Management

Prozesse optimieren – Zukunft gestalten

Mit Technik-Einsatz, Automatisierung und Prozess-Management zu mehr Ertrag

Wie modern und „technisiert“ kann und darf eine Apotheke heute sein, ohne die pharmazeutische Ausrichtung aus den Augen zu verlieren? Der Apotheker Gunther Böttrich aus Nordhessen hat für sich die Antwort auf diese Frage gefunden – und mit einem prozessoptimierten Konzept in seiner Apotheke umgesetzt. Was steckt hinter diesem Konzept, und wie kam Böttrich dazu, die Hälfte seiner Schubschränke zu entsorgen und später Bildschirme statt Waren in seine Sichtwahl zu stellen? Die AZ sprach mit Gunther Böttrich über Prozessoptimierung und über die Ergebnisse.
Fotos: privat
Gunther Böttrich

AZ: Herr Böttrich, wie kam es, dass Sie Ihre Apotheke voll „durchautomatisiert“ haben?

Böttrich: Im Jahre 1993 habe ich die elterliche Landapotheke mit Lochkartenbestellsystem, Schiebelauer und mechanischer Krupp-Kasse Baujahr 1916 übernommen. Nach einer Phase der behutsamen und kleinen Schritte wechselten wir 2012 den Standort und starteten dort mit einem konsequent prozessoptimierten Gesamtkonzept und innovativer Technik.

Doch der Reihe nach: Nach Einführen des ersten Computers 1993 lagen durch die EDV-Warenwirtschaft zum ersten Mal umfangreiche Zahlen vor. Damit gab es eine Basis, um viele Bereiche zu optimieren. Nach Umstellen von POR auf POS und Einführen des Controlling-Tools „Managementreport“ waren wir Anfang der 2000er Jahre auf der Höhe der Zeit angekommen, – was die „Werkzeug“-Ausstattung anging. Von einer wirklich effektiven Nutzung der Daten konnte aber noch keine Rede sein.

AZ: Wie ging es dann weiter?

Böttrich: 2006 begann ich, durch einen Impuls unseres Softwareanbieters Pharmatechnik angeregt, mich intensiv mit Lagerbeständen, Bestellparametern und der Lieferfähigkeit meiner Apotheke zu beschäftigen. In den Folgejahren wurden erhebliche Überbestände im Warenlager abgebaut und gleichzeitig die Lieferfähigkeit erhöht. Eigentlich ein Widerspruch, aber unsere Zahlen sprechen für sich.

AZ: Wie sahen diese Zahlen aus?

Böttrich: Dieses Gesundschrumpfen des Lagers spülte eine Liquidität von mehreren Zehntausend Euro in die Apotheke und ermöglichte die Entsorgung von acht Schubschranksäulen aus der Offizin.

Der frei werdende Platz wurde zur umfangreichen Erweiterung der Sichtwahl beim 2009 durchgeführten Umbau genutzt. Das hat wiederum den Sichtwahlumsätzen sehr gut getan. Es ergaben sich je nach Indikation Zuwächse zwischen drei und zwanzig Prozent. Die Besorgerquote ging von 24 auf 12 Prozent zurück. Die bessere Lieferfähigkeit reduzierte die Prozesskosten für Nachlieferungen und Botendienst und sorgte für mehr zufriedene Kunden.

Die virtuelle Sichtwahl kommt bei seinen Kunden gut an, erzählt Gunther Böttrich.

AZ: Hatten Sie damals schon einen Automaten?

Böttrich: Unsere Traditionsapotheke, seit 1807 am gleichen Standort, war zu diesem Zeitpunkt noch nicht „automatisiert“. Wir hatten „lediglich“ Prozesse optimiert. Die Rx-Artikel lagerten in klassischen Schubschränken, es gab eine große, klassische Sichtwahl und eine kleine Freiwahl. Die Ergebnisse in Teilbereichen zeigten, dass wir auf dem richtigen Weg waren und bestärkten mich, diesen Weg weiterzugehen.

AZ: Aber heute haben Sie Ihre Apotheke „durchautomatisiert“ …

Böttrich: Im Jahre 2012 ergab sich die Gelegenheit, unsere Apotheke an einen attraktiveren Standort zu verlegen und dort neue Ideen umzusetzen. Ein neues Raumkonzept mit Lagerautomat, vergrößerter Freiwahl und einem Autoschalter (mit Ausgabeschacht des Automaten für Tag- und Notdienst) war schnell „gestrickt“.

Die Sichtwahl aber bereitete mir Kopfzerbrechen. Wenn ich schon in einen Automaten investiere und in Verbindung mit diesem konsequent optimiere, dann müssen auch die Hochfrequenzartikel der Sichtwahl zu 100 Prozent über den Automaten laufen. Keine Sichtwahl-Packungen mehr von Hand zum POS zu bewegen, das war das Ziel. Meine Meinung: Der einzig sinnvolle Packungskontakt des Apothekenteams ist die Aushändigung des Arzneimittels an die Kunden – verbunden mit Beratung und persönlicher Zuwendung. Mehrere Lagerorte (Automat, Sichtwahlregal, Übervorratslager), – das geht prozesstechnisch betrachtet gar nicht. Also musste eine Sichtwahl ohne Ware her. Nur dann arbeitet der Automat effizient und amortisiert sich entsprechend schneller.

AZ: Wie sieht denn die Sichtwahl-Lösung in Ihrer Apotheke aus?

