Arzneimittel und Therapie

Bei akuten unkomplizierten Infektionen nutzlos

Eine akute Bronchitis gehört zu den häufigsten Krankheitsbildern in Apotheke und Allgemeinarztpraxis und wird oft antibiotisch behandelt. Eine Antibiose bringt aber bei akuten unkomplizierten Infektionen der unteren Atemwege keine Vorteile, wie jetzt gezeigt werden konnte.

Verschiedene Studien sprechen dafür, dass ca. 90% der akuten Bronchitiden viral bedingt sind. Die Differenzialdiagnose wird in der Hausarztpraxis meist durch die Symptome vorgenommen, eitrige Verläufe sprechen eher für eine bakterielle Genese, Muskel- und Gelenkschmerzen eher für Viren als Übeltäter. Fehldiagnosen sind hierbei aber häufig. Mittels CRP (C-reaktives Protein)- oder PCT (Procalcitonin)-Test kann eine labormedizinisch genauere Diagnose gestellt werden, die in Deutschland allerdings nur als IGEL-Leistung angeboten wird. Die Hannover-PRO-I-Studie [2] befand aufgrund meist niedriger PCT-Werte, dass 92% der Patienten mit unkomplizierten Atemwegsinfektionen eine virale Genese haben, somit eine massive Überversorgung mit Antibiotika stattfinden würde.

Das Studiendesign

Eine Gruppe von Wissenschaftlern um Professor Paul Little von der University of Southampton wollte es jetzt genau wissen. In ihrer Studie, die im Lancet Infectious Diseases veröffentlicht wurde [1], gingen sie der Frage nach, ob erwachsene Patienten mit einer unkomplizierten Bronchitis von einer Therapie mit Amoxicillin, 3 x 1 g über sieben Tage, profitieren würden. Die multizentrische, placebokontrollierte und doppelblinde Studie schloss Patienten aus Hausarztpraxen in zwölf europäischen Ländern ein, die 18 Jahre oder älter waren und bei denen eine unkomplizierte Bronchitis diagnostiziert wurde. Andere Gründe als eine akute Infektion sollten ausgeschlossen sein, auch Komplikationen wie eine Lungenentzündung waren nicht Gegenstand der Studie. Zwischen 2007 und 2010 wurden so 1038 Patienten in die Amoxicillin-gruppe eingeordnet und 1023 Patienten in die Placebogruppe, die Baseline-Charakteristika beider Gruppen waren sehr ähnlich.

Für jedes Symptom wurden Schulnoten von 0 bis 6 verteilt. Die Dauer der Symptome mit Noten zwischen 3 (entspricht "einigermaßen schlecht") und 6 ("so schlecht wie nur möglich") bildete den primären Studienendpunkt. Weitere Endpunkte waren die durchschnittliche Schwere aller Symptome gemessen als Gesamtzahl und die Anzahl neuer oder sich verschlechternder Symptome. Nebenwirkungen in Form von Übelkeit, Durchfall und Hautausschlägen wurden auch erfasst. Die Patienten führten ein Tagebuch zu den Symptomen und Nebenwirkungen. Es wurde nicht berücksichtigt, ob der Arzt Viren oder Bakterien als Krankheitserreger vermutete.


Problem Diagnosestellung


Die Studie belegt eindrucksvoll, dass bei unkomplizierten Bronchitiden eine Antibiose nutzlos ist. In einer weiteren Studie der gleichen Forschergruppe, die vor wenigen Tagen veröffentlicht wurde [3], wird allerdings festgestellt, dass in der Hausarztpraxis nur jede dritte Komplikation in Form einer Lungenentzündung richtig erkannt wird. Bei 2810 untersuchten Patienten mit akuter Bronchitis wurden vom Hausarzt aufgrund klinischer Symptome und gründlicher Untersuchung nur 41 Pneumonien diagnostiziert. Eine anschließende radiologische Kontrolle stellte aber 140 Lungenentzündungen fest.

Die Ergebnisse

Die Studienergebnisse sprechen eine deutliche Sprache. Zwar dauerten die schweren Symptome in der Amoxicillingruppe durchschnittlich nur sechs statt sieben Tage unter Placebo, allerdings war dieser Unterschied statistisch nicht signifikant. Auch die Stärke der Symptome unterschied sich nicht zwischen beiden Gruppen. Die Anzahl neu auftretender Symptome oder die Zahl der sich verschlechternden Symptome war in der Amoxicillingruppe etwas geringer. Allerdings müssten 30 Patienten behandelt werden, um einen einzigen Fall zu verhindern (NNT = 30). Gleichzeitig fanden sich bei einem von 21 Patienten, die Amoxicillin erhielten, Nebenwirkungen in Form von Übelkeit, Durchfall oder Hautausschlag. Getrennt ausgewertet wurde die Subgruppe der Patienten, die ≥ 60 und ≥ 70 Jahre ist. Hier fand sich jedoch kein Unterschied zur Gesamtpopulation.

Fazit

Die Studie von Little et al. ist die vermutlich größte je durchgeführte Untersuchung zur Antibiotikatherapie der unkomplizierten Bronchitis. Ein Nutzen der Behandlung mit Amoxicillin ist nicht vorhanden, bzw. ist so marginal, dass er durch die Nebenwirkungen wieder aufgezehrt wird. Für die tägliche Arbeit in der Apotheke kann man die klare Aussage treffen, dass Antibiotika bei normalem Krankheitsverlauf keinen zusätzlichen Nutzen bringen. Eine sich verschlechternde Resistenzlage ist hierbei sogar noch zusätzlich zu berücksichtigen.


Quelle

[1] Little P, Stuart B, Moore M, et al. Amoxicillin for acute lower-respiratory-tract infection in primary care when pneumonia is not suspected: a 12-country, randomised, placebo-controlled trial. Lancet Infect Dis. 2013; 13(2): 123 – 129.

[2] Burkhardt O, Ewig S, Haagen U, et al. Procalcitonin guidance and reduction of antibiotic use in acute respiratory tract infection. Eur Respir J. 2010 36(3): 601 – mmm607.

[3] Vugt SF, Verheij T, Jong PD, et al. Diagnosing pneumonia in patients with acute cough: clinical judgement compared to chest radiography. Eur Respir J. 2013 Jan 24.


Apotheker Olaf Rose, PharmD



DAZ 2013, Nr. 6, S. 48

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