DAZ aktuell

Kooperationsgipfel des Bundesverbands Deutscher Apothekenkooperationen

MÜNCHEN (diz). Von den 20.900 Apotheken, die es in Deutschland noch gibt, haben sich bereits rund 16.500 einer Kooperation angeschlossen. Und jedes Jahr finden weitere den Weg unter das Dach einer der rund 40 größeren Kooperationen. Mit Fragestellungen rund um das Thema Kooperation befasste sich der Bundesverband Deutscher Apothekenkooperationen (BVDAK) auf seinem Kooperationsgipfel, der am 7. und 8. Februar in München stattfand. Etwa 250 Teilnehmer von Kooperationen, Industrie, Großhandel und Dienstleistungsfirmen nahmen daran teil.
Updates im Kooperationsmarkt 2013 stellten Klaus Hölzel (vorne links) und Dr. Stefan Hartmann vor. Derzeit sind 16.500 Apotheken Mitglieder einer oder mehrerer Kooperationen. Eine Umfrage hat ergeben, dass für etwa 55 Prozent eine Kooperationspartnerschaft auch für eine erste oder weitere Filiale infrage kommt.
Foto: Hans-Peter Höck

Dr. Stefan Hartmann, Vorsitzender des BVDAK, forderte die Politik auf, endlich ein Machtwort beim Kassenabschlag zu sprechen. Der erhöhte Kassenabschlag von 2,05 Euro für die Jahre 2011 und 2012 sei lediglich ein Sonderopfer gewesen. Ab 2013 müsse auf der Basis eines Kassenabschlags von 1,75 Euro neu verhandelt werden. Mit einer Resolution forderte der BVDAK das Bundesgesundheitsministerin und das Bundesversicherungsamt auf, dafür zu sorgen, den Kassenabschlag bis zu den Neuverhandlungen bei 1,75 Euro zu belassen.


Gipfelstürmer Dr. Stefan Hartmann, Vorsitzender des Bundesverbands Deutscher Apothekenkooperationen (BVDAK), und Klaus Hölzel, Apotheken Management-Institut und Moderator, zeigten sich zufrieden mit Verlauf und Ergebnis der Tagung.
Foto: Hans-Peter Höck

Marktsituation

Insgesamt gibt es zurzeit 19.400 Mitgliedschaftsverträge zwischen Apotheken und Kooperationen, davon sind etwa 2900 Mehrfachmitgliedschaften. Demnach haben sich 16.500 Apotheken einer oder mehrerer Kooperationen angeschlossen. Auf dem Markt gibt es etwa 40 nennenswerte Kooperationen, 27 von ihnen haben mindestens 100 Mitglieder.

Wie Klaus Hölzel vom Apotheken Management-Institut, Oestrich-Winkel, aufzeigte, gebe es im Kooperationsmarkt durchaus noch Bewegung. Bei den "Partner-Apotheken", bei "Migasa", "Pharm net", "EMK" und "E-plus" ist beispielsweise derzeit ein beschleunigter Mitgliederzuwachs festzustellen, während sich ein eher langsamer Mitgliederzuwachs bei "Elac", "Cura-san", "Avie", "easy" und "apo-rot" abzeichnet. Einen langsamen Mitgliederrückgang stellt man dagegen bei "gesund leben", "Linda" und "gesund ist bunt" fest. Und naturgemäß ist der Mitgliederrückgang beschleunigt bei "DocMorris" und "gesine".

Der Hauptgrund, einer Kooperation beizutreten, ist für 65 Prozent der Apotheken der finanzielle Vorteil im Einkauf, so eine Umfrage unter den Kooperationsapotheken. Daneben schätzen 40 Prozent der befragten Apotheken auch die Vorteile im Marketing als wichtig ein. Für etwa 55 Prozent der Kooperationsapotheker kommt eine Kooperationspartnerschaft für eine erste oder weitere Filiale infrage, wobei die Wahl der Kooperation für die Filiale unabhängig von der Erstkooperation getroffen wird.

