DAZ aktuell

Mann/Frau gesucht für "größte Baustelle"

Peter Ditzel

Gerade mal ein Jahr war er dabei. Jetzt geht er, der ABDA-Pressesprecher Florian Martius. Aus persönlichen Gründen, heißt es, die Familie in München, der Arbeitsplatz in Berlin – aber wusste er das nicht schon zu Beginn? Da könnte einem auch der Gedanke kommen, er wirft das Handtuch. Und wenn ja, warum?

Solche Fragen provozieren einen nachdenklichen Blick auf den Posten eines Pressesprechers bei der ABDA, eine Stelle, die im Lauf der vergangenen Jahre zum "Leiter Stabsstelle Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit" avancierte. Hört sich mächtig an, auf jeden Fall strategisch: Stabsstelle! Stäbe sollen Führungsinstanzen entlasten, ihr Expertenwissen zur Verfügung stellen und beratend tätig sein. Klingt gut – aber machbar? Bei der ABDA? Wer ist denn da eigentlich die Führungsinstanz? Wer sollte denn auf das Expertenwissen des Medienmenschens hören? Der Präsident oder der geschäftsführende Vorstand oder der Gesamtvorstand oder der Vorstand der Bundesapothekerkammer oder der Vorstand des Deutschen Apothekervereins oder gar die Geschäftsführung von ABDA, BAK und DAV oder …? Alle haben etwas zu sagen, wollen mitreden, wenn es um das Thema Öffentlichkeitsarbeit geht. Wem soll es ein Pressesprecher recht machen? Quellen haben mir berichtet, dass hier die Schwierigkeiten beginnen.

Und so stellt sich die Frage: Kann ein Pressesprecher das überhaupt leisten? Die Öffentlichkeitsarbeit der ABDA stand – solange ich es nachverfolgen kann – schon immer in der Kritik der Berufsöffentlichkeit, die da lautet: zu wenig, nicht effektiv, zu lasch und teure Kampagnen für die Katz. Eine Kritik, die unabhängig vom jeweiligen Pressesprecher aufkam.

Und wie stand es um die Pressesprecher selbst? Ein Blick zurück: 1959 trat Hans-Dieter Wendt, ein gelernter PR-Mann der alten Schule, seine Dienste bei der ABDA an. Er sah Öffentlichkeitsarbeit als ein Instrument der Verbandspolitik und konnte sich sage und schreibe knapp 36 Jahre lang bei der ABDA halten. Öffentlichkeitsarbeit damals – in Zeiten, in denen es Apotheken rückblickend gut und sogar sehr gut ging – war allerdings, das muss man einräumen, ein anderes Geschäft als heute. Es waren Zeiten, in denen der Pressesprecher auch Geschäftsführer der Werbe- und Vertriebsgesellschaft sein konnte und mit zuständig war für die Neue Apotheken Illustrierte, die Fortbildungskongresse und Apothekertage. Den Druck von der Politik und von der Basis auf die Berufsvertretung gab es zwar, aber es war im Vergleich zu heute eher ein Sonntagsspaziergang mit Besuch im Weinkeller.

Für Wendts Nachfolger, Elmar Esser, gestaltete sich der Posten als "Leiter der Abteilung für Information und Öffentlichkeitsarbeit" der ABDA schon unruhiger. Mit ihm holte sich die ABDA einen Journalisten, der zuvor als Pressereferent der Ärztekammer Nordrhein gearbeitet hatte. Als er 1993 in ABDAs Diensten trat, spürte man im Gesundheitswesen eine gewisse Unruhe. Das Geld wurde knapper, der Wettbewerb unter Apotheken härter, die ersten Apotheken mussten sparen. Mehr Pressemitteilungen, Presseseminare und Pressekonferenzen waren angesagt. Besonders nette Erinnerungen gibt es an Pressekonferenzen im Meraner Palacehotel oder bei 30 Grad auf Mallorca, bei denen das ABDA-Headquarter über die sich verschlechternde Situation der bundesdeutschen Apotheken stöhnen musste. Und es waren die Jahre der Kampagnen und Aktionen. Die Apotheken bekamen Päckchen in die Offizin mit Flyern, Postern und Dekomaterial für Aktionen, die auf Arzneimittelfehlgebrauch oder Interaktionen mit Nahrungsmitteln aufmerksam machen sollten. Es waren mehr plakative als inhaltliche Ansätze, dem Apotheker einen Beraterplatz im Gesundheitswesen zuzuweisen. Das Jahr 2005 rief der damalige ABDA-Präsident Wolf sogar als "Jahr der Kommunikation" aus, ein sicher gut gemeinter Ansatz, ausgefüllt mit Maßnahmen wie Beratungsinitiativen und Haus-apothekenverträgen.

2005 – nach 12 Jahren – trennten sich ABDA und Esser. Über Hintergründe war offiziell nichts zu erfahren. Als Nachfolgerin hatte man sich für die taz-Mitarbeiterin und KKH-Sprecherin Annette Rogalla entschieden – eine Wahl, mit der beide Seiten nicht so recht glücklich werden sollten. Knapp zwei Jahre später war es schon so weit, "im gegenseitigen Einvernehmen" – eine Trennung mit skurrilen Zügen, wie wir damals schrieben, bei der die ABDA wohl auch Lehrgeld zahlen musste.

2007 war Thomas Bellartz der Mann der Stunde, der das Ruder der Öffentlichkeitsarbeit übernehmen durfte. Er hatte sich durch spitze Sprüche und flotte Schreibe als PZ-Redakteur einen Namen gemacht. Seine Aufgabe war es, die "größte Baustelle" (O-Ton ABDA), nämlich die Öffentlichkeitsarbeit der ABDA in Angriff zu nehmen. Was er auch tat. Mit frischem Wind. Und viel Geld. Und letztlich auch mit Eigeninteressen – was ihm die ABDA eigens zugestanden hatte: Sie erlaubte ihrem Pressesprecher, ein eigenes Online-Nachrichtenportal aufzubauen und förderte dies mit netten Fax- und sonstigen Aufträgen. Ein Sündenfall, wie Insider schon seit Langem wussten und die Öffentlichkeit seit Herbst letzten Jahres. Noch ein Jahr nach seinem Weggang produzierte Bellartz Schlagzeilen für die ABDA, auf die die ABDA lieber verzichtet hätte.

Bellartz ist Geschichte seit Mitte 2011. Florian Martius folgte nach. Auch er fand eine Baustelle vor. Und konnte nicht recht heimisch werden, weder bei der ABDA noch bei den Mitgliedsorganisationen. Aus "persönlichen Gründen" geht er nun zum 1. April. Bleibt aber "persönlicher Berater" für den Präsidenten. Und die ABDA sucht erneut. Die Stellenbeschreibung könnte schwierig werden: Mann/Frau für Baustelle gesucht mit viel Erfahrung, Durchsetzungskraft, dickem Fell und Lust auf den Ex im Hintergrund.


Peter Ditzel



DAZ 2013, Nr. 5, S. 17

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