Arzneimittel und Therapie

Brausetabletten fördern Bluthochdruck

Hoher Natriumgehalt in bestimmten Arzneiformen

Ein dauerhaft überhöhter Salzkonsum kann das Risiko von Bluthochdruck und damit assoziierten Folgeerkrankungen erhöhen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt daher, die tägliche Aufnahme von Natriumchlorid auf 5 g zu begrenzen. Doch neben der Nahrung können auch Arzneimittel wie Brause- und Lösungstabletten viel Natrium enthalten, sodass dadurch die maximale Tagesdosis überschritten werden kann. Britische Forscher untersuchten nun, ob ein Langzeitkonsum dieser Medikamente das Risiko von kardiovaskulären Ereignissen erhöht.

Etwa 30% der Bevölkerung reagieren auf die Einnahme von Kochsalz mit einem Anstieg des Blutdruckes. Diese Empfindlichkeit ist speziell unter Hypertonikern weit verbreitet und nimmt generell im Alter, bei Übergewicht sowie bei Nierenfunktionsstörungen zu. Laut der Deutschen Hochdruckliga e.V. (DHL) beträgt die derzeitige Kochsalzaufnahme in der Bevölkerung durchschnittlich 9 bis 12 g/Tag und liegt damit weit über den empfohlenen Tagesrichtmengen der WHO von 5 bis 6 g [1]. Eine Reduktion der täglich aufgenommenen Kochsalzmenge um 4 bis 5 g würde laut DHL zu einer mittleren Blutdrucksenkung von 5 mmHg führen. Patienten, die an Bluthochdruck bzw. Herz-Kreislauf-Erkrankungen leiden, sollten daher versuchen, den Salz-Gehalt in der Nahrung so weit wie möglich zu minimieren. Dazu wurden die Lebensmittelhersteller verpflichtet, den Natrium-Gehalt ihrer Produkte ausführlich zu deklarieren.

Überraschenderweise gilt diese Deklarationspflicht nicht für die Hersteller von Arzneimitteln, obwohl Arzneiformen wie Brause-, Dispergier- bzw. Lösungstabletten eine erhebliche Menge an Natrium-Salzen enthalten, um den Zerfall der Tablette und damit die Freisetzung des Wirkstoffs zu beschleunigen. Im Gegensatz zu herkömmlichen Peroralia enthalten lösliche Tabletten mit 500 mg Paracetamol bis zu 18,6 mmol Natrium. Die maximale Menge von acht Tabletten pro Tag überschreitet somit bereits die empfohlene Tagesdosis von 106 mmol Natrium (2,4 g Na/d), ohne dabei den Salz-Gehalt der Nahrung mit einzubeziehen. Welche Folgen dieser hohe Natrium-Gehalt in speziellen Arzneimitteln haben kann, untersuchten nun britische Wissenschaftler der Ninewells Hospital and Medical School, Dundee, sowie der UCL School of Pharmacy, London, in einer Fall-Kontroll-Studie, welche dieses Jahr im British Medical Journal (BMJ) veröffentlicht wurde [2]. Die Autoren überprüften hierbei, wie viele Teilnehmer im Beobachtungszeitraum von 1987 bis 2010 ein kardiovaskuläres Ereignis wie Herzinfarkt oder Schlaganfall zeigten und ob ein Zusammenhang zur persönlichen Medikation existierte. Hierfür wurden Daten von etwa 1,3 Millionen Personen ausgewertet, die mindestens zweimal ein Natrium-reiches Arzneimittel bzw. ein Natrium-armes Äquivalent verschrieben bekamen. Insgesamt sind 61.072 Fälle von kardiovaskulären Ereignissen aufgetreten, die für die Auswertung mit der Kontrollgruppe verglichen wurden. Die mittlere Nachverfolgung der individuellen Therapie betrug 7,23 Jahre.

Ernährungsempfehlung für Hochdruckkranke

  • Gewichtsabnahme bei Übergewicht anstreben
  • Kochsalzaufnahme auf unter 6 g pro Tag beschränken
  • Alkoholkonsum nicht regelmäßig und auf unter 30 g pro Tag beschränken
  • Seefischmahlzeiten (Omega-3-Fettsäuren) zweimal pro Woche
  • Kaliumzufuhr (Obst, Gemüse, Kartoffeln) steigern, 4 bis 5 g/Tag
  • Ballaststoffzufuhr erhöhen

Quelle: Deutsche Hochdruckliga e.V.

