Rabattverträge

Aufwand honorieren!

Rabattbegünstigte Arzneimittel verursachen höheren Beratungsbedarf

Uwe Hüsgen | Die Rabattverträge zwischen gesetzlichen Krankenkassen und pharmazeutischen Unternehmen, im Jahr 2007 eingeführt, haben weitreichende Auswirkungen: Für die Krankenkassen generieren sie wesentliche Einsparpotenziale; sie haben Wirkung auf die Versorgungssicherheit und -qualität der Versicherten; und sie stellen eine enorme logistische, finanzielle und kommunikative Herausforderung an Großhandel und vor allem Apotheken dar (s. hierzu auch "Rabattverträge – ökonomische Folgen für die Apotheke", DAZ 2008, Nr. 14, S. 75). Gut vier Jahre nach Inkrafttreten der Verpflichtung zur Abgabe rabattbegünstigter Arzneimittel soll an dieser Stelle der Versuch unternommen werden, die finanziellen Auswirkungen dieser Verträge nach § 130a Abs. 8 SGB V auf die wirtschaftliche Situation und Entwicklung der öffentlichen Apotheken zu analysieren.

Zur richtigen Beurteilung ist es wichtig, vorab die gesamtwirtschaftliche Entwicklung der öffentlichen Apotheken seit dem GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) und dem Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbes in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG) zu untersuchen. Dies soll in drei Schritten erfolgen:

  • Entwicklung der Zahl der Apotheken-Betriebsstätten (seit 2000)
  • Entwicklung der Zahl der (pharmazeutischen) Mitarbeiter in öffentlichen Apotheken
  • Entwicklung der (zulasten der GKV) abgegebenen Arzneimittelpackungen über öffentliche Apotheken

Folglich wird zunächst dargestellt, wie sich die Zahl der öffentlichen Apotheken insbesondere seit 2002, dem "Basisjahr für die Umstellung der bis dato degressiv ausgestalteten Arzneimittelpreisverordnung auf das Kombimodell", entwickelt hat.

Zahl der Apotheken folgt – zwangsläufig – gesetzlichen Vorgaben

Die Zahl der öffentlichen Apotheken – jeweils zum Jahresende ermittelt – erreichte seit der Vereinigung Deutschlands ihren (vorläufigen) Höchststand im Jahre 2000, mit 21.592 Betrieben (vgl. Tabelle 1). In den Neuen Bundesländern wurden in den folgenden Jahren zwar weiterhin mehr Apotheken eröffnet als geschlossen, denn die Versorgungsdichte, hier definiert als Zahl der Einwohner je Apotheke, war dort noch verbesserungsfähig, neue Apotheken rechneten sich noch. Dennoch übertraf die Zahl der (saldierten) Schließungen in den alten Bundesländern ab 2001 erstmals die Zahl der (saldierten) Neueröffnungen im Osten. 2004 wurde den Apothekern durch das GMG die Möglichkeit eröffnet, neben der Hauptapotheke bis zu drei Filialapotheken zu betreiben. Damit fanden bisher unverkäufliche Apotheken, als Filialen weiterbetrieben, plötzlich einen neuen Besitzer. Und an geeigneten, bisher nicht mit Apotheken besetzten Standorten wurden einige wenige Apotheken neu eröffnet, die nicht selten in einen Filialverbund eingegliedert wurden. Folglich stieg die Zahl der Apotheken-Betriebsstätten wieder an, bis auf einen (erneuten) Höchststand von 21.602 zum Ende des Jahres 2008, um anschließend wieder – diesmal dramatisch schnell und bis heute ungebremst – zu fallen. Grund für diesen – versorgungspolitisch bedenklichen – Rückgang der Zahl der Apotheken-Betriebsstätten ist vor allem die mangelnde Rentabilität aufgrund der Nicht-Anpassung des Festzuschlags von 8,10 Euro (für den Zeitraum vom 1.1.2004 bis zum 31.12.2012) je abgegebener Packung verschreibungspflichtiger Fertigarzneimittel (Rx-FAM) an die Kostenentwicklung, hängt doch seit Einführung des Kombimodells der in Apotheken erwirtschaftete Rohertrag ganz wesentlich von der Zahl der abgegebenen (Rx-FAM-)Packungen ab.

