der Fälle zu Entzündungen der Brustdrüsen und bei 5% zu einer Eierstockentzündung kommen. Eine ZNS-Beteiligung gehört bei ca. 60% der Mumps-Infektionen zu den häufigsten Komplikationen und reicht von einer asymptomatischen Pleozytose bis zur Enzephalitis. In 1 bis 10% der Fälle tritt eine aseptische Meningitis auf, die jedoch meist gut ausheilt. Schließlich werden auch noch das Vorkommen einer Pankreatitis und eine persistierende unilaterale Taubheit beschrieben.

Präventive Impfung

Alles dies kann man sich sparen, sollte man meinen, denn Mumps lässt sich, wie oben erwähnt, durch eine Impfung vermeiden. Bereits 1976 wurde von der STIKO die einmalige Mumps-Impfung in Form des zugelassenen Masern-Mumps-Röteln(MMR)-Kombinationsimpfstoffes ab dem 2. Lebensjahr empfohlen. 1991 wurde diese Impfempfehlung ergänzt durch eine zweite Impfdosis mit einem MMR-Impfstoff im 6. Lebensjahr. Und seit 2001 gilt die aktuell bestehende Empfehlung zu einer Grundimmunisierung mit einer Dosis MMR-Kombinationsimpfstoff im Alter von elf bis 14 Monaten und einer zweiten Dosis im Alter von 15 bis 23 Monaten. Seit 2006 steht für diese Grundimmunisierung auch ein Kombinationsimpfstoff zur Verfügung, der zusätzlich vor Windpocken schützt (MMRV-Vakzine). Bei diesen Kombinationsimpfstoffen werden jeweils lebend attenuierte Viren verabreicht (Tab. 1).

Wieder steigende Zahl an Mumps-Erkrankungen

Allerdings wurden in den letzten Jahren weltweit, auch in Deutschland, vermehrt zum Teil lang anhaltende Mumps-Ausbrüche mit einem hohen Anteil an geimpften Patientinnen und Patienten beobachtet, so dass man sich auch in Deutschland veranlasst sah, verstärkte Surveillance-Maßnahmen einzuleiten und bundesweit eine Meldepflicht für Mumps im Infektionsschutzgesetz (IfSG) zu verankern. Diese gesetzlichen Vorschriften traten im März 2013 in Kraft.

Aus bisher verfügbaren Daten, die wegen des Fehlens eines zentralen Impfregisters nur indirekt erhoben werden können, lagen die bundesweiten Impfquoten im Jahr 2010 für die erste Mumps-Impfung bei 96,1% und für die zweite Impfung bei 91,2% (Tab. 2).

Obwohl bereits seit 1991 die zweite Impfung von der STIKO empfohlen wird, erkennt man, wie lange es gedauert hat, bis diese Maßnahme weitgehend akzeptiert wurde. Allerdings ist die Impfquote für die zweite Impfung noch immer unzureichend, für die eine Abdeckung von > 95% anzustreben ist, zumal dadurch auch die Anstrengungen zur Elimination von Masern und Röteln deutlich vorangetrieben würden. Wie effizient impfpräventable Maßnahmen greifen, erkennt man eindrucksvoll an Daten zur Mumps-Inzidenz aus den Jahren 1964 bis 2012 und den Mumps-Impfquoten bei Schuleingangsuntersuchungen in den Jahren 1998 bis 2010 in den östlichen Bundesländern, wo diese Daten – anders als in den westlichen Bundesländern – systematisch erhoben wurden (Abb. 1).

Abb. 1: Den Erfolg der Impfung zeigen Mumps-Inzidenz (1964 bis 2012) und Mumps-Impfquoten bei Schuleingangsuntersuchungen (1998 bis 2010) in den östlichen Bundesländern. In der DDR wurde nicht gegen Mumps geimpft.

Aus diesen Daten ist interessanterweise auch zu erkennen, dass der Altersmedian der Mumps-Erkrankten über den Zeitraum stetig zugenommen hat. Lag dieser im Jahre 2001 noch bei sechs Jahren, so lag er im Jahr 2012 bereits bei 24 Jahren (Abb. 2). Mit der Verschiebung der Erkrankung zu einem höheren Lebensalter wurden auch höhere Orchitis-Inzidenzen beobachtet, da ja bei einer Mumps-Erkrankung in höherem Alter generell auch höhere Komplikationsraten beobachtet werden.

Abb. 2: Der Altersmedian der Mumps-Erkrankten hat von 2001 bis 2012 stetig zugenommen, wie die Auswertung der an Mumps Erkrankten in den östlichen Bundesländern zeigt.

Ursachenforschung ...

Die Altersverschiebung könnte als Folge der Einführung der zweifachen Impfung Anfang der 1990er-Jahre zu interpretieren sein. Zu einer Verschiebung der Mumps-Erkrankung in höhere Altersgruppen kann es vor allem durch mangelhafte Impfquoten im Kindesalter, bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen kommen. Nicht auszuschließen ist jedoch auch, dass der Impfschutz bei Älteren tatsächlich nicht (mehr) ausreichend ist. Ein nicht ausreichender Impfschutz kann begründet sein

  • in einem primären Impfversagen,
  • in einem sekundären Impfversagen mit einem über die Zeit abnehmenden Immunschutz („waning immunity“) und ausbleibender natürlicher Boosterung durch die verminderte Zirkulation von Wildviren bei steigenden Impfquoten unter Kindern sowie
  • in einer schlechten Übereinstimmung zwischen Impf- und kursierendem Wildvirus.

