Arzneimittel und Therapie

Vereinzelte Todesfälle sorgen für Unruhe

In den letzten Tagen überschlugen sich wieder einmal die Meldungen zu einem angeblich "neuen Coronavirus", das neuerdings sein Unwesen treiben soll. "Gefährlicher Erreger: Neues Coronavirus umgeht Immunabwehr..." titelt der Focus. Der Spiegel weckt Neugier mit der Überschrift "Großbritannien: Patient stirbt nach Coronavirus-Infektion". Und die Welt überschreibt ihren Bericht mit "Neues Coronavirus trickst Immunsystem leicht aus". Was ist dran an diesen Meldungen, und wie hat man sie unaufgeregt zu werten?

In der Tat ist mal wieder ein neues Virus aufgetaucht. Korrekter müsste man jedoch sagen, dass neuerdings ein Virus, das mit Sicherheit schon sehr lange Teil einer unübersichtlichen Population biologischer Informationsprogramme ist, die wir Viren nennen, beim Menschen ein gesundheitliches Problem verursacht. Ein schweres gesundheitliches Problem im Übrigen, und dies tatsächlich neuerdings: Seit April 2012 haben sich 13 Personen überwiegend in Saudi-Arabien und Jordanien mit dem Coronavirus infiziert, von denen sieben gestorben sind.

Altes Virus mit neuen Eigenschaften

Dass es so weit kommen konnte, dazu waren gewisse Voraussetzungen nötig: Zum einen muss das Virus in der Lage sein, menschliche Zellen zu infizieren, und zum anderen muss es pathologische Eigenschaften besitzen. Neu an diesem Virus ist wahrscheinlich, dass es menschliche Zellen infizieren kann. Diese Eigenschaft bekommen Viren, indem sie ihre Erbinformation so verändern, dass Strukturen auf der Virusoberfläche entstehen, die an humane Zellen andocken können und so dem Virus den Zugang in die Wirtszellen verschaffen. Anschließend folgen ganz zwangsläufig die pathologischen Konsequenzen, die in diesem Fall ziemlich dramatisch zu sein scheinen.

Die Patienten leiden an schwersten Lungenentzündungen und an lebensbedrohlichem Nierenversagen, Symptome, die ganz stark an die Charakteristika von SARS, dem sever acute respiratory syndrome, erinnern, das 2002 und 2003 für erhebliche Aufregung sorgte. Hinzu kommt, dass das "neue Virus", das den Namen HCoV-EMC trägt und das man im Übrigen mittlerweile bis auf den letzten Buchstaben kennt, ebenfalls zu der Gruppe von Viren gehört, die damals SARS verursachten.

Immunsystem ausgetrickst?

Und ganz ähnlich wie das SARS-verursachende Virus namens SARS-CoV gibt es experimentelle Hinweise, dass dieses Virus Mechanismen besitzt, das angeborene Immunsystem zu umgehen. So konnten Wissenschaftler zeigen, dass Zellen, die normalerweise bei einer Virusinfektion mit einer Interferonantwort reagieren, dies nicht tun, wenn HCoV-EMC die Zellen infiziert. Andererseits sind sie sehr wohl immer noch in der Lage, auf zugesetztes Interferon mit Abwehrmechanismen zu reagieren, was eine gute Nachricht ist.

(Noch) nicht sehr infektiös

Noch weiß man sehr wenig. Fakt ist, es sind bereits Menschen gestorben – immerhin die Hälfte der Infizierten. Fakt ist aber auch, dass das Virus wohl (noch) nicht sehr infektiös ist und die Übertragung von Mensch zu Mensch (noch) nicht sehr effizient erfolgt. Das kann sich aber sehr schnell ändern. Denn Coronaviren sind RNA-Viren, die beim Kopieren ihrer Erbinformation sehr schlampig vorgehen, so dass ständig neue Varianten entstehen. Wie schlimm üblicherweise die Symptome der Coronavirus-Infektion sind, ist bisher noch nicht sicher bekannt. Eine der Infizierten war nur leicht erkrankt. Eine Gefahr könnte aber sein, dass sich so die Infektion fast unbemerkt weiter ausbreiten könnte.

Unter Beobachtung

Panik ist absolut nicht angebracht. Ignoranz jedoch auch nicht. Ein enges Beobachtungsnetz und Transparenz der Ergebnisse sind zu diesem Zeitpunkt angemessene und erforderliche Maßnahmen. Und dies gewährleisten die WHO auf globaler, das European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) auf europäischer und das Robert Koch-Institut (RKI) auf nationaler Ebene.


Quelle

www.rki.de/DE/Content/InfAZ/C/Corona/Corona_node.html

www.ecdc.europa.eu/en/healthtopics/coronavirus-infections/Pages/index.aspx

www.who.int/csr/disease/coronavirus_infections/en/index.html


Dr. Ilse Zündorf, Prof. Dr. Theo Dingermann



DAZ 2013, Nr. 9, S. 34

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