Management

Warum Apotheke Design braucht

Ein Gespräch mit dem Innenarchitekten Klaus Bürger

diz | Trends, Mode, Zeitgeschmack – muss eine Apotheke das mitmachen, um erfolgreich zu sein? Muss eine Apotheke beim äußeren Erscheinungsbild mit der Zeit gehen, um im Wettbewerb bestehen zu können? Oder: Worauf kommt es heute bei der Gestaltung einer Apotheke in erster Linie an? Über den Wert der Gestaltung bei Apotheken unterhielten wir uns mit dem Innenarchitekten Klaus Bürger.
Foto: privat
Klaus Bürger

AZ: Herr Bürger, mal provokativ gefragt: Braucht Apotheke überhaupt Design?

Bürger: Hierauf kann ich mit einem ebenso provokativen „Nein“ Antworten. Apotheke braucht kein Design – die Leute kommen doch trotzdem! Aber nicht weil sie wollen, sondern weil sie müssen. Es ist wie bei Tankstellen. Wäre der Pächter in der Lage, vom Verkauf der Treibstoffe zu leben, wäre es beinahe egal, wie die Tankstelle aussieht. Sie sollte lediglich den Eindruck vermitteln, dass das Benzin nicht gepanscht ist und die Zapfsäulen nicht jeden Moment explodieren würden. Es geht also zunächst um etwas ganz Essenzielles: Vertrauen. Hierzu bedarf es zuallererst, so schnulzig es auch klingen mag, Liebe. Zu sich selbst, zu seinem Umfeld, zu seinem Beruf. Gerade in den Heilberufen hat man tagein, tagaus mit Menschen zu tun, die alle ein Problem haben. Wer es hier schafft, freundlich, kompetent und ehrlich zu kommunizieren, hat das Vertrauen seiner Kunden. Das ist harte Arbeit!

Design wird heutzutage oftmals dazu missbraucht, eine Art von Vertrauenswürdigkeit vorzugaukeln. Solche Mogelpackungen kennt und erwartet mittlerweile jeder Verbraucher, und daher kennzeichnet unser wirtschaftliches Miteinander auch ein ständiges Misstrauen.

Apotheke braucht kein Design, aber der Apotheker benötigt dieses Medium um seine Persönlichkeit und Affinität zu unterstützen und auf dieser Basis ein vertrauensvolles und positives Umfeld für sich selbst, sein Team und seine geplagten Kunden zu schaffen.

AZ: Aber hat Design nicht auch mit persönlichem Geschmack zu tun? Kann der Apotheker mit seinen persönlichen Geschmacksvorstellungen nicht auch daneben liegen – mit negativen Auswirkungen auf den Kundenzuspruch?

Bürger: Design hat nichts mit Geschmack zu tun, sondern mit der Gestaltung von Inhalten. Hat einer dieser Inhalte z.B. das Ziel, das gestaltete Produkt nach wenigen Jahren altmodisch aussehen zu lassen, so kommt an dieser Stelle der Geschmack ins Spiel. Design ist mittlerweile zu reinem „Formwitz“ verkommen. Dabei soll es sich doch am Menschen und seinen vielfältigen Bedürfnissen orientieren. Diese Bedürfnisse reichen von körperlichen und psychischen Bedürfnissen bis hin zu Anforderungen des menschlichen Verstands an die gegenständliche Umwelt. Design folgt dabei nicht allein selbst gesetzten Regeln und Intentionen, sondern muss sich vor allem mit den Interessen und Kulturen jener Gruppen oder Personen auseinandersetzen, denen das Design dienlich sein soll. Dadurch ist Design und sind die Entwürfe vor allem zweckorientiert. In der Designtheorie wurde dafür der Begriff der Funktionalität geprägt. Durch seine Zweckorientierung unterscheiden sich Design und Architektur von der Kunst. Der Architekt Louis H. Sullivan sagte bereits Ende des 19. Jahrhunderts: „Form follows function“. Wobei die Form nicht einfach nur schnörkellos ihrer praktischen Funktion unterworfen ist, sondern ästhetische und kontextuelle Funktionen zu erfüllen hat. Geht der Apotheker also lediglich mit irgendwelchen Geschmacksvorstellungen ans Werk, wird’s mit Sicherheit ein Reinfall. Aber ein vollkommen schlüssiges Design ist einfach selbstverständlich.

 

AZ: Sollte sich die Apotheke also eher dem Geschmack ihrer Kunden anpassen?

Bürger: Nein. Denn die Apotheke soll sich nicht anbiedern. Darüber hinaus ist es vollkommen unmöglich, es jedem Recht zu machen. Wer Everybody’s Darling sein möchte, hat nur Angst, eventuell negativ aufzufallen. Aber was nützt es, wenn man genauso bedeutungslos ist wie der Wettbewerb?

