- DAZ.online
- DAZ / AZ
- AZ 44/2014
- Perspektiven – warum ...
Management
Perspektiven – warum Apotheken Zukunft haben
9. Deutscher Apothekenkongress – Arbeitsabläufe vereinfachen und Kunden mit „vollem Herzblut“ betreuen
Mehr vernetzen
Prof. Dr. Christian Franken, Chefapotheker der Versandapotheken DocMorris, sieht zukunftsweisende Ansätze beispielsweise in einer stärkeren Integration der Apotheken in Versorgungsprozesse, in einer Vernetzung von Apotheken mit Ärzten und Pflegeeinrichtungen. Auch er sieht im Medikationsmanagement ein zentrales Element der pharmazeutischen Tätigkeit, wenn es gelingt, das Medikationsmanagement in den Medikationsprozess zu integrieren, und wenn die klinisch-pharmazeutische Dienstleistung honoriert wird. Als Zukunftsproblem sieht er die Versorgung auf dem Land, hier seien neue Konzepte notwendig.
Auf eine stärkere regionale Vernetzung setzt Apotheker Andreas Pfleger, Apotheke Sauter in Singen. Nach seiner Auffassung sollte die Apotheke Facebook als Instrument für eine Vernetzung mit Kunden stärker nutzen. Sie erzielt damit ohne hohen finanziellen Einsatz eine große Reichweite. Allerdings sollte dieses Medium richtig genutzt werden: reine Text- und Werbebeiträge bringen nur wenige Fans, kleine Videos oder Bildbeiträge mit Tipps, Ratschlägen, Einblicken in die Apothekenarbeit sowie persönliche Beiträge erzielen hohe Aufmerksamkeit. Die Apotheke, so Sauter, sieht er als „Showroom“: ansprechende Warenpräsentation, klare Wegstrukturen, Licht, Musik und Duft spielen eine wichtige Rolle. Die Apotheke könnte auch stärker als heute ein sozialer Treffpunkt für Rentner oder Mütter mit Kindern werden und ein Infocenter: Das Apothekenpersonal sollte auch über regionale Veranstaltungen in der Stadt Bescheid wissen. Sauter hat sich der Initiative „buy local“ angeschlossen, eine Imagekampage für inhabergeführte Läden in einer Region. Die Kampagne wird u. a. vom Landesapothekerverband Baden-Württemberg unterstützt. Mit Werbeflyern, Infomaterial und Türaufklebern signalisieren die beteiligten Geschäfte, dass sie sich in der Region engagieren, Arbeitsplätze schaffen und erhalten. Sie wollen bei den Kunden ins Bewusstsein rufen, lieber lokal einzukaufen als im Internet, nur so bleibe das Geld in der Region und könne zu mehr Lebensqualität in der Stadt beitragen.
Mehr mit Herz
Warum die Apotheke von morgen nicht nur fachlich positioniert sein muss – diese Frage beantwortete Apotheker Jan Reuter, Central Apotheke Walldürn. Er regte dazu an, sich nicht dort aufzustellen, wo alle unterwegs sind, denn hier sei wenig zu holen. Sein Credo: raus aus der Ratio, rein in die Emotion, verkaufen mit Herz und System. Sein Motto für die Kunden: „Wir bieten mehr als Schubladen, Rabattverträge und Taschentücher – Sie bekommen unser volles Herzblut!“ Außerdem: Die Apotheke sollte immer ihren Status quo hinterfragen und sich die unbequeme Frage stellen, „wie sie ihre Arbeit dramatisch besser machen kann“.
Auch Apotheker Erik Tenberken, Westgate- und Birken-Apotheke in Köln, hat sich Gedanken gemacht, wie er Apotheke besser machen kann. Er suchte nach Wegen, mehr Zeit für die Beratung der Kunden zu haben und sie besser zu beraten. Zwischen den HV-Tischen baute er Trennwände für mehr Diskretion ein, automatisierte Warenlager, Preisauszeichnung und – als Blickfang für die Kunden – die Sichtwahl, indem er eine große Videowand aus mehreren Bildschirmen aufbaute, auf denen OTC-Arzneimittel groß angezeigt werden. Zusätzlich entwickelte er eigene Flyer und Broschüren zur Unterstützung der Kundenberatung. Seine Ideen und Maßnahmen brachten mehr Kunden, mehr Umsatz – und den Zukunftspreis der Apothekerkammer Nordrhein.
Mehr automatisch
Ähnlich wie Erik Tenberken setzt Apotheker Kai Klindwort, Klindwort Apotheken Bad Schwartau, auf Automatisierung in der Apotheke. Im automatischen Warenlager sieht er eine deutliche Entlastung für den Backoffice-Bereich, eine höhere Lieferfähigkeit, weniger Fehlbestände und weniger Botendienste. Dies führt in seiner Apotheke zu einer größeren Zufriedenheit bei Kunden und Mitarbeitern. Neu hinzugekommen ist eine virtuelle Sichtwahl auf regalgroßen Monitoren: kein Staubwischen, schnelles „Umräumen“ und Platzieren, geringere Kapitalbindung, stärkere Kaufanreize für Kunden. Weitere Optimierungen in seinem Betrieb erreichte Klindwort mit einer digitalen Preisauszeichnung, einer Abholverwaltung von Nachlieferungen über den Kommissionierautomaten, mit einem Rezeptscan und einer Bargeldautomatik, die Kassendifferenzen auf null zurückführt. Kindwort: „Es ist erstaunlich, welche Arbeiten nicht mehr vermisst werden, wenn Prozesse konsequent vereinfacht werden.“
Den Einkauf und Verkauf in der Apotheke nicht rabattorientiert, sondern ertragsorientiert anzugehen – Wolfgang Schwarz vom C+T Unternehmensservice hat sich darauf spezialisiert, dies zu trainieren. Er coacht Apothekenpersonal und Apothekenleitung und vermittelt die Werkzeuge, die zu einer Ertragssteigerung für die Apotheke führen. Dazu gehören beispielsweise die gemeinsame Sortimentsplanung, die Festlegung therapiegerechter Packungsgrößen, Möglichkeiten des Cross-Sellings, die Erstellung eines Umsatz- und Ertragsplans sowie das Festlegen von Zielen, die auch die Mitarbeiter kennen müssen. Potenzial sieht Schwarz u. a. in Verhandlungsgesprächen mit dem Großhandel und der Vermittlung von Einkaufs-Know-how.