27 Prozent der befragten Apotheker sind aktuell mit der Wahl ihrer Kooperation zufrieden oder sehr zufrieden.

Hartmann ließ es sich nicht nehmen, Kritik an der ABDA zu üben. Nach seiner Auffassung kann die Gleichschaltung aller Apotheken und die Orientierung an den kleinen Apotheken nicht zukunftsträchtig sein. Er fragte, ob die Zukunft wirklich pharmazeutisch entschieden wird, wie das Credo der ABDA laute. Hartmann: "Unsere heilberufliche Zukunft wird politisch und betriebswirtschaftlich entschieden." Demnach habe die inhabergeführte Apotheke und das Patientenwohl, so Hartmanns Fazit, dann eine Chance, "wenn sie bereit ist, den Systemwandel als Chance zu begreifen und bereit ist, diesen aktiv zu begleiten, wenn die Politik der inhabergeführten Apotheke eine Chance gibt, wenn die übrigen Marktteilnehmer bereit sind, auch neue Wege zu gehen, und wenn die ABDA durch mehr Demokratie und Transparenz mithilfe junger Verbände zu einer zeitgemäßen Interessensvertretung gegenüber Politik und Gesellschaft wird".

Und zu den Chancen der Kooperationen merkte er an: "Die Apothekenkooperationen und damit jedes Mitglied haben dann eine Chance, wenn sie als homogene Gemeinschaft professionell geführt werden, wenn die wirtschaftlichen Ziele von allen konsequent umgesetzt werden, wenn der ökonomische Erfolg messbar ist und Kunden kaufrelevante Argumente erhalten, und wenn die politische Bedeutung der Kooperationen als Teil der Apothekenstruktur akzeptiert wird, ohne dass daraus Vorläufer einer Kettenbildung abgeleitet werden.

Volles Haus beim Kooperationsgipfel. Rund 250 Teilnehmer aus Kooperationen, Industrie, Großhandel und Dienstleistern fanden sich am 7. und 8. Februar in München ein.
Foto: Hans-Peter Höck

Von der Insolvenz bis zum Kartellrecht

Das Vortrags- und Diskussionsprogramm auf dem Kooperationsgipfel bot auch in diesem Jahr eine große Bandbreite.

  • Die Frage, wie man mit notleidenden Kooperationsmitgliedern umgehen soll, "retten oder raus?", versuchte Horst Tiedtke, Vorstand von farma-plus, zu beantworten. Sein Fazit: sie lässt sich nicht einfach und nur von Fall zu Fall beantworten. Sein Vorschlag: erste Priorität hat die Rettung. Nur wenn die Apotheke sichtlich nicht mehr rettbar ist, dann ist der Ausschluss angezeigt. Ein Imageschaden für die Kooperation ist zu vermeiden (evtl. sollte vorher noch der Namen der Apotheke geändert werden).

  • "Schneller als der Versandhandel" rühmt Thomas G. Stiegler, Köln, sein Konzept des Pillentaxi. Apotheken, die an diesem Konzept teilnehmen, zahlen eine einmalige Aufnahmegebühr (995 Euro), eine monatliche Konzeptgebühr (79 Euro) und können dann einen speziell designten Fiat 500 leasen (monatlich 229 Euro). Erkennungszeichen ist eine große rot-weiße Kapsel am Heck. Mit dem auffälligen Pillentaxi erledigen die Apotheken beispielsweise die Boten- und Bringdienste. Teilnehmende Apotheken erhalten Gebietsschutz und können über eine eigene Internetseite von den Patienten gefunden werden.

  • Celesio/Gehe strukturiert derzeit seine Kooperationen neu. Nach dem Verkauf der DocMorris-Versandapotheke werden in den nächsten Jahren auch die Franchise-Verträge der stationären DocMorris-Apotheken auslaufen und nicht mehr verlängert. Nach Aussage von Andreas Engleder, Marketing Direktor bei Gehe, Stuttgart, ist es zwar noch nicht definitiv entschieden, aber "sehr wahrscheinlich", dass die Apotheken dann unter dem Kooperationsnamen "Lloyds" betrieben werden können, so man möchte. Derzeit wird das Lloyds-Konzept in Pilot-Apotheken in Italien und Großbritannien getestet. Falls ein solches Konzept für die eine oder andere Apotheke nicht infrage komme, so Engleder, biete Gehe außerdem die Möglichkeit der "gesund leben"-Kooperation.