Steigende Mitarbeiterzahlen – auch in Zeiten rückläufiger Betriebsstätten

Die ABDA gibt in ihrer nach Berufsgruppen gegliederten Arbeitsplatzstatistik die Zahl der in öffentlichen Apotheken tätigen Mitarbeiter zum Jahresende – also mit Stichtag 31. Dezember – an. Addiert man zu den einzelnen Werten des Berichtsjahres die jeweils zugehörigen Zahlen des Vorjahres und dividiert diese Summe anschließend durch zwei, so erhält man die im Berichtsjahr durchschnittlich Beschäftigten je Berufsgruppe. Auf diese Durchschnittswerte beziehen sich die nachfolgenden Analysen und Berechnungen.


Sind die Mitarbeiterzahlen "repräsentativ"?


Kritiker könnten anmerken, die ABDA veröffentliche im Rahmen ihrer Mitarbeiterstatistiken nur "Kopfzahlen", die wegen der Vielzahl an Teilzeitbeschäftigten über die wahren Beschäftigungsverhältnisse nur wenig Aufschluss gäben. Folgende Berechnung zeigt aber, dass dies nicht der Fall ist:

Unter Berücksichtigung eines Netto-Umsatzzuwachses je Apotheke von 2006 bis 2011 um durchschnittlich gut 18 Prozent und einem Anstieg der Kopfzahl insgesamt von knapp 4,5 Prozent liegt die (umsatzbezogene) Produktivitätssteigerung je Mitarbeiter bei rund 13,1 Prozent – innerhalb von fünf Jahren! (Beachte: Die Mehrwertsteuererhöhung in 2007 ist nicht berücksichtigt!)

Die absoluten Personalkosten (einschließlich Unternehmerlohn) sind im selben Zeitraum um rund 11,6 Prozent gestiegen, so die internen Berechnungen auf Grundlage des beim Kölner Institut für Handelsforschung (IFH) jährlich durchgeführten Betriebsvergleichs für Apotheken. Im Ergebnis bedeutet dies, dass das "durchschnittliche Entgelt je Kopf" in den letzten fünf Jahren um fast 6,9 Prozent angestiegen ist. Das entspricht einer – realistischen – jährlichen Steigerungsrate von rund 1,3 bis 1,4 Prozent, Fluktuation der Mitarbeiter eingeschlossen.

Diese Zahlen belegen, dass der Anteil der Teilzeitbeschäftigung in Apotheken in den letzten Jahren in etwa konstant geblieben ist, bei den folgenden Berechnungen also – relativ problemlos – auf die von der ABDA veröffentlichten "Kopfzahlen" zurückgegriffen werden kann.


Die Zahl der in den Apotheken beschäftigten Mitarbeiter hat sich, abgesehen vom "GMG-Jahr 2004", in der Vergangenheit stets erhöht. Angesichts der wirtschaftlichen Situation und Entwicklung der öffentlichen Apotheken wurden und werden neue Arbeitsplätze nur dann geschaffen, wenn das Apothekenteam die anstehenden Aufgaben nicht länger in bewährter Besetzung erledigen konnte bzw. kann. Der bis heute ungebremste Mitarbeiterzuwachs verlief innerhalb der einzelnen Berufsgruppen allerdings sehr unterschiedlich (vgl. Tabelle 2).

Bedingt durch die wirtschaftlich angespannte Situation vor Inkrafttreten des GMG sank die Zahl der Apotheker (Inhaber und approbierte Angestellte) von 2002 bis 2004, der Entwicklung der Apothekenzahlen folgend, von 46.191 um mehr als 110 auf 46.077 (in 2004). Anschließend stieg die Zahl stetig an. Der Anteil der Apotheker weiblichen Geschlechts, die in öffentlichen Apotheken tätig sind, hat dabei stets zugelegt, bis heute auf 70 Prozent.