 

AZ: Welche Trends im Apotheken-Design sehen Sie heute?

Bürger: Ich denke, Trends und Mode sind immer etwas ganz Kurzfristiges und sind nach meinem Empfinden oftmals nur aus der Not geboren, sich ständig (vermeintlich) neu erfinden zu müssen bzw. zu können. Aber man kann das Rad eben nicht zweimal erfinden. Meistens sind Trends nur „Marketing“. Dennoch gibt es bei der Errichtung einer neuen Apothekenidentität Themen, die (endlich) wieder an Bedeutung gewinnen: Individualität, Authentizität und Nachhaltigkeit.

Zur Individualität: Apotheken unterscheiden sich nicht auf Basis ihres Warenangebotes voneinander und eine Beratung – von der Qualität mal abgesehen – bekomme ich auch überall. Bieten also zwei das Gleiche, ist das heutzutage gängigste Unterscheidungskriterium der Preis. Schlecht für den Apotheker, denn dieser muss nun die Pillen im Akkord verkaufen. Wo bleibt da der Spaß? Der Pharmazeut kann sich nur über sich selbst von der breiten Masse seiner Kollegen absetzen.

Zur Authentizität: Unter diesen Begriff fallen Inhalte und Stärken einer Apotheke, erzeugt durch die Menschen, die täglich in ihr arbeiten. Das Schwierige: Authentizität muss man glaubwürdig nach außen transportieren. „Wir sind die Apotheke mit Herz!“ – wenn man das an seine Apotheke schreibt und drinnen wartet Schwester Rabiata mit einem Gesicht wie zehn Tage Regenwetter, dann verliert man nur an Glaubwürdigkeit und Umsatz.

Und zur Nachhaltigkeit: Die nachhaltige Erzeugung eines positiv kompetenten und vertrauenswürdigen Images ist die eine Hälfte des dritten Begriffes. Nachhaltigkeit bedeutet für mich ebenso, verantwortungsvoll mit den Materialien und Rohstoffen dieser Erde umzugehen. Wenn beispielsweise eine neue, trendige Inneneinrichtung bereits nach wenigen Jahren optisch so ein alter Hut ist, dass es keiner mehr sehen kann, ist dies einfach nur Geldverschwendung. Meine ältesten Apotheken funktionieren mittlerweile 30 Jahre.

Seit vielen Jahren wird über Trends geredet, aber seit ich Apotheken baue, hat sich am Verkaufen nichts verändert. Man muss über ehrliche Inhalte und Substanz nachdenken und dann kommt man zu ganz anderen Themen, als irgendwelche Trends zu beobachten und sie letztendlich sogar nur nachzuahmen. Es leidet doch mittlerweile der gesamte Berufsstand unter dem Image des raffgierigen, überteuerten Pillenverkäufers. Eine Apotheke muss ein positives Lebensgefühl vermitteln. Es gibt aber auch praktische Trends. So sind z.B. beim Thema Beleuchtung die Begriffe LED und Energieeffizienz in aller Munde und die neuesten LED-Chips liefern erstaunlich gutes Licht.

AZ: Kommen wir noch zum Thema Farbe. Welche Rolle spielt die Farbgebung? Kann sie die Attraktivität einer Apotheke steigern?

Bürger: Farben haben eine zentrale Rolle. Zum Einen übersetzen und transportieren sie Marketing und Corporate Identity. Das magentafarbene Telekommunikationsunternehmen oder den gelben Paketzusteller kennt jeder und in der Politik spricht man gerne von Schwarz, Rot, Grün oder Gelb etc. Aber darüber hinaus erzeugen Farbinformationen auch Emotionen und schaffen Atmosphäre. Eine Stimmung wird maßgeblich durch die Kombination von Farbe, Licht und Textur erzeugt.

 

AZ: Herr Bürger, vielen Dank für das Gespräch. 

Management-Kongress Mallorca

Innenarchitekt Klaus Bürger ist mit zwei Vorträgen („Lustfaktor Design: wie Gestaltung die Apotheke verzaubern kann“ und „Lustfaktor Farben: Wie Farben Lust auf Apotheke machen“) Referent beim diesjährigen Management-Kongress. Der von Lauer-Fischer und DAZ gemeinsam veranstaltete Kongress unter dem Motto „Lust auf Apotheke“ findet vom 29. Oktober bis 1. November auf Mallorca statt. Die Kongressteilnehmer dürfen sich auf Ideen für eine Apotheke freuen, die Spaß machen und ihre Kunden begeistern. Lust auf den Management-Kongress? Unter www.lauerfischer.de finden Sie Programm und Anmeldeunterlagen.

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