Böttrich: Nach umfangreicher Planungsphase im Herbst 2012 und intensivem Beschäftigen mit „Change-Management“ konnte ich das Ergebnis bei Eröffnung der Apotheke im Dezember stolz präsentieren. In Zusammenarbeit mit dem Softwarepartner apobyte aus Münster und dem Hardwarepartner VPT aus der TV-Branche ist es nach meinen Vorgaben gelungen, eine digitale Sichtwahl aus zwölf großen Monitoren zu erstellen. Keine Regale mehr, die gereinigt werden müssen, kein Nachräumen von Packungen, geringere Lagerbestände, und weniger Bewegung hinter dem POS waren die Folge. Auch vor dem POS kam die neue Art der Präsentation sehr gut an. Die bessere Erkennbarkeit der übergroß in 3D-Ansicht dargestellten Packungen in HD-Qualität und der aufgeräumte Gesamteindruck gefallen unseren Kunden. Für diese haben wir nun auch mehr Zeit, weil die Mitarbeiter sich weniger um Packungen und mehr um Beratung kümmern können. Einräumen und Umräumen der Sichtwahl geht schnell und einfach vom Schreibtisch aus.

AZ: Hat die digitalisierte Sichtwahl auch Auswirkungen auf die Arbeitsabläufe?

Böttrich: Durch die digitale Sichtwahl konnten wir unser Bestellverhalten und die Lagerparameter nun auch im Sichtwahlsegment konsequent in Richtung „breites, flaches, schnelles Lager“ optimieren. Dieses Steuern des Lagers erfolgt zunächst durch schrittweises Drehen an den „Stellschrauben“ der Warenwirtschaft und ständige Kontrolle der Ergebnisse. Für dieses Controlling bieten die Softwarehäuser entsprechende Tools, die das Apothekenteam unterstützen und automatisiert und effizient Rückmeldung geben, ob man auf dem richtigen Weg ist. Ist ein vernünftiges Gleichgewicht zwischen Lieferfähigkeit und Lagerumschlag erreicht, läuft die weitere Steuerung des Lagers über Neuanlagen- und Retourenmanagement. Im HV fallen durch die Sichtwahl ohne Ware weniger „unpharmazeutische“ Arbeiten wie Nachräumen und Regalputzen an, was für mehr Ruhe am POS sorgt und Kosten spart.

Zusammen mit der Hardware-Firma VPT, die ihm bei seinem Apothekenumbau zur Seite stand, hat Böttrich die Firma promosi GmbH gegründet. Sie bietet Apotheken Beratung, Verkauf und dauerhaften Service bei der „Sichtwahl ohne Ware“ an. Softwarepartner in diesem Konzept ist die Firma Apobyte aus Münster.

AZ: Und, hat sich das Alles gelohnt? Immerhin mussten Sie keine ganz kleinen Summen investieren …

Böttrich: Die neue Art der Warenpräsentation kommt in unserer Landapotheke gut an. Kunden schätzen die große, klare Darstellung der Packungen, und die Sichtwahl ist immer aufgeräumt. Technikeinsatz führt zu kürzeren Wartezeiten und der Autoschalter bietet bequeme und schnelle Versorgung. Nach rund zwei Jahren in diesem Konzept liegt uns nun umfangreiches Zahlenmaterial vor. Das immer wieder gehörte Vorurteil, dass sich Automatisierung und Technik nur für sehr große Apotheken rechnen, ist danach nicht haltbar. In unserer „mittelgroßen“ Apotheke hilft die Technik bei der Verfolgung unserer Ziele. Sie ist aber nur das Werkzeug. Die Effizienz kommt erst durch konsequentes Optimieren der Prozesse rund um die Technik zustande. Technikeinsatz ist meines Erachtens nicht primär eine Frage der Apothekengröße, sondern die Frage ist, ob das Team bereit ist, sich mit Prozessoptimierung zu beschäftigen, und diese kontinuierlich voranzutreiben. So kann ein Lagerautomat in mittleren und kleinen Apotheken Stoßzeiten oder Mitarbeiterausfälle, die meist zulasten der Inhaber gehen, abfangen. Die digitale Sichtwahl führte in Verbindung mit unserer neuen „Lagerdenke“ zu einer Explosion der Lagerumschläge (bei den Rennern um Faktor 5–10), allein schon durch erheblichen Abbau von Überbeständen. Ein gut funktionierender Rezeptscanner, den wir auch im Backoffice und am Autoschalter einsetzen, ist für mich Effizienz pur. Er spart am POS wertvolle Zeit, die wir für Kommunikation mit Kunden nutzen!

AZ: Wenn Sie Ihre Erfahrungen mit der Automatisierung in der Apotheke Revue passieren lassen, wie sieht Ihr Resümee aus?

Böttrich: Mein Fazit: Durch Einsatz moderner Technik gelingt es, eine betriebswirtschaftliche Basis für heilberufliches Arbeiten zu schaffen, und positiv in die Apotheken-Zukunft zu schauen. Technische Hilfsmittel, sinnvoll eingesetzt, unterstützen die Mitarbeiter bei der Kundenorientierung. Dies und die prozessoptimierenden Effekte, die helfen Kosten zu sparen, sollten meines Erachtens das Leitbild sein. Zu viel Show und „visuelle Reizüberflutung“ hat in der Offizin aber nichts zu suchen.

Die neue Technik der digitalen Sichtwahl bietet zukünftig Möglichkeiten, die wir aktuell noch gar nicht „auf dem Schirm haben“. Interessant ist zum Beispiel die Möglichkeit, auf dem Bildschirm hinter der Kasse verschiedene Inhalte auf Abruf darstellen zu können. Dies ermöglicht die „HV-Touch“-Funktion auf einem Tablet-Computer direkt neben der Kasse. Zusatzempfehlungen können gezielt angewählt und jedes vorhandene „Indikationsregal“ auf dem Monitor am Bedienplatz aufgerufen werden. Eine diskrete Visualisierung unterstützt das Beratungsgespräch. 

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