Die Zahl der Pharmazeutisch-technischen Assistenten (PTA) hat – ihrer Bedeutung für die Arzneimittelversorgung entsprechend – von 2000 bis 2011 um absolut 17.360, und damit um fast 45 Prozent, zugelegt. Der Zuwachs gegenüber 2004 liegt bei rund 30 Prozent, gegenüber 2006, also innerhalb von nur fünf Jahren, immerhin noch bei über 18 Prozent.

Die Entwicklung der Zahl der Pharmazeutisch-kaufmännischen Angestellten (PKA) (sowie der Helferinnen und der sonstigen Berufsgruppen) ist offensichtlich Frühindikator für die wirtschaftliche Entwicklung der Apotheken. So stieg die Zahl dieser Personengruppe von 2000 bis 2002 um mehr als 1230, oder um gut 3,2 Prozent, um in den nächsten zwei Jahren, aufgrund der wirtschaftlich schlechteren Zeiten, um fast 2630 zu sinken.

Mit Beginn des Zeitalters der Filialisierung wurden auch wieder vermehrt PKA eingestellt, waren approbierte Mitarbeiter und PTA doch nicht in ausreichendem Maße und zu angemessenen Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt zu finden. Aber bereits im Jahre 2007 änderte sich diese Entwicklung erneut. Ab diesem Zeitpunkt, mit Inkrafttreten des GKV-WSG und der Verpflichtung zur Abgabe von rabattbegünstigten Arzneimitteln, hat die Zahl der nicht-pharmazeutischen Mitarbeiter in öffentlichen Apotheken – auch absolut – wieder abgenommen; eine gegenläufige Entwicklung ist bis heute nicht erkennbar. Verfügten im Jahre 2000 noch 28,1 Prozent aller in öffentlichen Apotheken Beschäftigten nicht über eine pharmazeutische Ausbildung, so sank ihr Anteil bis 2011 auf weniger als 23,2 Prozent.

Auf die Pharmazeuten im Praktikum und die "aussterbenden" Berufe Apothekerassistent und Pharmazieingenieur soll hier nicht weiter eingegangen werden.

Im Ergebnis stieg die Zahl der gesamten Arbeitsplätze in öffentlichen Apotheken in 2011 gegenüber 2000 um 9,2 Prozent, gegenüber 2006 immerhin noch um fast 4,5 Prozent. Dabei hat der prozentuale Anteil der pharmazeutischen Mitarbeiter an der Gesamtzahl der Beschäftigten in den öffentlichen Apotheken seit 2002 Jahr für Jahr zugenommen; 2011 waren dies annähernd 77 Prozent!

Zwischenfazit

Die Zahl der Mitarbeiter in öffentlichen Apotheken nimmt, trotz seit Längerem erkennbar rückläufiger Zahl an Apotheken-Betriebsstätten, zu.

Dabei legt der Anteil der pharmazeutischen Mitarbeiter, mit ungebrochener Tendenz, deutlich schneller zu als die Gesamtmitarbeiterzahl.

Die "Substitution" von nicht-pharmazeutischem durch pharmazeutisches Personal ist gleichbedeutend mit einer besseren Qualifikation der Mitarbeiter, die sich in der Beratungsqualität und insbesondere der -intensität niederschlagen dürfte. Folglich stellt sich die Frage:

Können sich die Apotheken diesen Mitarbeiterzuwachs leisten? Ist dieser Anstieg ökonomisch zu rechtfertigen, zu finanzieren?

Zentraler Maßstab für die notwendige Zahl an pharmazeutischen Mitarbeitern, die in öffentlichen Apotheken zur ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung zur Verfügung stehen müssen, ist die Zahl der Beratungsgespräche, statistisch (annähernd) erfasst in der Zahl der abgegebenen Arzneimittelpackungen (dabei wird die Kennzahl "abgegebene Packungen je Mitarbeiter" auch als "Absatzproduktivität je Mitarbeiter" bezeichnet).

