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Ureigene Aufgaben

Dr. Doris Uhl Chefredakteurin der DAZ

Der chronisch kranke Patient, der eine Vielzahl von Medikamenten benötigt, erfährt zurzeit eine ganz besondere Aufmerksamkeit. Das ist gut so! Denn wir alle wissen, dass die Verordnung mehrerer Arzneimittel unter anderem gründlich auf Interaktionen abgeklopft werden muss, dass jede weitere Verordnung ein zusätzliches Risiko für Wechselwirkungen birgt und dass gerade im Bereich der Selbstmedikation Gefahren lauern, von denen die behandelnden Ärzte meist keinen blassen Schimmer haben.

Diese Erkenntnis war sicher eine der wichtigsten Triebfedern für die Entwicklung des ABDA-KBV-Modells, dessen Umsetzung leider nur stockend vorankommt. Und während bei den Befürwortern des Modells noch um rechtliche Details und Honorierungsfragen gestritten wird, versuchen Gegner, Nägel mit Köpfen zu machen. Hausärzteverbände reklamieren die Aufgabe des Medikationschecks für sich, fühlen sich als prädestinierte Lotsen für den polymedikamentierten Patienten. Bei den Krankenkassen scheinen sie offene Türen einzurennen, bereitwillig werden Verträge geschlossen, die Honorierung ist kein Problem. Eine fatale Entwicklung.

Denn uns allen ist klar: Hausärzte können diese Aufgabe nicht erfüllen. Ihnen fehlen dazu oft nicht nur die pharmakologischen Grundkenntnisse, sie sind auch nicht mit den galenischen Besonderheiten der Arzneimittel vertraut, geschweige denn, dass sie ausgesprochene Experten auf dem Gebiet der Pharmakokinetik oder -dynamik und letztlich der Klinischen Pharmazie wären.

Hier ist der Apotheker gefragt. Er ist der Arzneimittelfachmann. Er wird als Lotse durch den von Ärzten verordneten Arzneimitteldschungel dringend benötigt. Denn nur er kennt alle Facetten des Arzneimittels: von der Synthese, über die Herstellung bis hin zur richtigen Anwendung. Er verfügt über das Wissen zu Wirkungen, Nebenwirkungen, Kontraindikationen und Wechselwirkungen. Apothekerinnen und Apotheker haben zudem nicht zuletzt durch vielfältige Fort- und Weiterbildungen wichtige zusätzliche Kompetenzen für diese Aufgabe erworben.

Gerade alte, auf viele Medikamente angewiesene Menschen – die Hauptzielgruppe für den Medikationscheck – vertrauen ihrer Apothekerin oder ihrem Apotheker. Weil sie auf schnelle Hilfe und Beratung angewiesen sind, haben sie sich längst eine kompetente Stammapotheke ausgesucht. Denn das, was dort geleistet wird, können sie im Fünf-Minuten-Gespräch mit dem Arzt oder gar der Arzthelferin nicht erwarten.

Zum Beispiel der Interaktionscheck: Nur die Arzneimittel in ein Programm eingeben und darauf warten, dass irgendwo etwas aufblinkt, ja das könnte vielleicht noch die Arzthelferin. Doch wie geht es dann weiter? Wer entscheidet, welche Interaktion für den betroffenen Patienten tatsächlich relevant ist, wer bietet Lösungsmöglichkeiten an, wer erklärt dem Patienten, wie er mit potenziellen Gefahren umgehen muss?

Das können die Ärzte nur in enger Zusammenarbeit mit uns Apothekern. Wie dabei vorgegangen werden kann, das zeigt Ihnen unser Schwerpunkt Interaktionen, der in Zusammenarbeit mit den Autoren der DAZ-Serie "Klinische Pharmazie – POP" entstanden ist. Wir stellen des Helfers Helfer, das Cave-Modul, vor und berichten über die Erfahrungen der bayerischen Interaktionsstudie "Der Interaktionscheck in der Apotheke". Diese Studie zeigt, welche Maßnahmen zu treffen sind, um einen hohen Qualitätsstandard beim Umgang mit Interaktionen zu gewährleisten. Zudem gibt sie Aufschluss über die häufigsten und wichtigsten Interaktionen. Apotheker Dr. Markus Zieglmeier sowie die Apothekerinnen Franziska Scharpf und Claudia Goller stellen die Top 20 vor und erklären, wann wie interveniert worden ist. Doch jede erkannte Interaktion, jede Maßnahme zur Vermeidung einer Gefährdung läuft ins Leere, wenn der Patient das Problem nicht verstanden hat und an der Lösung nicht mitarbeiten kann. Damit der Patient die Zusammenhänge versteht, sind einige wichtige Regeln zu beachten, die die Kommunikationswissenschaftlerin Prof. Dr. Dorothee Gänshirt für unseren Schwerpunkt zusammengestellt hat.

Unsere Beiträge zeigen, dass ohne Apothekerinnen und Apotheker die Polymedikationsprobleme der Patienten nicht gelöst werden können. Nur Apotheker können den Kassen einen qualitativ hochwertigen Medikationscheck anbieten. Aber der Check alleine reicht nicht. Es müssen Taten folgen! Häufig wird ein Medikationsmanagement erforderlich sein – auch eine ureigene Aufgabe für Apotheker. Und das alles selbstverständlich gegen ein angemessenes Honorar, allerdings mit der Garantie, dass die Patienten davon profitieren.


Doris Uhl



DAZ 2013, Nr. 5, S. 3

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