Die Ergebnisse aus den Schuleingangs- und Seroprävalenzuntersuchungen bei Kindern und Jugendlichen weisen sowohl auf einen nachlassenden Immunschutz hin als auch auf einen größeren Anteil an nichtimmunen Jugendlichen. Ursache für die Altersverschiebung in Deutschland ist daher wahrscheinlich eine Kombination aus sekundärem Impfversagen und unzureichenden Impfquoten.

... und empfohlene Maßnahmen

Eine berufliche Mumps-Impfindikation besteht bereits für nach 1970 Geborene mit unklarem Impfstatus, ohne Impfung oder nur einer Impfung in der Kindheit, die in Gesundheitsdienstberufen in der unmittelbaren Patientenversorgung, in Gemeinschaftseinrichtungen oder Ausbildungseinrichtungen für junge Erwachsene tätig sind. Diese Personen sollten sich also impfen lassen. Noch kann sich die STIKO nicht zu einer Empfehlung zu einer generellen dritten Mumps-Impfung durchringen. Allerdings stehen die Warnsysteme auf gelb, was durch die Meldepflicht eindrucksvoll belegt ist. Durch diese wichtige Surveillance-Maßnahme ist es den lokalen Gesundheitsämtern möglich, rechtzeitig erforderliche Präventionsmaßnahmen wie postexpositionelle Impfungen (Riegelungsimpfungen) und den Ausschluss von ungeschützten Kontaktpersonen dann einzuleiten, wenn ein Infektionsherd erkennbar wird. Entsprechende Empfehlungen hat die STIKO bereits veröffentlicht.

Fazit

Die Kinderkrankheiten wollen ernst genommen werden. Über neue Maserninfektionen wird immer wieder berichtet. Jetzt steht der Mumps im Fokus, und wahrscheinlich tauchen demnächst auch die Röteln in der Laienpresse auf – eigentlich nicht verwunderlich, da ja gegen alle drei Krankheiten gleichzeitig geimpft bzw. eben nicht geimpft wird. Spannend bleibt allerdings die Frage, weshalb immer wieder auch Geimpfte an Mumps erkranken. Hier hilft vielleicht, eine Antikörpertiterbestimmung durchführen zu lassen, um ein sekundäres Impfversagen zu identifizieren. Eine sehr gute Maßnahme ist jetzt auf jeden Fall die Meldepflicht, die seit dem 29. März 2013 besteht. Damit können genauere Aussagen über das Wiederauftreten von Mumps-Erkrankungen gemacht und entsprechende Konsequenzen gezogen werden.  

Autoren

Prof. Dr. Theo Dingermann ist Professor am Institut für Pharmazeutische Biologie an der Goethe-Universität Frankfurt.

Dr. Ilse Zündorf ist dort als akademische Oberrätin tätig.Institut für Pharmazeutische Biologie

Anschrift:

Biozentrum, Max-von-Laue-Straße 9, 60438 Frankfurt/Main

Quelle

Bjorvatn B, Skoldenberg B. Mumps and its complications in Stockholm. Br Med J. 1 (1978), 788.

Gupta RK, Best J, MacMahon E. Mumps and the UK epidemic. BMJ (2005), 330; 1132–1135.

Heymann D (Hrsg). Control of communicable diseases manual, 19. Aufl. American Public Health Association, Washington, 746.

Hviid A, Rubin S, Mühlemann K. Mumps. Lancet (2008), 371; 932–944.

Koch J, Takla A. Effekte der Masern-Mumps-Röteln (MMR)-Impfung auf die Epidemiologie von Mumps in Deutschland. Bundesgesundheitsbl (2013), 56; 1305–1312.

Poethko-Müller C, Kuhnert R, Schlaud M. Durchimpfung und Determinanten des Impfstatus in Deutschland. Ergebnisse des Kinder- und Jugendgesundheitssurveys (KiGGS). Bundesgesundheitsbl Gesundheitsforsch Gesundheitsschutz (2007), 50; 851–862.

Poethko-Müller C, Mankertz A. Seroprevalence of measles-, mumps- and rubella-specific IgG antibodies in German children and adolescents and predictors for seronegativity. PLoS One 7 (2012), e42867.

Mumps – Ratgeber für Ärzte. Robert Koch-Institut, Stand April 2013.

Impfquoten bei den Schuleingangsuntersuchungen in Deutschland 2010. Epidemiol Bull des Robert Koch-Instituts (2012), 16; 135–139.

Rubin S, Plotkin, SA. Mumps vaccine. In: Plotkin SA, Orenstein WA, Offit PA (Hrsg). Vaccines, (2013), 6. Aufl. Saunders, Philadelphia.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.