Abgegebene Arzneimittelpackungen

Die Anzahl der in Anspruch genommenen Arzneimittel(-Packungen) korreliert im Allgemeinen mit der (demografischen Entwicklung der) zu versorgenden Bevölkerung. Die Zahl der Einwohner hat in Deutschland seit 2002 Jahr für Jahr kontinuierlich abgenommen, von 82,71 Mio. (2002) auf 81,75 Mio. (2010); für 2011 verzeichnet die Bundesrepublik, nicht zuletzt aufgrund der Osterweiterung und des mit der zunehmenden Jugendarbeitslosigkeit in den südlichen EU-Ländern verbundenen Zuzugs, einen minimalen Anstieg auf 81,84 Mio. Einwohner. Im Ergebnis ist die Bevölkerung in den letzten zehn Jahren damit um etwa ein Prozent geschrumpft (vgl. Tabelle 1).


Hintergrund – abgegebene Arzneimittel


Verlässliche Angaben über die Zahl der in Apotheken abgegebenen Packungen liegen nur für den Arzneimittelbereich vor. Außerhalb des Arzneimittelsortiments ist diese Zahl zum Teil nicht sauber zu ermitteln; man denke nur an die Inkontinenzversorgung (was ist hier eine Packungseinheit?).

Nach Angaben der ABDA tätigen die öffentlichen Apotheken seit 2006 zwischen 90,5 und 92,5 Prozent ihres Umsatzes mit Arzneimitteln. Die teilweise sehr beratungsintensiven Krankenpflegeartikel erreichen zwischen 4 und 4,5 Prozent; der Restumsatz (rund 4 Prozent) entfällt auf das sogenannte Ergänzungssortiment. Gerade im Bereich der Hilfsmittelversorgung und des Ergänzungssortimentes (Beispiel: Kosmetik) sind es – auch aus ökonomischen Gründen – vor allem die nicht-pharmazeutischen, in diesen Segmenten qualifizierten und spezialisierten Mitarbeiter, die den Versicherten, Patienten, Kunden mit Rat und Tat zur Seite stehen.

Aus oben genannten Gründen kann – und muss – die (Beratungs-)Leistung der pharmazeutischen Mitarbeiter unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten (nur) an der Zahl der abgegebenen Arzneimittelpackungen gemessen werden.


Bei der Analyse der abgegebenen Arzneimittelpackungen ist zu berücksichtigen, dass das GMG mit der – gesundheitspolitisch äußerst bedenklichen – Entlassung der apothekenpflichtigen, nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel aus der Erstattungspflicht tiefe Spuren bei Absatz und Umsatz der öffentlichen Apotheken hinterlassen hat (s. auch "Neue Arzneimittelpreisverordnung – Fluch oder Segen?", DAZ 2011, Nr. 4, S. 60). So hat der Absatz – aufgrund der restriktiven Vorgaben dieses Gesetzes – von 2002 bis 2004, also innerhalb von nur zwei Jahren, um 150 Mio. Arzneimittelpackungen abgenommen; das entspricht einem Verlust von 9,1 Prozent. Verantwortlich für diesen Verlust war, GMG-bedingt, der Rückgang bei den verordneten Arzneimitteln um 15,8 Prozent; die Selbstmedikation konnte im selben Zeitraum noch um 1,6 Prozent zulegen.

Trotz der demografischen Entwicklung, des medizinisch- und pharmazeutisch-technischen Fortschritts sowie kürzerer Verweildauer in den stationären Einrichtungen sank die Zahl der in öffentlichen Apotheken abgegebenen Arzneimittelpackungen anschließend weiter, von knapp 1,5 Mrd. in 2004 um 100 Mio. (oder um 6,7 Prozent) auf knapp 1,4 Mrd. Packungen in 2011. Dabei ist die Entwicklung in den einzelnen Arzneimittelsegmenten nicht einheitlich verlaufen.