Mehr Impulse
Aus Sicht der Industrie betrachtete Thorsten Kujath, Vertriebsleiter der Bayer Vital GmbH, den Arzneimittelmarkt der Apotheke. Freiverkäufliche Arzneimittel im Supermarkt, das Aufweichen der Apothekenexklusivität ist aus seiner Sicht eine ungute Entwicklung. Er hofft, dass dies nicht eines Tages übergreift auf apothekenpflichtige Arzneimittel. Um im Freiwahlbereich der Apotheke Umsatz und Ertrag zu steigern, sollten die Laufwege der Kunden analysiert und hier die Ware besser platziert werden. Untersuchungen haben gezeigt, dass die Platzierung eines Displayaufstellers an einer besser frequentierten Stelle in der Offizin den Umsatz bedeutend steigern kann. Auch die Verweilzeit des Kunden in der Apotheke, die heute im Durchschnitt nur 2:18 min beträgt, könnte beispielsweise durch veränderte Platzierung von Regalen und Displays erhöht werden – der Kunde hat mehr Zeit, sich mit dem Warenangebot vertraut zu machen. Aus Sicht der Indus-trie sieht Kujath Apothekenkooperationen kritisch. Das Category Management werde verwässert, so manche Aktion wie z.B. die Teilnahme am Payback-Programm sei zu hinterfragen. In Gesprächen mit Apotheken stünden derzeit vor allem Einkaufskonditionen an erster Stelle. Sinnvoller wäre es, mehr über Verkaufsschulungen und -training, über Möglichkeiten einer Partnerschaft zu reden, so Kujath.
Mit dem Spannungsverhältnis von Online- versus stationärem Handel befasste sich Aline Eckstein, Bereichsleiterin des eCommerce-Centers Köln (ECC). Sie sieht hier auch positive Verbindungsmöglichkeiten zwischen beiden Welten. Man weiß zwar aus Befragungen, dass jeder zehnte Käufer Beratungsklau betreibt: Er informiert sich im stationären Handel, um dann das Produkt online zu kaufen. Aber es gibt durchaus auch die andere Richtung: Kunden nutzen die Internetseiten als Showroom zur Vorinformation und kaufen dann im stationären Vertriebskanal: Jeder zweite Euro wird online vorbereitet. Vor diesem Hintergrund lohnt es sich darüber nachzudenken, wie man beide Vertriebskanäle besser verbinden kann; ein Beispiel wäre ein Online-Verfügbarkeits-Check: der Kunde kann online abfragen, ob die Ware im stationären Vertriebskanal vorhanden ist. Online- und stationärer Handel haben unterschiedliche Vorteile, wobei im Online-Handel die Erwartungshaltung der Kunden ständig wächst. Eine Möglichkeit sieht Eckstein darin, online Kaufimpulse zu setzen und den Kunden in den stationären Laden zu schicken. In Zukunft wird die Kundenmacht weiter zunehmen. Empathie zählt bei Unternehmen als Wettbewerbsvorsprung, ebenso Flexibilität und Schnelligkeit.
Mehr Mitarbeiter
Doch was nützen alle Optimierungen, wenn es keine qualifizierten Mitarbeiter gibt? Die Apothekenkooperation Avie GmbH hat nach Wegen gesucht, wie Apotheken den Personalmangel angehen können. Wie Dr. Thomas Zenk, Geschäftsführer von Avie berichtete, versucht sein Unternehmen, bereits die Pharmazeuten im Praktikum (PhiP) an die Apotheke zu binden und zu halten. Avie hatte zu diesem Zweck ein zertifiziertes Ausbildungsprogramm für den dritten Ausbildungsabschnitt entworfen, das in seiner ersten Version allerdings zu umfangreich war. Ein nun neu konzipiertes Programm, ausgelegt auf die Dauer von einem halben Jahr, scheint erfolgreich zu sein. Die Studierenden schätzen die Zuwendung und Betreuung während des Praktikums in der Apotheke. Über das Ausbildungsprogramm konnten neue Mitarbeiter(innen) gewonnen werden.
Knifflig bleiben auch in Zukunft Rechtsfragen zu den Themen Preisangaben, Gratiszugaben oder apothekenübliche Waren, wie Rechtsanwalt Dr. Thomas Miller, Heussen Rechtsanwaltsgesellschaft mbH verdeutlichte. Meist kommt es auf den Einzelfall an. Düfte dürften allerdings durch die neue Apothekenbetriebsordnung zu den apothekenüblichen Waren gerechnet werden. Da der Begriff „Mittel zur Körperpflege“ auch Kosmetika erfasst und über die Definition von Kosmetikprodukten auch Düfte erfasst sind, gehören Düfte zu den apothekenüblichen Waren, so Miller.
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.