  • Soll man einer Kooperation beitreten oder soll man nicht? In einer Podiumsdiskussion tauschten Apotheker Pierre Theuerkauf, Egelsbach Apotheke, Egelsbach, und Apotheker Dr. Andreas Dehne, Teltow-Apotheke, Berlin, Pro- und Contra-Argumente aus. Während die Zugehörigkeit zu einer Kooperation für Theuerkauf viele Freiräume für sein unternehmerisches Handeln schafft und er sich ein erfolgreiches Arbeiten ohne Kooperation nicht mehr vorstellen kann, würde sich Dehne durch eine Mitgliedschaft in einer Kooperation in seiner Freiheit extrem eingeschränkt fühlen. Er bleibt dabei: "Ich werde keiner Kooperation beitreten", er möchte auch weiterhin frei und unabhängig entscheiden – und Einkaufsvorteile könne er auch ohne Kooperation wahrnehmen.

  • Am Beispiel der Einkaufsgemeinschaft deutscher Kaufleute (Edeka) im Lebensmitteleinzelhandel erklärte Prof. Dr. H. Joachim Zentes, Universität des Saarlandes, was die Schlagkraft einer Kooperation ausmacht. Leitbild bei Edeka sei: viele Unternehmer, ein Unternehmen. Das genossenschaftlich geprägte Unternehmen wird zu 100 Prozent von den Einzelkaufleuten beherrscht. Edeka habe die Balance gefunden zwischen einem großen Leistungsumfang für die Mitglieder und gleichzeitiger Verbindlichkeit der Mitglieder zum Unternehmen, was nicht immer einfach war, wenn man weiß, dass Edeka auch weitere Märkte wie Netto und Marktkauf integrierte, die mit dem Edeka-Laden durchaus in Wettbewerb stehen können.

  • Eine bei Prof. Riegl & Partner, Hochschule Augsburg, in Auftrag gegebene Studie über das Image und die Beurteilung des BVDAK zeigte, dass die BVDAK-Mitglieder ihrem Verband die Note 2,6 erteilen, was Luft nach oben lässt. Als sehr gut beurteilten die Mitglieder die Ausrichtung des jährlichen Kooperationsgipfels. Mehr Aktivitäten erwarten sich die Mitglieder in Richtung Politik und ABDA. Der BVDAK-Vorsitzende hofft darüber hinaus, dass sich seinem Verband auch größere Kooperationen anschließen werden.

  • Auf die Bedeutung der lokalen Markenführung der Apotheke machte Prof. Dr. Andreas Kaapke, Kaapke-Projekte, Ludwigsburg, aufmerksam. Auch unter dem Dach einer Kooperation dürfe die Apotheke nicht darauf verzichten, ihr eigenes unverwechselbares Image herauszustellen. Kaapke verwies dabei auf Möglichkeiten, das "local branding" zu stärken, beispielsweise mit den Werkzeugen, die die Firma "marcapo" bietet. Ihr Geschäftsführer Jürgen Ruckdeschel zeigte an Beispielen, wie einfach es auch für eine Apotheke sein kann, eine professionelle Werbung (Plakate, Flyer und viele andere Werbeformen) zu gestalten.

  • Den OTC-Abverkauf in der Apotheke zu stärken, dafür machte sich Dr. Martin Weiser, Geschäftsführer des Bundesverbands der Arzneimittel-Hersteller (BAH) stark. Eine Studie zur Verbraucherwahrnehmung der Selbstmedikation zeigt neue Ansatzpunkte, wie Verbraucher die Arzneimittel, die sie selbst kaufen, sehen, beispielsweise als Einmischung in die Natur, als Schamanismus, begleitet von Schuldgefühlen, zum Teil auch von Misstrauen. Hier sollte der Apotheker ansetzen und versuchen, dem Verbraucher Vertrauen zu vermitteln und die Unsicherheit zu nehmen. Denn: Die Selbstmedikation ist eine wirtschaftliche Säule und wichtige strategische Option für die Apotheke, außerdem ein Frequenzbringer. Für den Apotheker ergeben sich erhebliche Potenziale, so Weiser, wenn er die Erkenntnisse aus der Verbraucherwahrnehmung nutzt.