Die Zahl der zulasten der GKV abgegebenen verschreibungspflichtigen Arzneimittel (Rx-AM) ist von 2002 auf 2004, nicht zuletzt aufgrund der den Vertragsärzten zum damaligen Zeitpunkt angedrohten Arzneimittelregresse, um 16 Mio. Packungen (bzw. um 3,0 Prozent) zurückgegangen, um anschließend von 527 Mio. Packungen (2004) wieder auf 592 Mio. Rx-AM-Packungen in 2011, oder um 12,4 Prozent, anzusteigen (vgl. Tabelle 3). Dass die Rx-AM (zur Definition sei auf die Erläuterungen zu Tabelle 3 verwiesen) außerhalb der GKV nicht so stark angestiegen sind, lässt sich darauf zurückführen, dass die Ärzte Privatversicherten auch nach Inkrafttreten des GMG weiter (die in der Vergangenheit bewährten!) apothekenpflichtigen Arzneimittel verschrieben haben, während sie bei GKV-Versicherten auf erstattungsfähige Rx-AM umgestiegen sind oder auf die Verordnung von Arzneimitteln ganz verzichtet haben.

Während die Selbstmedikation mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln von 2004 bis 2011 – absatzbezogen – um 97 Mio. Packungen (oder um 16,6 Prozent) zurückging, hat es die verordneten apothekenpflichtigen Arzneimittel, deren Anteil an der (bereits rückläufigen) Zahl der apothekenpflichtigen Arzneimittel insgesamt 32,8 Prozent in 2002 betrug, besonders hart getroffen. Der gravierende Einbruch erfolgte im Jahre 2004 (mit einem Anteilsrückgang auf 21,6 Prozent), um bis 2011 auf einen Anteil von nur noch 17,9 Prozent zu fallen.

Ein schmerzhafter Einbruch für Apotheken – und Versicherte. Auch aufgrund des mit dem Erstattungsausschluss einhergehenden Imageverlustes von nicht-verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, dem Switch von Arzneimitteln zu (nicht-apothekenpflichtigen) Nahrungsergänzungsprodukten (nicht selten verbunden mit dem Wechsel zu anderen Vertriebskanälen), begleitet von einem Kaufkraftverlust der Bevölkerung, hat die Selbstmedikation in Apotheken seit 2004, gemessen an der Zahl der abgegebenen Packungen, stark an Bedeutung verloren. Der Absatzrückgang, bezogen auf 2011, beträgt 122 Mio. Packungen, bzw. 18,7 Prozent.

Zwar konnten die verordneten Arzneimittel, hierbei insbesondere die zulasten der GKV abgegebenen Rx-AM, von 2004 bis 2011 – Demografie-bedingt – um 2,6 Prozent zulegen. Das reichte aber bei Weitem nicht aus, den Arzneimittelabsatz insgesamt zu stabilisieren. Letztlich wurden damit in den öffentlichen Apotheken im Jahre 2011 rund 100 Mio. Arzneimittelpackungen (oder 6,7 Prozent) weniger abgegeben als 2004.

Bei einem tendenziell feststellbaren Rückgang bzw. einer Stagnation an verkauften Einheiten und einer eingefrorenen Marge (hier: keine Anpassung des Festzuschlags für Rx-FAM) werden Ökonomen dazu raten, die zum Verkauf notwendigen Produktionsfaktoren der allgemeinen Absatzentwicklung anzupassen, zu rationalisieren. Für die öffentlichen Apotheken hieße dies, die Mitarbeiterzahl der Absatzentwicklung entsprechend anzupassen bzw. zu reduzieren. Von daher soll nachfolgend analysiert werden:

Sind die Apotheken diesem ökonomischen Prinzip gefolgt?

Und wenn Nein: Warum nicht?