Verstecktes Salz berücksichtigen

Die Auswertung ergab, dass Patienten, die lösliche Darreichungsformen einnahmen, ein durchschnittlich 16% höheres Risiko für das Auftreten eines Herzinfarkts, eines Schlaganfalls bzw. einer anderen Herz-Kreislauf-Erkrankung aufwiesen, als diejenigen Personen, die mit konventionellen Tabletten therapiert wurden (95% KI, 12% bis 21%). Das Risiko für die Entwicklung eines Bluthochdrucks war sogar um das Siebenfache erhöht (OR 7,18, 95% KI 6,74 bis 7,65), und auch die Gesamtsterblichkeit lag um 28% höher (95% KI 23% bis 33%). Diese Unterschiede galten auch dann, wenn bekannte Risikofaktoren wie Rauchen, Übergewicht, Diabetes sowie bereits vorhandene Gefäßerkrankungen in der Auswertung berücksichtigt wurden.

Die Forscher haben durch ihre Studie einen interessanten Fokus auf potenzielle Risikofaktoren gelegt, mit denen in der Bevölkerung normalerweise nicht gerechnet wird. Die Autoren fordern aufgrund ihrer Ergebnisse, dass der Natrium-Gehalt von Arzneimitteln in Zukunft genauso eindeutig deklariert werden muss, wie es bei Lebensmitteln bereits etabliert wurde, um die Bevölkerung ausreichend über die Risiken zu informieren. Ärzte sollten zudem nur dann lösliche bzw. schnellauflösende Formulierungen verschreiben, wenn es medizinisch notwendig sei, beispielsweise bei nachgewiesenen Schluckbeschwerden.

Kochsalz und Bluthochdruck

  • lebensnotwendiger Kochsalzbedarf für den Menschen: 1 g/Tag
  • empfohlene Kochsalzzufuhr: maximal 5 bis 6 g/Tag (2,4 g Natrium/Tag)
  • derzeitige durchschnittliche Kochsalzaufnahme: 9 bis 12 g/Tag
  • 20 bis 30% der Bevölkerung und 50% der Hochdruckkranken sind kochsalzempfindlich (der Anteil nimmt im Alter, bei Übergewicht und Nierenfunktionsstörungen zu)

Quelle: Deutsche Hochdruckliga e.V.

Randomisierte Vergleichsstudien erforderlich

Obwohl die hier präsentierten Resultate auf den ersten Blick überzeugend erscheinen, zeigt die Studie dennoch einige Limitationen auf, die zur kritischen Bewertung der Ergebnisse ermahnen. Eine nicht-randomisierte, retrospektive Fall-Kontroll-Studie kann trotz des großen Patientenkollektivs und des langen Beobachtungszeitraumes lediglich eine Korrelation zwischen der Einnahme eines Natrium-haltigen Arzneimittels und des erhöhten Risikos für Herz-Kreislauf-Erkrankungen aufzeigen, jedoch keine Kausalität beweisen. Eine prospektive randomisierte Vergleichsstudie über einen ähnlich langen Beobachtungszeitraum wäre hierzu nötig, jedoch aus ethischen Gründen vermutlich nicht realisierbar. Die Autoren waren bemüht, ihre Ergebnisse durch Einbeziehung weiterer Risikofaktoren wie Rauchen, Übergewicht oder Diabetes zu erhärten, jedoch sind einige wichtige Umstände nicht in die Auswertung mit einbezogen worden. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass Salz-reiche Kost, Bewegungsarmut bzw. erbliche Faktoren zur Entwicklung einer Herz-Kreislauf-Erkrankung führten und somit die Studienergebnisse beeinflussten.

Der Umstand, dass ausschließlich ärztliche Verschreibungen erfasst wurden, jedoch viele Medikamente auch als OTC-Präparate erhältlich sind und entsprechend ähnliches Risikopotenzial besitzen, stellt den Apotheker speziell im Falle der Selbstmedikation in die zentrale Verantwortung, auf den hohen Natrium-Gehalt verschiedener Darreichungsformen hinzuweisen und im Rahmen des Beratungsgesprächs gegebenenfalls konventionelle Tabletten zu empfehlen. 

Quelle

[1] Ernährung und Kochsalzverbrauch bei arterieller Hypertonie. www.hochdruckliga.de/tl_files/content/dhl/folien/Foliensatz_3.pdf

[2] George J et al. Association between cardiovascular events and sodium-containing effervescent, dispersible, and soluble drugs: nested case-control study. BMJ 2013; 347: f6954 doi: 10.1136/bmj.f6954 (published 26. November 2013).

Apotheker André Said

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