  • Ihr Konzept der Bären-Apotheken stellte Heidi Eiberger, Apothekerin in Selm, vor. Mithilfe eines ausgeklügelten CI-Konzeptes, mit dem Symbol eines Bären als Sympathieträger und der Farbe violett, baute sie ein Partnerschaftskonzept für Apotheken auf, das geprägt ist von einem Wir-Gefühl im Team, Kompetenz durch Fortbildung, Kundenorientierung, Idealismus, von der Apotheke als Erlebnis und mit bester pharmazeutischer Qualität. Eigene Aktionsprogramme für die Kunden wie Einladung von Selbsthilfegruppen, Kundenweihnachtsfeiern, Bären-Reisen für Kunden und einem Juniorclub für die Kinder sowie verschiedene Aktionstage lösen eine hohe Kundenbindung aus. Der Erfolg in ihrem Filialverbund animierte sie, ihr Konzept auch anderen Apotheken anzubieten. Zurzeit nehmen 17 Apotheken am Bären-Konzept teil, im Juli sollen es bereits 20 sein.

  • Eine Diskussionsrunde mit Dr. Martin Weiser (BAH), Prof. Dr. Günter Neubauer, Institut für Gesundheitsökonomik, München, und Dr. Stefan Hartmann (BVDAK) unter Moderation von Klaus Hölzel ging der Frage nach, was Pharma-Lobbyismus wirklich erreichen kann. Nur filigranen Mehrwert oder durchschlagenden Erfolg? Hintergrund der Diskussion war die Datenklauaffäre und die Frage, ob auch die ABDA hierin verwickelt ist. Prinzipiell: Lobbyismus ist ein legitimes Anliegen in der Demokratie und dürfe nicht mit Korruption verwechselt werden. Wichtig sei es, bestimmte Spielregeln einzuhalten. Im Fall der ABDA wäre es gut, so die Diskutanten, wenn hier alle Karten auf den Tisch gelegt würden. Nur vollkommene Transparenz statt Aussitzen könne der Weg zu mehr Glaubwürdigkeit sein.

  • Vorsicht vor Kartellrechtsfallen! Prof. Dr. Eckhard Flohr, Düsseldorf, zeigte an Beispielen, welche Tücken beispielsweise Gemeinschaftsflyer und -werbung von Kooperationen haben können. Ist eine Kooperation beispielsweise horizontal organisiert, dann verlangt das Wettbewerbsrecht, dass in einer Gemeinschaftswerbung (Flyer, Anzeige) alle teilnehmenden Apotheken mit voller Anschrift im Impressum des Flyers bzw. der Werbeanzeige aufgeführt sind. Dies wiederum könnte allerdings das Kartellamt auf den Plan rufen, da aus dieser Gemeinschaftswerbung dann eine Preisabsprache ableitbar ist, was gegen das Kartellrecht verstößt – eine Zwickmühle, die derzeit nicht geklärt ist.

  • Wie sich aus Sicht der Generikaindustrie die Zusammenarbeit mit Kooperationen darstellt, ließ Wolfgang Späth, Vorstand der Hexal AG, Holzkirchen, durchblicken. Sein Fazit: Die Wunschkooperation gibt es (noch) nicht. Eine Kooperation könne aber durchaus mehr für einen Hersteller tun, beispielsweise bei Rabattarzneimitteln, nämlich eine hohe Bevorratung und Verfügbarkeit der Präparate. Er forderte ein Commitment der Apotheken ein. Eine gelebte Partnerschaft zwischen Hersteller und Kooperationsapotheken führe zum Erfolg.



DAZ 2013, Nr. 7, S. 16

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