Berechnung des absatzpolitisch/ökonomisch notwendigen Personalbedarfs

Das GMG hinterließ bei allen Marktbeteiligten, seien es Versicherte, Ärzte, Apotheken oder Großhandel, zunächst große Verunsicherungen. Man musste sich auf die neue Gesetzeslage erst einstellen. Dieser Anpassungsprozess, teilweise verbunden mit einem gewissen Nachholbedarf in 2005, dauerte etwa zwei Jahre, so dass eine Normalisierung der Abläufe in den Apotheken letztlich erst wieder seit 2006 festzustellen ist. Dieses Jahr eignet sich auch deshalb als Basisjahr für die weiteren Betrachtungen, weil es zu diesem Zeitpunkt noch keine gesetzliche Grundlage für (den Abschluss von Verträgen über) rabattbegünstigte Arzneimittel gab; diese wurden erst mit dem Inkrafttreten des GKV-WSG in 2007 akut.

Absatzproduktivität der pharmazeutischen Mitarbeiter

Die novellierte, Personalkosten-trächtige Apothekenbetriebsordnung ist (erst) im Laufe des Jahres 2012 in Kraft getreten; offizielle Zahlen über Packungen, Arbeitsplätze und Apotheken liegen bisher noch nicht vor. Deshalb können die Zahlen für 2012 bei den anstehenden Berechnungen auch keine Berücksichtigung finden; die Analyse erstreckt sich also – bewusst – auf die Jahre 2006 bis 2011.

Im Jahre 2006, ein Jahr vor Einführung der vertraglichen Verpflichtung zur Abgabe von rabattbegünstigten Arzneimitteln (nach § 130a Abs. 8 SGB V), waren in den öffentlichen Apotheken gut 104.460 pharmazeutische Mitarbeiter beschäftigt, die zur Abgabe von knapp 1,4 Mrd. Arzneimittelpackungen zur Verfügung standen. Je pharmazeutischem Mitarbeiter wurden im Jahre 2006 also mehr als 13.370 Arzneimittelpackungen abgegeben. Auf die Selbstmedikation entfielen dabei gut 5350; an ärztlich verordneten Arzneimitteln gab jeder Mitarbeiter folglich durchschnittlich rund 8020 Packungen ab. Dabei lag der Anteil der zulasten der GKV abgegebenen Rx-AM in 2006 bei 38,8 Prozent.

Von 2006 bis 2011 hat sich die absolute Zahl der in öffentlichen Apotheken abgegebenen Arzneimittelpackungen (mit rund 1,4 Mrd. Packungen) so gut wie nicht verändert; allerdings gab es Anteilsverschiebungen innerhalb der einzelnen Sortimentsbereiche. So stieg der Absatzanteil der zulasten der GKV abgegebenen Rx-AM von knapp 38,8 Prozent im Jahre 2006 auf 42,4 Prozent in 2011 an und legte damit um 9,3 Prozent zu (vgl. Tabelle 3). Folglich ging der Absatzanteil der "übrigen Arzneimittel" von 61,2 Prozent in 2006 auf 57,6 Prozent im Jahre 2011 zurück. Das entspricht einem Absatzverlust von 6,0 Prozent.

Aufgrund der Konstanz der insgesamt abgegebenen Arzneimittelpackungen müsste – aus rein ökonomischer Sicht – auch die Zahl der pharmazeutischen Mitarbeiter im Beobachtungszeitraum (relativ) konstant geblieben, wenn nicht sogar rückläufig sein. Denn aufgrund der Nichtanpassung des Festzuschlags für Rx-FAM hat der Rohertragszuwachs der öffentlichen Apotheken aus Arzneimittelumsätzen mit Sicherheit unterhalb der Inflationsrate gelegen.

Zur Berechnung

Zu den nachfolgenden Ausführungen sei auf die Rechensystematik gemäß Tabelle 4 verwiesen. Wie bereits dargestellt, hat jeder der gut 104.460 pharmazeutischen Mitarbeiter im Jahr 2006 durchschnittlich zu etwa 13.370 Arzneimittelpackungen beraten und diese abgegeben (s. Zeilen 1 und 2 von Tabelle 4). Unterstellt, der Beratungsbedarf über alle abgegebenen Arzneimittelpackungen wäre – Mitarbeiter-bezogen, als Absatzproduktivität bezeichnet – über die Jahre bis 2011 ähnlich hoch wie in 2006 gewesen, hätten mit dem Mehr an pharmazeutischen Mitarbeitern (von 9,0 Prozent gegenüber 2006) in 2011 auch entsprechend mehr Packungen, nämlich etwas mehr als 1,52 Mrd., abgegeben werden können. Tatsächlich waren es in 2011 aber nur gleich viele Packungen wie im Ausgangsjahr 2006.

Auf der Grundlage der Erhebungsdaten von Insight Health konnten die Anteile der rabattbegünstigten an den insgesamt zulasten der GKV abgegebenen Arzneimittelpackungen für die Jahre 2007 bis 2011 ermittelt werden (s. Tab. 4, Z. 6). Die Residualgröße aus der Zahl der abgegebenen Packungen insgesamt und der der rabattbegünstigten ergibt die Zahl der abgegebenen, nicht-rabattbegünstigten Arzneimittelpackungen (s. Tab. 4, Z. 8). Die für dieses Absatzsegment "benötigten pharmazeutischen Mitarbeiter" sind mittels der durchschnittlichen Absatzproduktivität des Jahres 2006 (s. Tab. 4, Z. 2) für die Jahre 2007 bis 2011 hochgerechnet worden. Demzufolge wurden für die Abgabe nicht-rabattbegünstigter Arzneimittel in 2007 knapp 99.000 pharmazeutische Mitarbeiter benötigt; in 2011 waren es – wegen der enormen Zunahme an rabattbegünstigten Arzneimitteln – noch weniger als 79.500 Mitarbeiter (vgl. Tab. 4, Z. 9). Die Differenz zwischen den pharmazeutischen Mitarbeitern insgesamt (s. Tab. 4, Z. 1) und den für die Abgabe von rabattbegünstigten Arzneimitteln benötigten Beschäftigten stellt folglich das personell benötigte Potenzial für die Abgabe von rabattbegünstigten Arzneimitteln dar. Dieses betrug im Jahre 2011 weit mehr als 34.400 Mitarbeiter (vgl. Z. 10), und lag damit um 9500 Beschäftigte (vgl. Z. 12) über dem "Normalbedarf" (vgl. Z. 11).

Damit muss die Frage, ob die Apotheken dem ökonomischen Prinzip gefolgt sind, eindeutig mit Nein beantwortet werden.

Dabei liegt die Vermutung nahe, dass die fachlich-pharmazeutische Beratung noch in vielen Fällen zu kurz kommt. Denn häufig ist der Versicherte, dem der pharmazeutische Mitarbeiter nach Suche im PC die Notwendigkeit der Aushändigung gerade dieses rabattbegünstigten Arzneimittels lang und deutlich zu erklären hatte, weder fähig noch willens, die an sich notwendige pharmazeutische Beratung zu diesem "neuen" Arzneimittel (z. B. Einnahmevorschrift, Compliance usw.) aufzunehmen.

Der Absatzproduktivität für die Abgabe von rabattbegünstigten Arzneimitteln im Zeitverlauf (vgl. Tab. 4, Z. 13) ist zu entnehmen, dass sich die Apotheken – nicht zuletzt wegen der Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt, zugleich wegen der angespannten wirtschaftlichen Situation – nur langsam auf den Bedarf an zusätzlichen qualifizierten Mitarbeitern einstellen konnten.

Letztlich mussten die Apotheken im Jahre 2011 mehr als 9500 hochqualifizierte Mitarbeiter mehr beschäftigen, als dies auf der Grundlage der Absatzproduktivität des Jahres 2006, dem letzten Jahr ohne Verpflichtung zur Abgabe von rabattbegünstigten Arzneimitteln zulasten der GKV, nötig gewesen wäre. Wieder auf der Grundlage der Betriebsvergleichsergebnisse des IFH, betrug das Bruttoentgelt (also einschließlich Arbeitgeberanteil) je beschäftigte Person in 2011 gut 44.000 Euro. Damit ergäben sich in den Apotheken Mehrkosten aufgrund der Verpflichtung zur Abgabe von rabattbegünstigten Arzneimitteln nur im Personalbereich von rund 420 Mio. Euro – allein in 2011.

Und damit ist auch die zweite, noch offene Frage beantwortet: Die Apotheken lassen, trotz wirtschaftlicher Schieflage, ihre Patienten nicht im Regen stehen, selbst wenn auch für öffentliche Apotheken gilt: In unserem System der Sozialen Marktwirtschaft können auf Dauer nur rentabel betriebene Apotheken die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung der Bevölkerung sicherstellen.

Ordnungspolitisch korrekt, müsste die (Personal-) Kostensteigerung, die sich unter Zuhilfenahme des IFH-Betriebsvergleichs zwischen 2006 und 2011 mit rund 11,6 Prozent angeben lässt, über die Anpassung des Festzuschlags eingepreist werden (besser: eingepreist worden sein!). Unter der Voraussetzung, dass die Anpassung des Festzuschlags – zumindest in der Zukunft – dieser Logik und den Vorgaben des Verordnungsgebers folgt, entfielen auf Mehrbelastungen zulasten der GKV "nur noch" etwa 375 Mio. Euro (netto!). (Interessierte Leser seien an dieser Stelle auf den Beitrag "Honorar und Abschlag", DAZ 2012, Nr. 40, S. 70 ff. verwiesen.)

Verursacher des oben genannten Mehrbedarfs an qualifizierten Apothekenmitarbeitern aufgrund der Verpflichtung zur Abgabe von rabattbegünstigten Arzneimitteln sind also die Gesetzlichen Krankenkassen, die nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums (Statistik KJ1) nach 0,85 Mrd. Euro in 2009 und 1,31 Mrd. Euro in 2010 im Jahre 2011 gut 1,72 Mrd. Euro an Herstellerrabatten aufgrund der Abgabe von rabattbegünstigten Arzneimitteln durch Apotheken einnehmen konnten.

In der Sozialen Marktwirtschaft werden diejenigen Marktpartner, die Erlöse zugunsten eines Dritten unter erhöhten eigenen Aufwendungen einziehen, an diesen Geschäften, z. B. mit einer Provision, beteiligt. Wenn also die öffentlichen Apotheken bei der Abgabe von rabattbegünstigten Arzneimitteln schon reine Erfüllungsgehilfen der Krankenkassen sind, dann müssen sie für solche Zusatzleistungen außerhalb ihrer pharmazeutischen Kernaufgaben auch zusätzlich entlohnt werden. Von daher wäre den Apotheken im Zuge der Abgabe eines rabattbegünstigten Arzneimittels als Aufwandsentschädigung ein Teil des Kassenrabatts, laut Modellrechnung etwa 1,13 Euro (netto!), zu erlassen. Da Personalkosten nicht der Umsatzsteuer unterliegen, schmälern zusätzliche Personalkosten den Rohertrag in exakt gleicher Höhe. Der Systematik der Umsatzsteuergesetzgebung folgend, können Zusatzkosten folglich nur durch zusätzliche Erlöse in gleicher Höhe zzgl. Mehrwertsteuer neutralisiert werden. Die Aufwandsentschädigung je abgegebenem, rabattbegünstigtem Arzneimittel beliefe sich folglich auf 1,34 Euro (brutto). Das wäre – ungeachtet der notwendigen Anpassung des Festzuschlags – ein fairer Ausgleich für die apothekerliche Mehrleistung/Mehrbelastung.

Auch unter Wettbewerbsgesichtspunkten wäre eine solche Regelung zu begrüßen, wären doch kleinere Krankenkassen, die im Zuge von Ausschreibungen nicht über entsprechend hohe Umsatzvolumen verfügen, und folglich auch nicht vergleichbare Stückrabatte mit den Herstellern aushandeln können, nicht mehr ganz so schlecht gestellt.


Autor


Dipl.-Math. Uwe Hüsgen, Essen, war langjähriger Geschäftsführer des Apothekerverbandes Nordrhein e.V.
E-Mail: uwe.huesgen@web.de

















DAZ 2013, Nr. 8, S. 24

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